Tattoo-Studio in der Corona-Krise:Politik der Nadelstiche

Tattoo-Studio in der Corona-Krise: Tattoo-Künstler Gino Gambino (links) von "Der Monarch" sticht einem Kunden ein geometrisches Motiv.

Tattoo-Künstler Gino Gambino (links) von "Der Monarch" sticht einem Kunden ein geometrisches Motiv.

(Foto: Arlet Ulfers)

Stefan Lappe musste schon die Eröffnung seines Ladens "Der Monarch" in Starnberg wegen des ersten Lockdowns verschieben. Nun trifft ihn der zweite. Lange hält er das nicht mehr durch.

Von Lisa Bullerdiek

Ein Freund hat ihm gleich eine Kurznachricht geschickt: Lockdown im November - schon wieder. So hat Stefan Lappe erfahren, dass er sein Tattoo-Studio in der Starnberger Innenstadt schließen muss. Dabei hatte er schon die Eröffnung des Ladens mit dem Namen "Der Monarch" vor fünf Monaten wegen der ersten Welle des Coronavirus verschieben müssen. Nun kommt eine Verlängerung in den Dezember. Lange kann sich Lappe solche Nadelstiche nicht mehr leisten. "Es ist nicht einfach, wir haben auch Familie zu Hause", sagt er. Noch könne das Studio tragen - wenn die Schließungen nicht noch zwei- oder dreimal verlängert werden.

"Wie ein Wohnzimmer": Das war Lappes Vision. Dunkle, große Fliesen auf dem Boden, hohe Decken, viel Holz - ein Wohnzimmer vielleicht, in den hellen Räumen könnte aber auch eine Werbeagentur sitzen, wäre da nicht das Bild eines tätowierten Mannes auf dem Fenster zum Marktplatz. Das Studio hat er Anfang Mai eröffnet, vier Tage vorher hatte der Landkreis sein Okay gegeben. Die Eröffnung war eigentlich für Anfang April geplant gewesen, doch das Coronavirus kam dazwischen. Damals konnte Lappe die Zeit nutzen, um die letzten Umbauarbeiten zu erledigen. Nun muss er nach wenigen Monaten wieder zusperren.

Tattoo-Studio in der Corona-Krise: Gambino hilft beim Stechen der Stencil, eine lila-farbene Vorlage, die vor dem Tätowieren auf die Haut des Kunden übertragen wird.

Gambino hilft beim Stechen der Stencil, eine lila-farbene Vorlage, die vor dem Tätowieren auf die Haut des Kunden übertragen wird.

(Foto: Arlet Ulfers)

Stefan Lappe hat nicht damit gerechnet. Seit der Eröffnung sei es gut gelaufen, resümiert der Geschäftsführer. Viele Kunden kämen aus Starnberg, manche reisten auch extra an, eine Kundin komme fast jeden Monat aus der Schweiz, erzählt er. Ihm sei es vorgekommen, als hätten manche auf die Eröffnung gewartet. Im ersten Monat seien die Terminbücher voll gewesen. Auch vor der zweiten Welle seien die beiden Tätowierer mit den Künstlernamen Gino Gambino und Oskán Marley ausgelastet gewesen.

Ungefähr 40 Kundinnen und Kunden musste Lappe allein im November absagen. Diese unterstützten ihn zwar, indem sie Pullis oder Gutscheine kauften, sagt der Geschäftsführer, aber das sei nicht mit den normalen Einnahmen zu vergleichen. Er glaubt nicht, dass er den Laden noch in diesem Jahr wieder öffnen kann. Tätowierer Gambino malt seine Tattoomotive derweil statt auf Haut auf Holzbrettchen, die er verkauft.

Nun hofft Lappe auf die Hilfe des Bundes: "Wir konnten die bis jetzt noch nicht beantragen, aber das geht bestimmt in den nächsten Tagen." Kleine Betriebe sollen mit bis zu 75 Prozent des Umsatzes unterstützt werden - berechnet allerdings aus den Umsätzen des Novembers im Vorjahr, als das Studio noch nicht geöffnet war. Der Inhaber hofft, dass auch neue Geschäfte nicht alleingelassen werden.

Lappe hat teure Liegen angeschafft, es gibt Fernseher, Tablets und Kopfhörer für die Kunden. "Die werden selbstverständlich immer desinfiziert", sagt er. Lappe will es den Kunden so angenehm wie möglich machen, so gut das eben bei bis zu 7500 Nadelstichen pro Minute möglich ist. Die Hygienestandards waren auch vor der Corona-Krise in Tattoo-Studios hoch. Genau deswegen ärgert Lappe sich über die verordnete Schließung.

Wer ein Studio führt, muss regelmäßig mit dem Gesundheitsamt rechnen. Dabei ging es bis zum Frühjahr besonders um den Schutz vor Krankheiten, die über das Blut übertragen werden. Nun müssen wie überall auch Schmier- und Tröpfcheninfektionen vermieden werden. Solange geöffnet war, trugen alle Kunden, Geschäftsführer Stefan Lappe und die zwei Tätowierer im Studio Maske, es gibt einen Desinfektionsmittelspender am Eingang, die Kontaktdaten der Kunden halten sie auf Listen fest. Außerdem verzichteten sie auf sogenannte Walk-Ins, also kurz getaktete Termine. An den meisten Tagen hatten die beiden Tätowierer jeweils nur einen Kunden. Auch die in der Szene üblichen Besuche von Tattoo-Künstlern fanden nur noch selten statt. Warum gerade Tattoo-Studios von der Schließung betroffen sind, erschließt sich Lappe nicht. Er habe von keinem Studio gehört, in dem sich jemand angesteckt habe. Außerdem gebe es dort viel weniger Kundenverkehr als beispielsweise bei Friseuren.

Lappe, der eigentlich Verkäufer gelernt hat, wollte sich mit dem Studio einen kleinen Traum erfüllen. Dieser Traum muss vorerst pausieren, den ganzen November und bis in den Dezember hinein. Lappe will in der Zeit renovieren. Jetzt hoffe er vor allem, dass die Menschen vernünftig sind, wie er sagt. Damit er sein Studio bald wieder öffnen kann.

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