Starnberg:Pandemieunbedenklich

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Der Dießener Maler Martin Gensbaur hat das Kunstfenster erfunden. Inzwischen zeigen auch die Reihe "Nah - fern", die Galerie B 1 und das Museum Starnberger See ihre abends beleuchteten Zeichnungen, Fotos und Objekte hinter Zwei- und Dreifachverglasung. Ein Rundgang

Von Katja Sebald, Starnberg

Sehenswertes in der Auslage: Die Reihe "Nah- fern" zeigt Exponate der aktuellen Schau in den Fenstern des Starnberger Bahnhofs am See. (Foto: Arlet Ulfers)

Für viele Menschen gehört der Besuch von Kunstausstellungen zu Weihnachten wie der Gänsebraten am ersten Feiertag. Wem inflationär auftretende Glitzerleuchtketten nicht genug Kultur sind und wer Kunst lieber in echt als online erlebt, für den würde es derzeit wirklich zappenduster - gäbe es nicht ein paar leuchtende Kunstfenster, deren Besichtigung man unter Einhaltung von Abstandsregeln, Versammlungsverbot und natürlich auch Ausgangssperre mit einem abendlichen Spaziergang verbinden kann.

Den Anfang machte schon im November der Dießener Bildhauer Matthias Rodach, der für den kleinen Uttinger Ausstellungsraum B1 eine "absolut pandemieunbedenkliche" Installation erfand, die man "auf Knopfdruck", so der Titel der Arbeit, von außen in Gang setzen konnte. Jetzt gibt es hinter dem Schaufenster des ehemaligen Fremdenverkehrsamts am Bahnhofsplatz eine kurze Umbaupause, von 23. Dezember an ist dann die Arbeit "Fürchte Dich nicht, ich bin bei Dir" von Trine Pesch zu sehen: ein großes Relief aus Wolle, Seide und Hanf, das eine engelsgleiche Figur und "die Geschichte einer barmherzigen Begegnung darstellt", so die Künstlerin. Die Arbeit wird sich während der Ausstellungsdauer täglich verändern und bis einschließlich 17. Januar 2021 immer wieder neue Einblicke bieten. Ergänzt wird sie durch Fotografien der Ammersee-Künstlerin Carmen Kubitz. Die tragen den langen Titel "Wasser: still und sanft - wie bei uns am See oder unaufhaltsam mutig - ohne Zögern über Steilwände stürzend".

Am Fuß des Heiligen Bergs in Andechs ist "Die Wandlung" zwar bereits vollzogen, wenn Susanne Hauenstein am 24. Dezember das letzte Bild in ihrem Kunst-Adventskalender enthüllt, die Installation ist jedoch ebenfalls über den Jahreswechsel zu sehen und wird abends beleuchtet. Die Künstlerin hatte Anfang Dezember 24 schwarze Leinwände an einer von außen gut sichtbaren Wand in ihrem Atelier aufgehängt. Sie bemalt jeden Tag eine der Leinwände in einer Art "Meditation mit Pinsel und Farbe". Von 7. Januar an können die Bilder gekauft werden.

Martin Gensbaur, Erfinder des Kunstfensters. (Foto: Nila Thiel)

Im historischen Bahnhof am See in Starnberg ist die aktuelle Ausstellung der Reihe "Nah - fern" in die Fenster der Schalterhalle umgezogen, die ebenfalls beleuchtet werden. Zu sehen ist eine Auswahl der stillen Zeichnungen von Johannes Alexander Kraut, bestehend aus feinen Netzwerken, Linien, Gespinsten und Verdichtungen, sowie einige der kecken Merkwürdigkeiten der Künstlerin Lilo Ring, deren Reiz im heiteren Zusammenspiel aus Wort und Bild, vor allem aber in einer virtuos-unbeholfenen Darstellungsweise besteht.

Das Museum Starnberger See verwandelt sich vorübergehend in ein "Spaziergangs-Museum": Der Museumsweg ist rund um die Uhr geöffnet, mit Beginn der Dämmerung werden an drei verschiedenen Stationen die Fenster erleuchtet: An der Glasfront des Museumscafés ist eine bislang unveröffentlichte Auswahl von historischen Aufnahmen aus der Sammlung Wörsching zu sehen, die Starnberg im Winter zeigen. Im Fenster der Stube im Lochmannhaus werden auf einem Display Fotos präsentiert, die im Rahmen der Ausstellung "Schätze schauen" entstanden: Menschen aus der Region präsentieren auf den Bildern eine Auswahl der interessantesten, geschichtsträchtigsten oder kuriosesten Objekte aus der Sammlung des Museums.

Der "Kugelbrief" ist "Kunstwerk des Monats" in Berg und ebenso hinter Glas zu sehen. (Foto: Arlet Ulfers)

Das beleuchtete Treppenhaus des Museumsneubaus zur Possenhofener Straße hin ist die dritte Station des Museumsspaziergangs: Hier sind künstlerische Arbeiten zum Thema "Illustrierte Wörter" zu sehen, die in einem P-Seminar am Starnberger Gymnasium entstanden.

In Berg ist im Dezember bereits das zweite "Kunstwerk des Monats" in einem der Fenster des Evangelischen Gemeindehauses am Fischackerweg 10 zu sehen. Noch bis 9. Januar 2021 wird der "Kugelbrief" von Otto Scherer in den Abendstunden beleuchtet. Das mit höchster Präzision aus Keramik gefertigte Objekt ist mit Schriftzeichen aus Platin und Gold überzogen.

Erfinder des "Kunstfensters" ist eigentlich der Dießener Maler Martin Gensbaur, der seine Arbeiten seit Jahren in einem Fenster seines Hauses an der vielbefahrenen Durchgangsstraße präsentiert und in vorpandemischen Zeiten das dahinterliegende ehemalige Ladengeschäft zuweilen als Galerie für zeitgenössische Kunst öffnete. Derzeit ist dort ein Bild (o. T., 110 cm x 70 cm, Fotodruck auf Leinwand mit Gebrauchsspuren, o. J.) zu sehen, das ein Unbekannter Ende Oktober vor dem Kunstfenster an der Hofmark abgestellt hatte. Gensbaur stellt sich nun vor, dass der anonyme Künstler mit dieser Variante der Street art irgendwann so bekannt werden könnte wie Banksy. Auf jeden Fall ist auch das gelbe Bild ein freundlicher Lichtpunkt in diesen dunklen Zeiten.

© SZ vom 21.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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