Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Mit dem Besen zugeschlagen

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Amtsgericht verurteilt Pflegerin zu achtmonatiger Bewährungsstrafe

Von Christian Deussing, Starnberg

Eine private Altenpflegerin ist am Mittwoch vom Amtsgericht Starnberg wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die 64-jährige Angeklagte muss zudem 800 Euro an das Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf zahlen. Laut Gericht hatte die Betreuerin mit dem Stiel eines Kinderbesens auf den linken Arm einer Frau geschlagen, die Prellungen und einen Bluterguss erlitt. Das Opfer ist die Ex-Ehefrau des 80-jährigen Mannes, den die Angeklagte auf dem selben Anwesen in Starnberg pflegt. Der Auslöser war ein Zettel, den im September 2018 die frühere Ehefrau an alle Bewohner gerichtet am Hoftor angebracht hatte - mit dem Hinweis, dass aus Sicherheitsgründen ab sofort das Tor nach der Durchfahrt zu schließen sei.

"Ich wurde schikaniert", rechtfertigte sich die Pflegerin für ihre Besenattacke. Sie räumte zwar auch die Beleidigung ein, betonte aber, dass die andere Frau zuerst geschlagen und sie sich daher nur gewehrt habe. Doch ihre 48-jährige Kontrahentin schilderte den Ablauf im Prozess ganz anders: "Sie hat wahnsinnig getobt und geschimpft und mir mit dem Besen auf den linken Unterarm geschlagen." Sie habe sich bedroht gefühlt, Angst und Panik verspürt, berichtet das Opfer. Zudem sei sie noch mit einem Schuh beworfen, aber nicht getroffen worden, was ihr Handyvideo belege. Die Starnbergerin beschrieb die Pflegerin als "sehr impulsiv".

Ein Besucher des Anwesens und eine Nachbarin bestätigten, dass die Angeklagte mit dem Besen auf die Frau eingeschlagen habe. "Ich hörte Schreie und den Aufruhr", berichtete die Zeugin. Sie wisse, dass bei denen "seit Jahren ein Krieg herrscht, den man nicht haben will". Sie beobachte, dass die Pflegerin oft provoziert werde, berichtet die Anwohnerin. Die 46-Jährige sagte auch, dass sich die Betreuerin "sehr liebevoll" um den Senior gekümmert habe.

Die gefährliche Körperverletzung und die Beleidigung sahen die Staatsanwaltschaft und das Gericht als erwiesen an und hielten die Aussagen der Zeugen für glaubwürdig. Die Angeklagte habe zwar gestanden, jedoch kein Reue gezeigt. Die 64-Jährige hat noch in ihrem Schlusswort behauptet, zuerst geschlagen worden zu sein und empörte sich: "Ich bin sehr enttäuscht und war immer ehrlich." Bis zuletzt fühlte sich die Angeklagte, die keinen Verteidiger hatte, im Prozess offenbar ungerecht behandelt.

Richterin Christine Conrad wollte zwar nicht ausschließen, dass die Pflegerin über längere Zeit Provokationen ausgesetzt gewesen sei. Deshalb dürfe man aber nicht mit einem Besen auf eine andere Person einschlagen und sie beleidigen, begründete die Richterin ihr Urteil - mit dem sie dem Strafantrag des Staatsanwalts weitgehend folgte.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2020
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