Musik, so heißt es oft, sei Balsam für die Seele: Sie trifft direkt ins Gehirn, fördert die Vernetzung der Hirnhälften und die Ausschüttung von Glückshormonen. Kurz gesagt: Musik macht schlau und glücklich. Weniger glücklich ist der Starnberger Stadtrat dagegen schon länger mit der Kostenentwicklung an der städtischen Musikschule. Lieb, vor allem aber teuer ist den Starnbergern die seit fünf Jahrzehnten bestehende Institution geworden – ein Zuschussgeschäft, das Jahr für Jahr knapp eine Million Euro verschlingt. Im September 2023 wurde die seit 22 Jahren unveränderte Gebührensatzung daher angepasst. Die Tarife – wen wundert’s – wurden teurer, Vergünstigungen reduziert. Doch das reicht nicht.
Die Geschäftsleitung im Rathaus, Stadtkämmerei und Musikschulleitung haben die Satzung ausführlich geprüft und kamen zum Ergebnis, dass weitere „geringfügige Änderungen vorgenommen werden sollten“. Offizielle Begründung für die akribische Zahlenhuberei: Man wolle „neuen Umständen Rechnung tragen“ und „unerwünschte Effekte vermeiden“. Im Klartext: Einerseits muss weiter an der Gebührenschraube gedreht werden, um das Defizit zu verringern. Andererseits bangt man um die Kundschaft, die angesichts der Preissteigerungen womöglich ausbleibt oder aussteigt. Dabei ist die Starnberger Musikschule laut Schulleiter Samuel Hartung bayernweit ohnehin schon eine der teuersten.
Musikschulen gibt es wie Sand am Meer, die Bezeichnung ist juristisch nicht geschützt. Im Landkreis Starnberg buhlen gleich mehrere Institutionen um Interessierte, in Gauting, Gilching, Herrsching, Tutzing und Bernried ebenso wie in Dießen oder Gräfelfing. Wer Gitarre, Klavier oder Blockflöte lernen oder seine Gesangskünste verbessern will, findet hier professionelle Anleitung. Im Angebot sind Gruppen- und Einzelkurse, musikalische Früherziehung ebenso wie Kern- und Aufbaufächer sowie allerlei spezielle Kurse für Blas-, Saiten-, Trommel- oder Tasteninstrumente, Klassik ebenso wie Jazz, Rock und Pop. Zum guten Ton gehören auch Chöre, Ensembles, Orchester oder Big Bands, die ihre Fans immer wieder gern bei diversen Gelegenheiten mit ihren Auftritten beglücken.
Entscheidender Unterschied der Starnberger Musikschule zu vielen anderen: Träger ist kein eingetragener Verein, sondern die Stadt selbst. Insbesondere dieser Umstand hat entscheidenden Einfluss auf die interne Struktur – und die Kosten. Tausende Schülerinnen und Schüler nahmen das Angebot seither wahr, das jedoch von Anbeginn einen Schönheitsfehler hatte: Das Geschäft war nie profitabel.
1973 wurde die Starnberger Musikschule auf Initiative von Bürgermeister Heribert Thallmair gegründet. Die Gemeinden Berg und Pöcking unterstützten das Vorhaben, ein attraktives Angebot für alle Kinder und Jugendlichen dieser Kommunen zu schaffen. Speziell die Starnberger Blaskapelle – ein Aushängeschild oberbayerischer Kultur – profitiert vom gut ausgebildeten Nachwuchs der Kaderschmiede. Aus bescheidenen Anfängen in der Schlossbergschule wurde im Lauf der Jahre aus der Musikschule ein allseits anerkanntes Unternehmen mit anerkannt hohem pädagogischem Wert. 1981 zog sie in die Alte Oberschule (jetzt: VHS) um, seit 1989 residiert sie im alten Krankenhaus an der Mühlbergstraße.
Bei aller Begeisterung über das Musizieren gibt es jedoch auch Kritik: Vielen gilt die Musikschule als teurer Luxus der Stadt für einige wenige. „Es wird immer ein Zuschussgeschäft bleiben“, weiß auch Starnbergs amtierender Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS). Neben den Vollzeitstellen in der Verwaltung sind rund 40 Lehrkräfte bei der Stadt angestellt, um Kindern wie Erwachsenen die wunderbare Welt der Musik näherzubringen. Allein das Personal kostet jährlich rund 1,36 Millionen Euro. Hinzu kommen unzählige weitere Posten für Instrumente, Noten, Nebenkosten. Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen, die aber bei Weitem nicht ausreichen: Der Deckungsgrad beträgt keine 50 Prozent.
Freilich ist die Musikschule mit diesem Problem nicht allein. Auch Schwimmbad, Heimatmuseum und Bibliothek – allesamt städtische Unternehmen – sind erhebliche Kostenfaktoren. Auf insgesamt rund fünf Millionen Euro beziffert Janik das Defizit für die Kreisstadt, die angesichts vieler anderer Vorhaben doch eigentlich sparen sollte. Die vor wenigen Wochen beendeten Haushaltsberatungen für 2024 arteten einerseits in eine Streichorgie aus – vornehmlich traf es Kunst und Kultur – andererseits wurden viele seit Jahren unveränderte Gebührensätze angepasst. Oder konkret: erhöht.
Pünktlich zum Jubiläum der Musikschule im September 2023 beschloss der Stadtrat neue Tarife. Die Rückmeldungen darauf waren eher negativ. Pauschal wurde zwar die Höhe der Gebühren als zu hoch und die gewährten Ermäßigungen als zu niedrig empfunden. Dennoch gingen bei der Leitung zum Schuljahresbeginn lediglich vier Abmeldungen ein, vier weitere Interessierte ließen sich von der Warteliste streichen. Auch wenn Schulleiter Hartung noch eine gewisse Dunkelziffer vermutet, kommt die Stadtverwaltung zum Schluss: „Insgesamt wurde die neue Satzung mit ihren Gebührensätzen in der Breite angenommen“, hieß es in der Sitzungsvorlage für den Stadtrat, der sich am Montag erneut mit dem Thema befasste.
Musikschulleiter Hartung hatte nachgerechnet und präsentierte dem Gremium gleich vier verschiedene Modellrechnungen, die sich aber nicht alle als geeignet erwiesen. Das komplexe Werk mit Zahlenkolonnen, Abschlägen in unterschiedlicher Höhe und fiktiven Hochrechnungen indes durchschauten wohl nur die wenigsten Mandatsträger. Die wichtigsten Änderungen: Erwachsene zahlen künftig mehr, einige Vergünstigungen werden reduziert und Auswärtige zahlen voll.
Statt 48,7 Prozent Ermäßigung im Gruppenunterricht (Einzelunterricht: 34,2 Prozent) etwa gibt es jetzt pauschal nur noch 15 Prozent. Gleiches gilt im Elementarbereich für die U18-Grundstufe. Die Vergünstigung für Mehrfachbeleger – also Menschen, die beispielsweise Saxofon, E-Bass und Hackbrett parallel lernen wollen – beträgt nur noch zehn Prozent. Junge Menschen und Behinderte (Grad der Behinderung ab 50) zahlen für bestimmte Kurse die Hälfte. Unverändert blieben die Tarife für Benutzer mit Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie die Ermäßigungen für Geschwister.
Betroffen sind auch die Gemeinden Pöcking und Berg: Starnberg hat die bisherigen Vereinbarungen gekündigt, weil man keine Ortsfremden subventionieren will. Die Pöckinger steigen nun ganz aus. Sie hätten statt bislang 30 000 Euro rund 80 000 Euro zahlen sollen: „Da können wir nicht mitgehen“, sagte Kämmerin Anja Liebenthal. Stattdessen denkt man nun über eine „einkommensbezogene Bezuschussung“ in besonderen Fällen nur für junge Menschen aus Pöcking nach. Maximal 50 Prozent – gedeckelt auf 700 Euro – sind im Gespräch. In Berg ist man noch nicht ganz so weit, Bürgermeister Rupert Steigenberger hat das Thema für die Sitzung Mitte Juli auf die Tagesordnung gesetzt. Grundsätzlich will Steigenberger zwar weiterhin Sport und Kultur fördern, aber „wir suchen noch nach einer Lösung“, sagte er.
Ob sich die ganze Rechnerei gelohnt hat und das Defizit entscheidend kleiner wird, bleibt abzuwarten. Im September startet das neue Musikschuljahr, die Anmeldungen laufen bereits. Musikschulleiter Hartung bleibt noch ein Monat bis zum Start der Sommerferien, um die neue Gebührenordnung zu verkünden. Und dann ist da noch ein weiteres grundsätzliches Problem: Die Musikschule sucht eine neue Heimat. Das 125 Jahre alte Gebäude an der Mühlstraße ist sanierungsbedürftig, ein Umbau dürfte Millionen kosten. Aber das ist ein anderes Thema.