Starnberg:Picker attackiert frühere Weggefährtin

WPS-Chef fordert Rücktritt von Stadträtin Kammerl wegen angeblich falscher Angaben

Von Peter Haacke, Starnberg

Dass es in den politischen Gremien der Stadt Starnberg nicht immer friedlich zugeht, ist kein Geheimnis. Im Bauausschuss am Donnerstag kam es nun aber zu einem bislang beispiellosen Vorgang, der weitgehend Empörung und höchstes Befremden im Gremium hervorrief: Der Vorsitzende der "Wählergemeinschaft pro Starnberg" (WPS), Günther Picker, forderte seine ehemalige Fraktionskollegin Angelika Kammerl (Die Parteifreien) zum Rücktritt auf, weil sie sich angeblich bei den Kommunalwahlen 2014 und 2015 "mit falschen Angaben das Starnberger Stadtratsmandat erschlichen" habe.

Picker verlas eine Erklärung, wonach Kammerl stets in Pöcking und nicht in Starnberg gewohnt habe. Es liege ein Verstoß gegen den Paragrafen "Fälschung von Wahlunterlagen" vor, sagte Picker, "darauf steht Gefängnis". Er beantragte Sitzungsunterbrechung und sofortige Ortsbesichtigung bei den Wohnorten der Stadträtin. Zudem solle die Verwaltung die Strafverfolgungsbehörden in München informieren. Bürgermeisterin Eva John lehnte den Antrag zwar ab. Aber es bleibt ein fader Beigeschmack.

Bereits Ende Juli hatte Augustin Ullmann, Leiter des Starnberger Ordnungsamtes, aufgrund eines nicht näher bezeichneten Hinweises und des Antrags einer ungenannten Stadtratsfraktion eine Stellungnahme bei Kammerl zu ihrem "Lebensmittelpunkt" erbeten. Sollte sie an ihrem Starnberger Zweitwohnsitz "ausschließlich ein Atelier unterhalten", heißt es, "wäre die Wählbarkeitsvoraussetzung für den Stadtrat entfallen, mit der Folge des Verlustes ihres Mandats." Kammerl ließ über ihren Anwalt Patrick Janik ausrichten, dass sie seitens der Stadt "bereits zweimal überprüft" worden sei. Ganz offensichtlich versuche eine Fraktion, "ein missliebig gewordenes Stadtratsmitglied auf diesem Wege loszuwerden."

Kammerl hatte die WPS im Mai gemeinsam mit Sieglinde Loesti im Streit verlassen und "Die Parteifreien" als neunte Fraktion im Stadtrat gegründet. Durch den Wechsel dreier weiterer Mandatsträger vom "Bündnis Mitte Starnberg" (BMS) - die Gruppierung der Bürgermeisterin - zur Bürgerliste hatte sich im 30-köpfigen Gremium im Juni eine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse ergeben.

Bei den meisten Ausschussmitgliedern traf der Beitrag Pickers, der Kammerl gar mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz verglich, auf völliges Unverständnis. Als "böse und unter der Gürtelinie" bezeichnete Annette von Czettritz (Grüne) am Freitag auf SZ-Anfrage den Antrag, als "beleidigend" empfand ihn Christiane Falk (SPD), Gerd Weger (CSU) rügte ihn als "weit überzogen" - zumal die "WPS das alles gewusst hat", wie Ludwig Jägerhuber (CSU) sagte. Die Stadträte spekulieren nun darüber, ob der WPS-Antrag eine Strafaktion gegen die abtrünnige Kammerl ist oder dem potenziellen WPS-Nachrücker Georg Stahl der Boden bereitet werden soll. Für Kammerl steht fest: Sie will sich juristisch wehren.

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