Während sich ins Foyer des Museums Starnberger See immer noch mehr Besucher drängen, und während dort nach den Eröffnungsreden eine künstlerisch zubereitete Fischsuppe gereicht wird, kommen aus dem Untergeschoss dumpfe, blubbernde, glucksende und ächzende Geräusche. Große Wassermassen, so scheint es, schwappen vom nahen See herein. Der Pegel steigt langsam, aber sicher an. Kurz bevor das Wasser das Erdgeschoss erreicht, wird endlich das Absperrband geöffnet und die Besucher dürfen abtauchen: „Unter Wasser. Geschichten aus der Tiefe des Starnberger Sees“ heißt die Ausstellung, die im Museum am Sonntagnachmittag eröffnet wurde.
Nach den Besucherrekorden der Oskar-Maria-Graf-Ausstellung im vergangenen Jahr waren zwar die Erwartungen an die neue Sonderausstellung denkbar hoch, gleichzeitig ist die finanzielle und personelle Ausstattung des städtischen Museums denkbar klein. Unter diesen schwierigen Voraussetzungen haben nun Daniel Kofler, einziger verbliebener wissenschaftlicher Mitarbeiter, und Benjamin Tillig, Leiter des Museums, einen Unterwasserspaziergang konzipiert, der bis in die Jungsteinzeit zurückführt und bei zwei jungen zeitgenössischen Künstlern endet, die sich mit der Gegenwart des Sees auseinandersetzen.
Bei ihren Tauchgängen in den bis zu 128 Meter tiefen Starnberger See fanden die Kuratoren nicht nur heimische und vom Aussterben bedrohte Fische, weit gereiste Muscheln und Parasiten. Sie stießen auch auf die als Unesco-Weltkulturerbe geschützten prähistorischen Siedlungsreste vor der Roseninsel, auf versunkene Boote, auf einen in den Tiefen des Sees verschwundenen Fischer und nicht zuletzt auf Sagen und Mythen zum geheimnisvollen Leben unter Wasser.
Wie bei allen aktuellen Projekten wurden auch hier die Kosten weitgehend von dem in höchstem Maß engagierten Freundeskreis des Museums getragen. Dank der Kooperationen mit verschiedenen Institutionen aus der Region ist eine ebenso spannende wie wissenschaftlich fundierte Ausstellung gelungen, die mit Sicherheit die Sommerattraktion des Fünfseenlands sein wird.
So zeigen etwa eindrucksvolle Unterwasseraufnahmen die frühkeltische Seeufersiedlung an der Nordostspitze der Roseninsel, deren unter Wasser erhaltene Reste seit 2002 erforscht werden. Die verkippten Palisaden und gitterförmig angeordneten Schwellrahmenkonstruktionen, die senkrechte Wandpfosten aufnehmen konnten, bildeten auf einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer die Fundamente von Häusern, die – bei einem im Vergleich zu heute deutlich niedrigeren Wasserstand – im Uferbereich standen. Die Bilder wurden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Verfügung gestellt, das aktuell die auf dem Seeboden sichtbaren Hölzer im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts dokumentiert.



Während in der Dauerausstellung des Museums, die dem Leben auf dem Wasser und um den See gewidmet ist, die detailreichen Modelle der historischen Dampfer präsentiert werden, kann man nun in der Sonderausstellung auch die drei berühmtesten Schiffswracks auf dem Seegrund sehen: Dazu gehören ein mehr als 400 Jahre alter Einbaum, der in etwa 40 Meter Tiefe vor Bernried liegt, sowie zwei Lastkähne der Familie Böck vom Fischermichelhof in Ammerland.
Sowohl die „Josephine“, die bei einem Sturm im Jahr 1897 sank und heute in etwa 80 Metern Tiefe an der Allmannshauser Steilwand liegt, als auch das „Schindelwrack“, das in 38 Metern Tiefe vor dem Schlosshotel Berg liegt, sind bei Tauchern seit Langem berühmt. Die für die Fischerboote am See typische Bugschnecke des Schindelwracks befindet sich seit Jahren im Museum. Dank einer Kooperation mit der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie kann sie nun gemeinsam mit den bemalten Modellen aus dem 3D-Drucker und mit Unterwasseraufnahmen von den versunkenen Booten gezeigt werden.
Eine Dokumentation über im See lebende Fische entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Die Ausstellung spannt nicht nur einen Bogen von der Heimatgeschichte zur Naturwissenschaft, es waren auch zwei Künstler an Bord des Unterwasserbootes: Eduardo Palomares, der in Madrid und München studierte und sich in seiner künstlerischen Arbeit mit Wasser beschäftigt, zeigt eine eigenwillige Versuchsanordnung im Zentrum des Ausstellungsraums. Und Anna Pasco Bolta, 1990 in Barcelona geboren, verbindet in ihrer Arbeit verschiedene Disziplinen der naturwissenschaftlich-technischen Bereiche mit Kunst. Ihre mit Seewasser gekochte Fischsuppe servierte sie in selbst getöpferten Schalen als Performance. Die geheimnisvollen Unterwassergeräusche kamen aus einer Klanginstallation von Andreas Ammer und Acid Pauli.
Die Ausstellung „Unter Wasser“ ist bis 24. August im Museum Starnberger See zu sehen, die Öffnungszeiten sind von Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.