Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Care-Arbeit und Kunst

Mit eigens mitgebrachten Gegenständen verbindet die Kocheler Künstlerin Anna Schölß im Museum Starnberger See die Themen Mutterschaft, Haushalt und Schaffensdruck.

Von Luzi Power-Feitz

Im obersten Fach liegen zwei fein säuberlich gebügelte Stapel Geschirrtücher, manche kariert, manche bunt, andere mit Paprika bedruckt. Darunter sind Handtücher und ein Wäschekorb deponiert, darin liegt ein Tablet, auf dem ein Film läuft. Aus dem untersten Fach hängt ein Wäschebeutel, "Caretex", steht darauf.

Ein Schrank im Zentrum einer Ausstellung? Das hört sich zuerst ungewöhnlich an. Aber genau mit diesem Objekt hat das Museum Starnberger See die Exposition "The Kaos Series" von Anna Schölß eröffnet. Die Kocheler Künstlerin hat das älteste Möbelstück im Museum zu einem fiktiven Kleiderschrank umfunktioniert. "Schaukasten 4", steht nun über dem Vitrinenschrank aus dem Jahr 1913, den sie hier im Keller entdeckt und nun zum Symbol für ein politisches Thema erklärt haben - mit privaten Gegenständen aus dem Haushalt der Künstlerin.

Die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ist ein hochpolitisches Thema

Mit ihrer Arbeit will Anna Schölß aufmerksam machen auf das Thema "Care Work". Arbeit also, die alle Aufgaben umfasst, die unmittelbar mit dem Kümmern und Pflegen verbunden sind und in den Diensten anderer stehen. Meist von Frauen ausgeübt, spielt sich die Arbeit überwiegend hinter den Kulissen ab. "Lonely doing", nennt Anna Schößl es auch, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie "einsames Tun". Wer macht wieviel im Haushalt? Wer hütet die Kinder? Wer bringt Geld nach Hause, wem bleibt am Ende eine Rentenlücke? Das Thema ist ein politischer Dauerbrenner, der gerade in der Coronazeit viele Familien vor eine Zerreißprobe gestellt hat.

Die Inspiration für ihre Arbeit zieht Anna Schölß aus ihrem Alltag. Mit der Geburt ihrer ersten Tochter war die Künstlerin trotz Elternzeit konfrontiert mit künstlerischem "Produktionszwang", wie sie es nennt. Seit 2018 setzt sich die gebürtige Ingolstädterin als Mitbegründerin des Bündnis "Kunst und Kind" für bessere Arbeitsbedingungen von Künstlern und Künstlerinnen mit Kind ein.

Angestoßen durch ihre Ausstellungsreihe "Transformationen" im ehemaligen Kloster Schlehdorf stellt "The Kaos Series" die kontrovers diskutierte Frage nach dem Stellenwert und der Sichtbarkeit von Care Work im Privatem sowie im künstlerischen Kontext. "Kunstraum und Lebensraum sind unmittelbar miteinander verwoben", sagt die Kuratorin Elisabeth Carr.

In einem Video rattert und gluckt es: der Sound des Haushalts

Die Ausstellung ist Teil einer Wechselausstellung mit dem Titel "Gegenwartskunst im Heimatmuseum". Seit Mai 2022 laden die vier Kuratorinnen Elisabeth Carr, Annette Kienzle, Ulrike Prusseit und Katja Sebald Künstler und Künstlerinnen aus der erweiterten Region ein, im "Schaukasten 4" auszustellen. Jeden ersten Donnerstag im Monat wechseln die Künstler und Künstlerinnen mit einer kleinen Vernissage. Im Februar 2023 sind Kunstwerke der bildenden Künstlerin und Kuratorin Anna Schölß zu sehen.

Zusätzlich zum Schaukasten verteilen die ausstellenden Künstler und Künstlerinnen weitere Kunstwerke in den Museumsräumen. Neben Siebdruck-Collagen von Kleiderschränken erwartet die Besucher und Besucherinnen in der alten Küche im Keller des Museums ein weiterer Hingucker. In einer Videovorstellung "schwimmt" eine Tänzerin begleitet von Waschmaschinen- und Tauchgeräuschen durch einen Haufen Wäsche. Die Performance verbindet das Thema Sorgearbeit mit dem benachbarten Starnberger See. Interessierte sollten jedoch gewarnt sein: Der Keller ist unbeheizt, deshalb ist es ratsam, sich warm anzuziehen.

Die Wechselausstellung läuft noch bis Juni 2023. Das Museum ist mittwochs bis freitags von 14 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintrittkostet drei Euro, zwei Euro ermäßigt, für Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt frei.

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