Süddeutsche Zeitung

Motorsport:Meister Keller siegt mit seinem Biest

Der Starnberger Kfz-Mechaniker Guido Keller hat die Deutsche Bergmeisterschaft der Amateure vorzeitig gewonnen - in einem radikal umgebauten Smart mit Motorradmotor.

Von Vinzenz Gabriel

In der Werkstatt von Guido Keller thronen viele größere und kleinere Pokale an der Wand, manche in Silber, andere in Gold. Seit 30 Jahren fährt der Starnberger Kfz-Meister Rennen, und seine Trophäen zeigen, dass er darin äußerst erfolgreich ist. Der jüngste Titel dürfte für den 49-Jährigen aber etwas ganz besonders sein. Er hat die diesjährige Deutsche Bergmeisterschaft der Amateure gewonnen - und das mit einem Rennauto der eigenen Art. Obwohl er in der Klasse Spezialtourenwagen startete, war sein Wagen "ein ziemlicher Publikumsmagnet", wie er mitteilt.

"The Beast", wie er das schlanke, an den Renntagen 620 Kilogramm schwere Rennauto nennt, stammt aus der hauseigenen Produktion in seiner Werkstatt in Wolfratshausen. Zwei Jahre lang tüftelte und arbeitete er mit seinen Kollegen daran, bis der ungewöhnliche Rennwagen fertig war. "Bei einem Bergrennen kommt es auf viele Nuancen an", erklärt Keller. Deshalb hat er sein Auto so konzipiert, dass es für seine Zwecke perfekt angepasst ist. "Das Auto muss wendig und leicht sein, denn die Bergstrecken sind sehr kurvig."

Aber das allein reicht nicht. Geschwindigkeit, Beschleunigung und Traktion sind genauso wichtig. Trotz der kurvenreichen Strecken hat Keller seinen Wagen während der Rennfahrt schon mal auf bis zu 172 Stundenkilometer beschleunigt. Zwölf Rennen auf unterschiedlichen Strecken umfasste der Wettbewerb, die meisten davon im Mittelgebirge. "Da glaubt man erst gar nicht, dass die da Berge haben im Norden", sagt Keller mit einem Lächeln.

Jede einzelne Strecke hat er sich vor dem Start genau angesehen, hat sie geprüft auf Kurvenradien und Fahrbahnbelag. "Die Streckenkenntnis ist sehr wichtig, damit du dich darauf einstellen kannst", erklärt der Rennfahrer. Nur eine Proberunde fahren durften die Teilnehmer mit ihrem Rennwagen vor dem Start des eigentlichen Wettbewerbs. "Wer es sehr ernst meint, kann die Strecke aber auch vorab mit dem Privatauto abfahren. Es sind ja öffentliche Straßen, die nur für das Rennen gesperrt werden", erklärt Keller.

Der 49-Jährige weiß, worauf es beim Rennen ankommt, um vorne mitzuspielen: "Ein guter Kurvenstart, hohe Kurvengeschwindigkeiten und späte Bremszeiten, das ist entscheidend!" Dass das alles gelungen ist und er sich gegen den amtierenden Meister durchsetzten konnte, freut ihn nicht nur angesichts seiner Leistung als Fahrer. Auch für den Rennwagen, der in Gestalt und Ausstattung seine Handschrift trägt. Dass ein anderer in dem Auto ebenso gut gefahren wäre, bezweifelt er. Seine Einschätzung: "40 Prozent am Erfolg macht der Fahrer aus, 60 Prozent das Fahrzeug."

Als "kompromisslose Bauweise", bezeichnet er die Entstehung seines Gefährts: Keller verbaute einen 200 PS starken Superbike-Motor einer BMW S 1000 RR als Heckantrieb, und auch den Rest baute er eigenhändig in seiner Werkstatt mit Kollegen zusammen. Der Grund für die Wahl des Motorradmotors im Herzen seines Autos: "Er kommt auf sehr hohe Drehzahlen und hat einen verhältnismäßig kleinen Hubraum." Denn das zulässige Gewicht des Fahrzeugs bemisst sich an der Hubraumgröße des Motors. Neben den Aspekten, die einen Rennvorteil bieten, gefällt Keller aber auch der lautstarke Klang des Motors im hohen Drehzahlbereich, der "auch sehr gut beim Publikum ankam", wie er sagt. Außerdem spreche er damit Auto- und Motorradenthusiasten gleichermaßen an. Ähnliches hat sich wohl auch sein engster Konkurrent um den Titel, Matthias Mohr, gedacht: In seinem Rennwagen ist ebenfalls der Motor eines Motorrads, einer Suzuki Hayabusa, verbaut.

Smart umgebaut

Für nur 450 Euro erwarb Guido Keller die Basis seines "Biestes": Der Smart Roadster 452, der von 2003 bis 2005 in Hambach (Frankreich) produziert wurde, war ein Unfallwagen, den Keller komplett zerlegte. Zwar ähnelt der im Rennlook aufgebaute Roadster äußerlich der Serienversion. Tatsächlich aber ist es nur die Hülle. Alle Kunststoffteile wurden durch Carbon ersetzt. Auch im Fahrzeuginnern ist nichts mehr original. Der Fahrersitz ist in die Mitte der mit Gitterrohr verstärkten Kabine platziert. Lenkrad, Armaturen und Schalthebel wichen einer Steuereinheit mit Wippen, Drehzahlmesser und Warnleuchten. Einen Tachometer gibt es nicht. Als Antrieb wählte Keller den Vierzylinder-Motor einer BMW S 1000 RR mit 207 PS. Der nur 600 Kilogramm schwere Renner mit Mittelmotor erreicht bis zu 230 km/h. phaa

Dennoch lag Keller nach dem Punktestand bereits vor dem letzten Rennen der Saison uneinholbar vorne. Grund genug für den Motorsportler, beim letzten Start noch etwas zu experimentieren. "Wir haben eine spezielle Software mit optimiertem Startprogramm ausprobiert", sagt Keller. "Und es hat perfekt funktioniert." Dann aber räumt er ein, dass er sich von dem Erfolg noch immer ein wenig überrascht fühlt: "Ganz verarbeitet habe ich das noch nicht", gesteht er. Es war sein erster Wettbewerb mit dem selbst konzipierten und gebauten Rennwagen. Zuvor blieb ihm kaum Zeit, Erfahrungswerte zu sammeln und sich auf sein Auto ganz abzustimmen. "Umso schöner war es für mich, dass das Bauprojekt ein voller Erfolg war und das Auto so problemlos fuhr."

Zufrieden ist Keller aber nur für den Anfang. Sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, wolle er auf keinen Fall. Obwohl Saisonende ist, steht sein Fahrzeug bereits auseinandergenommen in der Werkstatt. "Jetzt geht es darum, den Service zu machen und zu prüfen, ob alle Schrauben fest sitzen." Doch nicht nur um die Wartung will er sich kümmern. Keller will das Auto weiter "modifizieren und optimieren", wie er erklärt. Bei Motor und Fahrwerk etwa sieht der Autoprofi noch Verbesserungsmöglichkeiten, den Motor hat er bereits ausgebaut. Fahrpraxis sammelt Keller auf Flugplätzen und gesperrten Strecken. Auf öffentlichen Straßen kann er nicht fahren, das Fahrzeug hat keine Zulassung.

Sein Erfolg mit dem Rennwagen eigenen Fabrikats hat sich inzwischen bis über die Ländergrenze hinweg herumgesprochen. "In den Fachkreisen hat das Auto schon eingeschlagen, und ich habe dafür schon viel Aufmerksamkeit und Lob erhalten", erzählt der Kfz-Meister stolz. Besonders aus Italien komme viel Interesse. Über Ländergrenzen hinweg führt ihn ein großer Lebenstraum: das große Bergrennen auf dem Pikes Peak im US-Staat Colorado. "Das würde ich irgendwann unglaublich gern noch machen - auch wenn ich dafür The Beast zu Hause lassen muss", sagt Keller. Das Auto zu verkaufen, komme für ihn aber niemals in Frage.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2019
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