"Warum Weiblichkeit?" im Museum Starnberger See:Die Macht des heterosexuellen Blickes

"Warum Weiblichkeit?" im Museum Starnberger See: Feel free, entspannte Zeit oder "Goodbye Stress": Bei der Installation zur Ausstellung "Konsumbibliothek" im Starnberger Museum setzt Stephanie Senge auf Waren, die ein schöneres Leben verheißen.

Feel free, entspannte Zeit oder "Goodbye Stress": Bei der Installation zur Ausstellung "Konsumbibliothek" im Starnberger Museum setzt Stephanie Senge auf Waren, die ein schöneres Leben verheißen.

(Foto: Georgine Treybal)

Stephanie Senge, die an der "Akademie der Bildenden Künste" in München studierte, untersucht anhand von Konsumprodukten seit vielen Jahren gesellschaftliche Phänomene

Von Katja Sebald, Starnberg

Am Ende war es doch vor allem eine Geburtstagsparty: Zwischen dem privaten Kuchenbüffet am Nachmittag und dem eigentlichen Fest am Abend hatte Künstlerin Stephanie Senge, die am Mittwoch ihren 50. Geburtstag im Museum Starnberger See feierte, zu einem öffentlichen Symposium eingeladen. Verhandelt werden sollte die Frage "Warum Weiblichkeit?". Als Veranstalter trat der Freundeskreis des Museums auf.

Weiblichkeit war für Künstlerin Stepahnie Senge etwas, was sie ebensowenig haben wollte wie Kinder

Stephanie Senge, die bei Olaf Metzel an der "Akademie der Bildenden Künste" in München studierte, untersucht seit vielen Jahren anhand von Konsumprodukten gesellschaftliche Phänomene. Dem Museum Starnberger See ist die Künstlerin, die in Berlin lebt, seit dem Lockdown-Winter 2020/21 verbunden: Als Museen, Theater, Konzertsäle und alle anderen Kulturstätten geschlossen waren, blieb der tägliche Gang in den Supermarkt als letzter gesellschaftlicher Treffpunkt und oft auch als einzige Abwechslung im drögen Home-Office-Leben. Museumsleiter Benjamin Tillig machte deshalb das Foyer des Museums zum Supermarkt und lud Senge ein, dort ihre "Konsumbibliothek" zu zeigen: Durch die Scheibe konnte man damals ein Regal voller Verheißungen aus der schönen bunten Warenwelt bestaunen. An dieses Projekt knüpfte Senge jetzt auch mit der Überschrift zu ihrer Begrüßungsrede an: "Die starke Konsumentin stellt sich in Frage, und jeder darf antworten!" Sie bekannte, dass Weiblichkeit etwas sei, was sie nie haben wollte. Auch habe sie schon im Alter von vier Jahren gewusst, dass es ihr nicht erstrebenswert erschien, Kinder zu bekommen. Deshalb sei sie froh, dass sie nun mit fünfzig eine "alte Frau" sei und ihr das Thema neue Spielmöglichkeiten biete - allerdings ließ sie offen, worin genau diese Möglichkeiten bestehen.

"Warum Weiblichkeit?" im Museum Starnberger See: Die wütende Konsumentin: Ein Kunstwerk der Veranstalterin Stephanie Senge von 2007.

Die wütende Konsumentin: Ein Kunstwerk der Veranstalterin Stephanie Senge von 2007.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Programm des Symposiums - eigentlich ein wissenschaftliches Format - sah 17 verschiedene, zumeist künstlerische Beiträge vor, von denen einige jedoch ausfallen mussten, weil die Vortragenden verhindert waren. Auch der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich hatte nur ein Video mit seinem Vortrag geschickt, in dem er - sozusagen als Geburtstagsgeschenk - Stephanie Senge in eine Reihe von Künstlerinnen stellte, die in ihrem Werk eine weibliche Umdeutung der männlich geprägten Moderne anstrebten.

Die Heidelberger Ethnologiestudentin Gesine Müller hatte ihren Vortrag mit "male gaze - die Macht des heterosexuellen Blickes" überschrieben. Sie plädierte dafür, dem männlichen Blick, der die Frau zum Objekt macht, einen "geistigen Blick" entgegenzusetzen. Am Ende aber gratulierte sie mit dem Filmchen, in dem Marilyn Monroe im hautfarbenen Glitzerkleid als Personifikation der sexualisierten Weiblichkeit "Happy Birthday, Mr. President" haucht.

"Warum Weiblichkeit?" im Museum Starnberger See: Darauf einen Kümmelschnaps: Beim "Symposium - Warum Weiblichkeit ?" im Museum Starnberger See ahmten Hannah Klein Li.) und Norina Quinte ein typisches Männerritual mit Veranstalterin Stephanie Senge nach, die ihren 50. Geburtstag feierte.

Darauf einen Kümmelschnaps: Beim "Symposium - Warum Weiblichkeit ?" im Museum Starnberger See ahmten Hannah Klein Li.) und Norina Quinte ein typisches Männerritual mit Veranstalterin Stephanie Senge nach, die ihren 50. Geburtstag feierte.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Norina Quinte und Hannah Klein, Gründerinnen der Kunstplattform "ato", näherten sich dem Thema Weiblichkeit in einer Art Performance. Sie erklärten, dass Frauen mit tiefer Stimme sprechen müssen, wenn sie von Männern gehört werden wollen. Mit aufgeklebtem Bart, Herrenhut und schließlich mit einer Runde Kümmelschnaps auf das Wohl des Geburtstagskinds zitierten sie typische Männlichkeitsrituale.

Bazon Brock, Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, stellt fest: Jeder Macho ist ein Idiot

Bazon Brock, Jahrgang 1936 und emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, versprach, sich wie alle anderen an die vorgegebenen 15 Minuten für seinen Redebeitrag zu halten ("Alles andere wäre peinlich!"), um dann aber einen deutlich längeren, ebenso geistvollen wie weitschweifigen Vortrag zu halten, in dem er dem - hinter seinem Rücken in großen Buchstaben an die Wand projizierten - Thema "Weiblichkeit" nicht näher als bis zu der Feststellung kam, dass jeder Macho ein Idiot sei.

"Warum Weiblichkeit?" im Museum Starnberger See: Gedanken zum Thema "Weiblichkeit" aus Ton: Teilnehmerinnen des Symposiums bei ihrer kreativen Arbeit.

Gedanken zum Thema "Weiblichkeit" aus Ton: Teilnehmerinnen des Symposiums bei ihrer kreativen Arbeit.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für Poesie sorgte in diesem Symposium der Weiblichkeit vor allem der aus bezaubernden Wort- und Bildschnipseln bestehende Film "Aufrüsten" des Innsbrucker Künstlers Günter Lierschof, der Weiblichkeit liebevoll-sehnsüchtig aus der Sicht eines Mannes beschreibt. Der Beuys-Schüler gab freilich selbst zu bedenken, dass eine derart "unmoralische" Erzählung nicht in unsere "moralischen Zeiten" passe. Und für Poesie sorgte nicht zuletzt auch das Geschenk, das Freundeskreis und Museum der Künstlerin machten: Der Starnberger Bildhauer Max Wagner hatte den Ton geliefert, aus dem die Besucher während des Symposiums ihre Gedanken zum Thema mit den Händen formen durften.

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