Die Zeiten sind härter geworden, längst sitzt das Geld nicht mehr so locker wie in den goldenen Jahren. Das gilt insbesondere für Städte und Gemeinden – Starnberg macht da keine Ausnahme. Jahrelang wurde dort Geld in Millionenhöhe in öffentliche Einrichtungen gepumpt. Schwimmbad, Bücherei, Musikschule, VHS und Heimatmuseum sind teure Aushängeschilder bürgerlichen Gemeinsinns. Doch mittlerweile ist allen Mitgliedern des Stadtrats klar: So kann es nicht weitergehen, es muss gespart werden.
Bald schon machte das Gerücht über eine Schließung der defizitären städtischen Einrichtungen die Runde – was nicht ohne Folgen blieb: In der Bürgerschaft regte sich massiver Widerstand. Der Stadtrat befasste sich nun am Montag mit dem Thema „Museum Starnberger See“ – mit überraschendem Ergebnis. Rund 40 interessierte Zuhörer, überwiegend Mitglieder des Museum-Freundeskreises, hatten sich in der Schlossberghalle eingefunden, um mehr über das Schicksal ihres Heimatmuseums – Stichwort: Konsolidierung – zu erfahren.
Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) hatte die beiden Vorsitzenden des Freundeskreises, Annette von Czettritz und Martina Neubauer, zum Vortrag eingeladen. Ergänzende Referate hielten Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (GWT) und Amtsleiterin Sarah Döringer. Fazit der jeweiligen Beiträge: Es sieht im Grundsatz gar nicht so schlecht aus, man müsste nur etwas mehr tun. Czettritz, ebenso wie Neubauer einst Grünen-Stadträtin, würdigte zunächst die Verdienste des 163 Mitglieder starken und seit zehn Jahren existierenden Freundeskreises und hielt dann ein flammendes Plädoyer für den Erhalt des Museums.
Die Besucherzahlen seien 2024 dank einer bemerkenswert gut laufenden Ausstellung über den Schriftsteller Oskar Maria Graf bislang so hoch wie nie, zum Jahresende rechne man mit bis zu 12 000 Gästen. Und eine Petition zum Erhalt des Museums, die noch bis Mitte August läuft, fand bislang schon mehr als 1770 Unterstützer. Um das aktuelle Defizit zu verringern, schlug Czettritz akut verschiedene Maßnahmen vor: Die Installation einer Fotovoltaikanlage, um die jährlichen Stromkosten in Höhe von 70 000 Euro abzumildern, den Verzicht auf einen Bodenanstrich, höhere Eintrittspreise und verlängerte Öffnungszeiten. „Ein Museum, das nicht offen hat, verliert an Bedeutung“, konstatierte sie. Czettritz warb für eine „klare Entscheidung pro Museum“, erleichterte Möglichkeiten für Werbeaktionen und einen Ausbau der Gastronomie. Vor allem aber „wünschen wir uns das Gefühl, gewollt zu sein“.
Neubauer ergänzte, dass das Museum als kulturelle Einrichtung zur Wertschöpfung in der Stadt beitrage und hofft auf eine „gute Begleitung“ durch einen Lenkungskreis. GWT-Chef Winkelkötter unterbreitete der Stadt das Angebot, die Öffentlichkeitsarbeit stark zu unterstützen – aus seiner Sicht eine Win-win-Situation. „Das Museum ist unverzichtbar“, stellte er fest, zumal insbesondere an Kaiserin Sisi und König Ludwig II. enormes Interesse bestehe. „Das könnten wir besser nach außen verkaufen“, sagte er. Und mit Blick auf Tourismus und Betriebsausflüge ergänzte er: „Wir würden gern wesentlich mehr machen, wir unterstützen Sie sehr gern.“ Allerdings wünschte er sich auch einen Busparkplatz direkt vor dem Haus.
Sarah Döringer, zuständig bei der Stadt für Standortförderung und Öffentlichkeitsarbeit, verwies auf weitere Einnahmemöglichkeiten – etwa durch angepasste Eintrittspreise. Zunehmend beliebter bei heiratswilligen Paaren sei auch die Möglichkeit, sich im „Lochmann-Haus“, dem ältesten Gebäude der Stadt aus dem 16. Jahrhundert, trauen zu lassen. Der Trauungsakt kostet 390 Euro plus Nebenkosten. Bisheriger Rekord an einem Hochzeitstag seien sieben Paare gewesen. Zudem habe man bereits „alle Ausgaben auf ein Minimum reduziert“. Auch das Personal wurde drastisch reduziert. Abgesehen von den Betriebskosten müssten auch die zahlreichen Exponate im Besitz der Stadt – darunter die königliche „Delphin“-Barke oder „Die Heilige“ von Ignaz Günther – gepflegt werden.
Museumsleiter Benjamin Tillig mag es gern gehört haben. Er rechnet für 2024 mit einem Kostendeckungsgrad von acht Prozent, die Marke aus dem Vorjahr (3,3 Prozent) ist schon jetzt übertroffen – in Summe rund 60 000 Euro: „Wir haben bereits jetzt doppelt so viel eingenommen wie berechnet.“ Wichtig seien vor allem Sonderausstellungen: „Oskar Maria Graf – Dichter und Antifaschist vom Starnberger See“ (noch bis 8. September) etwa kostete 6500 Euro, bescherte dem Museum aber bereits Einnahmen in Höhe von 15 000 Euro. Große Hoffnungen setzt Tillig daher auf eine Ludwig-II.-Ausstellung im Untergeschoss, die dem Museum im Idealfall dauerhaft erhalten bleibt. Doch auch das ist eine Geldfrage und eine Frage der Besucherzahlen und der Förderung. Klar ist: Das Museum muss attraktiver werden und darf nicht für die Ewigkeit nur ein einziger lästiger Pflichttermin, etwa in der Schulzeit, bleiben.
Was kann man machen, was muss man machen? Erhöhte Besucherzahlen bei erhöhten Eintrittspreisen mögen das Defizit zwar ein wenig lindern, als viel besuchter Ort der kulturellen Begegnung aber scheint noch weiterer Spielraum nach oben zu sein im Museum. Auch Bürgermeister Janik weiß: „Das Museum wird immer ein Zuschussgeschäft bleiben.“ Erklärtes Ziel der Stadtverwaltung: Das Defizit soll in überschaubarem Rahmen bleiben.
Dabei hat das Wort „Konsolidierung“ durchaus das Potenzial, in Starnberg zum Unwort des Jahres zu werden. Nach einer bislang beispiellosen Streichorgie bei den Haushaltsberatungen für 2024 – verbunden mit einer Erhöhung allerlei Gebühren und Steuern – geht es in Starnberg weiter ans Eingemachte. Mit spitzem Bleistift wurden bereits die Zahlen des Seeparks und der Musikschule auf den Prüfstand gestellt, beim Heimatmuseum geht es um jährlich rund 700 000 Euro. Als „Würmgaumuseum“ wurde die Kulturstätte bereits 1914 eröffnet und ist seit 1985 wieder fester Bestandteil der Heimatkunde. 2007 wurde der Erweiterungsbau mit seiner tristen Fassade an der Possenhofener Straße eingeweiht.
Starnberg ist bei Weitem nicht allein mit seinem teuren Nachlass aus vergangenen Zeiten. Bundesweit kämpfen Museen ums Überleben, in München, Berlin oder Dortmund ebenso wie in Worms oder Hildesheim. Allesamt sind sie von Zuschüssen der öffentlichen Hand oder privater Investoren abhängig, kaum ein Museum ist in der Lage, kostenneutral zu existieren.
Der Stadtrat wird also abwägen müssen, was ihm der Erhalt der alten Schätze künftig wert ist. In ungefähr einem Jahr will man im Gremium erneut über das Museum sprechen. Eine neue Ausrichtung und ein zeitgemäßer, attraktiver Auftritt bei angemessenen Preisen für einen erweiterten Publikumskreis können da gewiss nicht schaden. Auch der „Freundeskreis Museum Starnberger See“ will seinen Beitrag dazu leisten und „solvente Bürger“ dazu ermuntern, ihr Scherflein zum Erhalt der Institution beizutragen. Gelegenheit zum näheren Kennenlernen besteht – nach Voranmeldung per E-Mail – am Freitag, 12. Juli, von 18 Uhr an beim Sommerfest des Vereins. Dann feiern die Freundinnen und Freunde den 110. Geburtstag des Museums.