Das Museum Starnberger See hat unter den Sparmaßnahmen der Stadt Starnberg besonders zu leiden und realisiert trotz der stark eingeschränkten Öffnungszeiten und trotz eines denkbar knappen Budgets unter dem Titel „Oskar Maria Graf – Dichter und Antifaschist vom Starnberger See“ die am besten besuchte Ausstellung aller Zeiten. Fast 6000 Besucher waren seit Mitte Januar im Museum, das sind annähernd doppelt so viele wie in früheren Jahren. Am vergangenen Donnerstag hatte der Freundeskreis des Museums, der die Sonderausstellung mit verschiedenen Veranstaltungen begleitet, den Bildhauer Max Wagner zu einem Künstlergespräch eingeladen.
Wagner ist der Schöpfer des Denkmals für Graf, das die Gemeinde Berg 1994 vor der Grundschule in Aufkirchen aufstellen ließ. Die Schule war damals in einen Neubau umgezogen und wurde in Oskar-Maria-Graf-Schule umbenannt. In seinem Heimatdorf war der Schriftsteller, 1894 als neuntes von elf Kindern des Bäckermeisters Max Graf in Berg geboren, noch Jahrzehnte über seinen Tod hinaus als Nestbeschmutzer und, schlimmer noch, als Kommunist verschrien. Erst zu seinem 100. Geburtstag würdigte die Ostufergemeinde, angeregt und unterstützt von der neu gegründeten Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft, damit erstmals ihren berühmtesten Sohn.
Wagner hatte nach der Enthüllung des Denkmals das lebensgroße Gips-Original der Familie des Schriftstellers überlassen. Grafs Urenkelin Carolina Glas hat es nun dem Museum Starnberger See geschenkt und damit den Anlass für eine Ausstellung gegeben.
Museumsleiter Benjamin Tillig befragte den Bildhauer nun zur Entstehungsgeschichte des Denkmals. Wagner, 1956 in Straubing geboren und auf dem elterlichen Bauernhof in Osterhofen aufgewachsen, absolvierte an der Münchner Akademie eine klassische Bildhauer-Ausbildung und arbeitete nach dem Diplom noch vier Jahre lang als Assistent seines Professors Erich Koch an der Akademie. Mitte der Achtzigerjahre zog er mit seiner Familie nach Starnberg und wurde freischaffender Künstler, was zunächst bedeutete, dass er sich vormittags um die Kinder kümmerte, während seine Frau als Lehrerin arbeitete.
Im November 1993 waren Vertreter der Gemeinde und der Graf-Gesellschaft zu einem Atelierbesuch gekommen, anschließend wurde er aufgefordert, ein Angebot abzugeben. Er konnte sich gegen die beiden Mitbewerber Hubertus von Pilgrim und Joseph Michael Neustifter durchsetzen. „Vielleicht war ich ja einfach der günstigste“, sagt er rückblickend mit einem Schmunzeln. Er sei damals 38 Jahre alt gewesen und hatte seinen ersten „sauberen Auftrag“ an Land gezogen.
Er habe seinen ganzen Ehrgeiz daran gesetzt, mit seiner Arbeit bis zu Grafs 100. Geburtstag am 22. Juli 1994 fertig zu sein. Den ambitionierten Zeitplan konnte er nicht zuletzt deshalb einhalten, weil man ihm weitgehend freie Hand gelassen hatte. Man solle den Dichter erkennen können, das sei die einzige Vorgabe gewesen. Er habe zunächst versucht, sich Grafs Persönlichkeit zu nähern. Anhand von altem Filmmaterial habe er seine Physiognomie und Statur studiert. Sehr hilfreich seien auch die Werkstattbesuche von Grafs Tochter Annemarie Koch gewesen, die ihrem Vater sehr ähnlich sah. Am Ende habe sie gesagt: „Ja, des is er.“ Und damit sei auch sein Ziel erreicht gewesen.
Vorbild war ein berühmtes Foto
Vorbild für das Bildnis war vor allem das berühmte Foto, das Stefan Moses 1964 von Oskar Maria Graf machte: Es zeigt ihn vor dem alten Schulhaus in Aufkirchen auf einer Bank. Auch das Bronzedenkmal, das schließlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufgestellt wurde, stellt Graf lebensecht und lebensgroß dar: In Lederhose, mit Trachtenjanker und Hut, als ewiger Exilant auf dem gepackten Koffer sitzend, die Hände auf den Knien aufgestützt, der Blick Richtung Amerika. Der Koffer sei ihm ein wichtiges Symbol für Grafs Zerrissenheit zwischen Heimat und Ferne gewesen, sagt Wagner rückblickend. „Ich bin total zufrieden, nach wie vor“, betont er 30 Jahre nach Fertigstellung des Denkmals. „Heute würde ich es vielleicht anders machen, aber man entwickelt sich eben.“
Auf den ersten großen Porträtauftrag folgten für den Bildhauer noch zahlreiche weitere, unter anderem schuf er das Denkmal für Sigi Sommer in der Münchner Fußgängerzone und die Büsten von Bert Brecht und Carl Orff für die Ruhmeshalle. Auch im Starnberger Kulturleben ist Wagner seit Langem eine feste Größe, 2004 wurde er mit dem Kulturpreis des Landkreises ausgezeichnet. Das Museum Starnberger See sei ein wichtiger Ort der Begegnung und unter der Leitung von Tillig sehr lebendig geworden, sagte er. Wagner freue sich, dass die Gipsfigur dort einen guten Platz gefunden habe.
Die von Benjamin Tillig, Angela Müller und Daniel Kofler kuratierte Sonderausstellung, die Grafs Leben in fünf verschiedenen Station zeigt, ist bis zum 8. September verlängert worden.