Süddeutsche Zeitung

Verwaltungsgericht München:Flügel unter Artenschutz

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Eine Familie aus dem Raum Starnberg will das Instrument verkaufen. Doch das Landratsamt schreitet ein - weil die Klaviatur aus Elfenbein besteht.

Ein edler Flügel, bestens gepflegt, aber die Klaviatur macht Probleme: Das Landratsamt will sie einziehen. Denn die Tasten sind aus Elfenbein - und das unterliegt dem Artenschutz. Der Streit ist nun vor dem Verwaltungsgericht gelandet.

Es ist ein teures Instrument - der "Lebenstraum" seines Vaters, sagt Josef Zeitler. Jahrzehntelang stand der Flügel im Wohnzimmer der Familie im Raum Starnberg. Niemand machte sich Gedanken um die Tasten. Auch nicht, als Zeitler gut 20 Jahre nach dem Tod des Vaters beschloss, das edle Instrument zu verkaufen. "Ich habe ihn jedes Jahr stimmen lassen, damit er nicht kaputt geht", sagt Zeitler. Aber: "Bei uns spielt keiner den Flügel."

Ein Klavierbaumeister nahm sich der Sache an und fand einen Käufer in der Schweiz. Damit begann der Ärger, der den Pferdezüchter nun seit zwei Jahren begleitet. Denn die Tasten des Flügels aus dem Jahr 1983 sind aus Elfenbein. Die Ausfuhr ist ohne eine EG-Vermarktungsbescheinigung verboten. Der Klavierbauer beantragte die Bescheinigung. Doch das Landratsamt erteilte sie nicht. Weil schon die Suche nach einem Käufer als Vermarktung gilt, wurde die Klaviatur praktisch über Nacht illegal. Das Landratsamt will deshalb nun die Beschläge abtragen und einziehen.

Darf die Behörde das überhaupt? Mit dieser Frage muss sich das Münchner Verwaltungsgericht noch länger beschäftigen. Bei der Verhandlung am Donnerstag standen die Richter vor vielen offenen Rechtsfragen. Auch das Blättern in den deutschen Artenschutzgesetzen und europäischen Verordnungen brachte das Gericht nicht weiter. Das Landratsamt weiß nämlich nicht, woher das Elfenbein der Beschläge genau stammte. Je nach der Herkunftsregion in Afrika gilt ein unterschiedlicher Schutzstatus. Bis Ende Mai hat das Landratsamt Zeit, sich mit dem Bundesamt für Artenschutz abzusprechen, wie stark die Beschläge aus Elfenbein geschützt seien. Davon hänge ab, so das Gericht, ob die Behörde überhaupt die Tastaturbeschläge von dem Flügel entfernen dürfe.

In diesem Fall nähme die Tastatur und auch das ganze Instrument keinen Schaden. Das erklärte zumindest der Vertreter des Starnberger Amtes. Zeitler und sein Anwalt waren ganz anderer Meinung: Der Flügel sei ein Gesamtkunstwerk - eigentlich gedacht für eine Karriere seines Sohnes als Pianist. Der sei jetzt aber Fußballer. Den Vorschlag des Landratsamtes, das Elfenbein durch Kunststoff zu ersetzen, lehnte er ab. Sein Anwalt erklärte, dass Elfenbein im Gegensatz zu Kunststoff den Schweiß an den Finger besser absorbiere.

Im Grunde, sagt Zeitler, gehe es nur um einen Verfahrensfehler. Man hätte zuerst die Papiere haben und dann einen Käufer suchen müssen. Zum Verkauf in die Schweiz bräuchte es neben der EG-Bescheinigung auch eine Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz. Die dafür nötigen Originaldokumente über den Erwerb waren nach Zeitlers Darstellung bei einem Hochwasser im Keller zerstört worden. Dennoch sei der Weg des Flügels von der renommierten Wiener Klavierfabrik Bösendorfer über das Münchner Fachgeschäft Klavier Hirsch bis nach Starnberg nachvollziehbar. Er legte inzwischen Ersatzdokumente für Erwerb und Herkunft vor. Das Landratsamt akzeptierte die Dokumente allerdings bisher nicht.

Plötzlich habe die Polizei vor der Tür des überraschten Instrumentenbauers gestanden, bei dem der Flügel inzwischen stand - "mit zwei Beamten und einer Spedition". Beschlagnahmung. "Sie haben uns behandelt wie Schwerverbrecher", sagt Zeitler. Der Klavierbauer bekam Zeitlers Anwalt zufolge eine Geldauflage. Zeitler klagte auf Herausgabe des Flügels - erfolgreich. Nun steht das gute Stück wieder bei ihm. Aber je nach Ausgang des Prozesses vielleicht bald ohne Tasten.

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SZ vom 12.04.2019/dpa
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