Starnberg:Mitten durch den Forst

Der Bau der Umfahrung von Ober- und Unterbrunn geht in den Endspurt, kommenden Freitag soll ein Abschnitt der Strecke freigegeben werden. Um Platz für die Straße zu schaffen, mussten zehn Hektar Wald abgeholzt werden

Michael Berzl

Mit einem zaghaften Knirschen setzt der Minibus auf. Hier geht es nicht weiter. Der Höhenunterschied von der bereits asphaltierten Fahrbahn zu dem tieferen Niveau in einem Baustellenbereich auf der Unterbrunner Umgehung ist hier doch zu groß. Selbst Stephanie Kürmeier, die als Abteilungsleiterin im staatlichen Bauamt über die Neubaustrecke bestens Bescheid weiß, kann das passieren. "Die anderen Kanten kenne ich alle, die nicht", sagt sie, begleitet das Eingeständnis des Vorführeffekts mit einem herzhaften Lachen und setzt den Wagen vorsichtshalber zurück, um nach einer anderen Zufahrt zu suchen. Gerade noch hat sie mit ihren Kollegen von der Bauleitung über Autofahrer gefrotzelt, die versuchen, auf illegalen Wegen durchzukommen.

Baustellenbesichtigung der Umgehungsstraße

Endspurt auf der Unterbrunner Umgehung: Hier dürfen in einer Woche schon Autos fahren. Foto: Fuchs

(Foto: Sta Franz Xaver Fuchs)

Seit Anfang des Monats ist die sonst stark befahrene Verbindung von der Lindauer Autobahn nach Starnberg unterbrochen. Derzeit sind die Abschnitte zwischen der Waldkreuzung und Oberbrunn sowie zwischen dem Verkehrskreisel bei der Autobahnausfahrt Gilching und Unterbrunn gesperrt. Auf Höhe von Frohnloh, am nördlichen Ende der Strecke, verschwindet gerade eine Straße. Mit lautem Geratter verleibt sich eine riesige Fräse das Teerband ein. Es handelt sich tatsächlich noch um Teer, der heute nicht mehr verwendet werden darf. Beim Abtragen verbreitet sich wieder der typische Ölgeruch, auf der Maschine ist eine Absauganlage montiert, damit sich möglichst wenige der krebserregenden Inhaltsstoffe in der Luft verteilen. Das zerkleinerte Material wird in Lastwagen zu Mischanlagen nach Huglfing gebracht, dort mit Zement vermengt und kehrt als Baustoff für den Unterbau der neuen Fahrbahn zurück. So funktioniert Recycling im Straßenbau, das Abfallwirtschaftsgesetz schreibt die Wiederverwertung vor.

Fast sechs Kilometer weiter südlich, am anderen Ende der Umgehung, haben die Bauarbeiter in den vergangenen Tagen zwei Tonnen der Mischung zu einer hydraulisch verfestigten Tragschicht verbaut, wie die Fachleute das nennen. Dort entsteht gerade die Anbindung der neuen Staatsstraße an Oberbrunn. Es herrscht Hochbetrieb. Ein halbes Dutzend Baufahrzeuge kurvt umher. Als wären Bauern bei der Ernte, sind auch einige Traktoren unterwegs. Die Baufirma Richard Schulz hat gute Erfahrungen mit den wendigen und robusten Zugmaschinen gemacht. Zugleich ist moderne Technik im Einsatz. Per GPS steuert ein Arbeiter seinen Gräder, auf dessen Planierschaufel eine gelbe Stange mit einem Empfänger angebracht ist. "Das geht auf drei Zentimeter genau", weiß Kürmeier. Das emsige Treiben in dem künftigen Einmündungsbereich hat seinen Grund: Die Zeit drängt, am kommenden Freitag soll der Abschnitt für den Verkehr freigegeben werden. Der Endspurt hat begonnen.

Seit dem Baubeginn vor zwei Jahren haben die Arbeiter schon eine Menge bewegt. In Zahlen: Insgesamt rund 450 000 Kubikmeter Erde und Kies wurden verfrachtet. Die Neubaustrecke braucht etwa 50 000 Quadratmeter Platz, rund 27 500 Tonnen Asphalt werden dafür verarbeitet. Um den Platz für die Straße zu schaffen, wurde auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern der Wald gerodet.

Man kann sich das jetzt gar nicht mehr vorstellen", erzählt Bauleiter Oliver Schneider an einer Stelle, wo man sich vor ein paar Jahren noch mitten in einem hohen Fichtenwald befand und er sich noch per GPS orientieren musste. Jetzt zieht sich hier eine breite Schneise durch den Forst, und es wird deutlich, welchen Preis die Entlastung von Ortschaften vom Durchgangsverkehr hat. Der Schaden in der Landschaft ist immens.

Zugleich wird großer Aufwand für die Tiere getrieben, deren Lebensraum nun durchschnitten ist. Für die Frösche zum Beispiel. Ein Leitsystem für rund 90 000 Euro beim Aufeld im Osten von Unterbrunn soll die Amphibien zu zwei kleinen Tunneln führen, wo sie sich auf matschigem Untergrund ein paar Meter unter der Fahrbahn ihren Weg suchen können. Kürmeier erklärt das so: "Die Frösche kommen hier entlanggehüpft, rennen durch den Wald, dann da rüber und zu ihrem neuen Teich." Die Fürsorge der Straßenbauer fürs Getier wirkt fast schon drollig. Doch der Naturschutz will es so. Und es funktioniert, weiß Bauleiter Schneider von einer Strecke bei Althegnenberg. "Das ist es schon wert". Spezielle Bleche auf Überführungen sollen gewährleisten, dass Fledermäuse nicht an die Windschutzscheiben klatschen. Verbessert wird aber vor allem die Lebensqualität von Menschen. Bisher leiden die Oberbrunner und Unterbrunner unter dem Gestank und Lärm von 9600 Autos und Lastwagen, die täglich durch ihre Orte brausen. In zehn Wochen ist damit Schluss, wenn am Samstag, 27. Oktober, die neue Umgehung eingeweiht wird. Und das wird gründlich gefeiert.

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