Vogelschutz:Entdeckungen im Eulenjahr

Lesezeit: 3 Min.

Vogelbeobachtung vor Feldafing: Drei Hobby-Ornithologen auf dem Steg der Roseninsel. Dort und in der Starnberger und Seeshaupter Bucht halten sich rund 75 Prozent der auf dem Starnberger See beheimateten Wasservögel auf. (Foto: Pit Brützel/oh)

Sechs Arten von Nachtgreifen wurden vergangenes Jahr im Fünfseenland gesichtet, darunter auch der Uhu. Die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen beteiligt sich an vielen Artenschutzprojekten und betreut nun auch die Kiebitzkolonie im Aubachtal.

Von Armin Greune, Starnberg

Vogelbeobachtung hat als Hobby Hochkonjunktur. Schon 2018 hatten mehr als 200 Birdwatcher ihre Sichtungen im Landkreis Starnberg auf der Online-Plattform ornitho.de eingetragen - bis zum vergangenen Jahr hat die Zahl noch einmal um die Hälfte auf 308 zugenommen. Entsprechend stiegen die jährlichen Beobachtungen von knapp 30 000 auf zuletzt 43 500 an. Auch die erst 2014 gegründete Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) segelt im Aufwind: Knapp 50 Personen nahmen am jüngsten Online-Stammtisch teil, bei dem der Vorsitzende Pit Brützel den Ornithologischen Jahresbericht 2021 vortrug. Dabei ging es aber nicht nur um Beobachtungen rarer oder spektakulärer Arten: Die Arbeitsgemeinschaft ist weit mehr als bloß ein Verbund von Vogelfreunden, die gern mit dem Fernrohr auf die Pirsch gehen. Viele Mitstreiter engagieren sich inzwischen in Projekten, um bedrohte Vogelarten im Fünfseenland zu erhalten oder wieder anzusiedeln.

Zu diesen Aktivitäten zählt die Beratung von Institutionen bei der Einrichtung von Nisthilfen für Schwalben und Mauersegler. Im vergangenen Jahr habe ein ASO-Arbeitskreis etwa Mitarbeiter des Klinikums Starnberg unterstützt, spezielle Behausungen für Mauersegler zu montieren, berichtete Brützel. Auf Anregung des Arztes und Hobbyornithologen Wolfgang Schweiger konnten mit Hilfe der Feuerwehr neun Nistkästen unter dem Dach eines Bettenbaus montiert werden. Die auf die Bedürfnisse der Mauersegler zugeschnittenen Häuschen hatte ein Techniker des Klinikums angefertigt. Bereits zuvor waren im Park des Krankenhauses 30 Kästen aufgehängt worden, die hoffentlich von Singvögeln angenommen werden; dazu kamen noch vier Quartiere für Fledermäuse und eine zehn Kilo schwere Höhle für einen Waldkauz.

Pit Brützel, der Vorsitzende der Starnberger Ornithologen. (Foto: privat)

Überhaupt war für Brützel "2021 ein Eulenjahr": Sechs Arten wurden im Landkreis Starnberg gesichtet. Selbst der rare Uhu wurde sechsmal entdeckt; mittlerweile vermutet man, dass ein Paar im Westen des Landkreises brütet. Noch seltener - genau einmal im vergangenen Jahr - ließ sich die Sumpfohreule blicken, die in Bayern ausgestorben ist. Dafür haben sich die Beobachtungen von Waldohreulen im Fünfseenland gegenüber 2020 verzehnfacht. Ihren kleineren Verwandten widmet die ASO besondere Aufmerksamkeit: Seit einigen Jahren betreuen ihre Aktiven in Zusammenarbeit mit der Forstverwaltung "einbruchssichere" Quartiere für Raufußkauze in den Wäldern südlich von München. Heuer sollen auch im Kerschlacher Forst Nistkästen für Käuze aufgehängt werden. 2022 wolle man auch prüfen, ob die Schleiereule im Landkreis wieder heimisch werden kann, sagte Brützel. Noch in den 1990er Jahren brüteten 40 Paare im Fünfseenland, nun will die ASO potenzielle Niststätten ins Auge fassen, die noch nicht von Turmfalken oder Dohlen besetzt sind.

Regelmäßig brüten inzwischen wieder die Wasseramseln im nördlichen Landkreis Starnberg. Zu verdanken sei dies der Betreuung durch Ulrich Knief, der Nisthilfen montiert und die Vögel beringt. Im vergangenen Jahr bereiteten ASO-Mitstreiter auch Brutkästen für die Trauerschnäpper entlang der Würm vor. Weil sie erst Ende April aus den Winterquartieren zurückkehren, wird die Vorderwand erst kurz zuvor montiert - "sonst beziehen die Meisen alle Quartiere", erklärt Brützel. Obwohl im vergangenen mehr als 100 Trauerschnäpper im Landkreis gesichtet wurden, liegt die letzte Brut wohl schon fünf Jahre zurück.

Der in Bayern vom Aussterben bedrohte Wendehals konnte 2021 nur noch zehn Mal beobachtet werden. In den Vorjahren ließ sich sogar deren Brut im Fünfseenland nachweisen. Heuer will die ASO Nisthilfen im Umfeld der Gautinger Kiesgruben anbieten, um den Bestand dauerhaft zu erhalten. Dank erfolgreicher Zusammenarbeit mit den Betreibern sind in den Kiesgruben Lebensräume aus zweiter Hand entstanden, von denen vor allem Flussregenpfeifer und Uferschwalben profitieren.

Waldrapp

1 / 3
(Foto: imago/Nature Picture Library)

Selten Gesehen: diese Vogelarten sind mitunter auch in der Region zu finden: Ein struppiger Geselle, der seit dem 17. Jahrhundert in Europa ausgestorben ist, fasst dort dank Wiederansiedlungsprojekten langsam wieder Fuß. Im Frühjahr 2021 konnten in Berg und bei Aschering mindestens zwei Waldrappe auf der Durchreise beobachtet werden: Anhand ihrer Beringungen wurden sie als das Weibchen "Cupi" und das Männchen "Albus" identifiziert. Beide waren 2019 in der Kolonie bei Überlingen am Bodensee geschlüpft.

Schwarzstorch

Im Gegensatz zum populären, weißen Verwandten meidet er die Öffentlichkeit: Der Schwarzstorch ist ein scheuer Waldbewohner und Langstreckenzieher. Dennoch wurde er 2021 im Landkreis Starnberg 35 Mal beobachtet. Obwohl keine sicheren Erkenntnisse über Bruten vorliegen, legt die Vielzahl der Sichtungen nahe, dass der seltene Vogel dort heimisch geworden ist. Die ASO versucht 2022, die Horste der Schwarzstörche zu lokalisieren.

Zwergdommel

2 / 3
(Foto: Thomas Hafen/oh)

Vor hundert Jahren hatte die Zwergdommel noch fünf oder sechs Reviere am Maisinger See, seit 1932 konnte sie aber nicht mehr im Landkreis Starnberg nachgewiesen werden. Bayernweit gilt sie inzwischen als vom Aussterben bedroht. Von 2017 an haben Hobby-Ornithologen immer wieder einzelne Exemplare am Maisinger See gesichtet seit dem vergangenen Sommer besteht sogar Hoffnung, dass dort auch wieder ein Paar brütet.

Kranich

3 / 3
(Foto: imago images/Shotshop)

Als Brutvogel ist er in Bayern vom Aussterben bedroht, als Durchzügler aber häufiger zu beobachten. Seit etwa zehn Jahren haben die nordosteuropäischen Kraniche eine neue Zugroute in die Winterquartiere für sich entdeckt, die sie am Alpenrand auch ins Fünfseenland führt. Im Herbst 2021 konnten riesige Schwärme mit bis zu 400 Vögeln über Gauting, Buchendorf, Starnberg und Seefeld gesichtet werden; im Frühjahr gab es nur vier Beobachtungen. arm

Seit vergangenem Jahr übernimmt die ASO gemeinsam mit der Unteren Naturschutzbehörde auch den Schutz der Kiebitzkolonie im Aubachtal. Seit fünf Jahren gilt die erfolgreiche Wiederansiedlung der im Alpenvorland vom Aussterben bedrohten Wiesenbrüter als Leuchtturmprojekt: 2017 wurden auf einer Brachfläche zehn, 2019 neun Jungvögel flügge. Doch in den übrigen Jahren blieb ein Bruterfolg aus. Um die wehrlosen Pulli - so heißen die geschlüpften Küken im ersten Daunenkleid - vor Raubtieren zu schützen, wird der Hechendorfer Acker seit drei Jahren aufwendig mit einem Elektrozaun abgesperrt. 2020 kam es - auch wegen Unstimmigkeiten mit dem Grundstückspächter - zu einem Totalausfall der Brut, obwohl im Frühjahr 13 Altvögel nach Seefeld zurückgekehrt waren.

Im Aubachtal sollen dieser Tage die Kiebitze zurückkommen

Im vergangenem Jahr konnte man gut mit dem Landwirt zusammenarbeiten und einen Teilerfolg verbuchen, teilte Brützel mit: Vier Brutpaare zogen auf einer 1,4 Hektar großen Brache elf Pulli auf. "Doch Mitte Mai waren alle weg" - die ASO vermute, dass der Zaun an elektrischer Spannung verloren und dann ein Fuchs die Küken gefressen habe. Dieser Tage wird im Aubachtal wieder die Ankunft der ersten Kiebitze aus den Winterquartieren im Süden erwartet.

Noch weit aufwendiger sind die Schutzmaßnahmen im Ampermoos, um dem Großen Brachvogel zu Nachwuchs zu verhelfen. Obwohl 2021 mit zehn Brutpaaren ein neues Maximum erreicht wurde, sei nur ein einziger Jungvogel flügge geworden, berichtete Brützel. ASO-Mitstreiterin Susanne Hofmann hatte fünf Gelege umzäunt und überwacht, dennoch wurden vier der Nester von Füchsen geplündert. Überhaupt sei die Lage der Wiesenbrüter ernüchternd: Uferschnepfe, Rotschenkel und Wachtelkönig gelten im Landkreis Starnberg als ausgestorben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Serie S(ee)aisonarbeiter
:Volkszählung auf dem Wasser

Im Landkreis Starnberg gibt es etwa 20 bis 30 Hobby-Ornithologen, die an den Seen in der Region den Bestand der Überwinterungsgäste dokumentieren. Pit Brützel ist einer von ihnen. Heuer hat der 66-Jährige auch wieder einen seltenen Gastvogel ausfindig machen können.

Von Sabine Bader

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: