Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Mehr Demokratie im Kassenzimmer

Lehrerverband tritt für ein besseres Miteinander an Schulen ein

Von Otto Fritscher, Starnberg

"Mehr Demokratie in den Grund- und Mittelschulen lehren" - das hat sich der Bayerische Lehrer- und Lehreinnenverband vorgenommen. Wie dessen Landesvorsitzende Simone Fleischmann bei einem Pressegespräch in Starnberg erläuterte, sind dafür allerdings nicht neue oder mehr Unterrichtsstunden vonnöten, sondern Demokratie soll als Projekt zum Beispiel bei der Wahl der Klassensprecher besprochen und dann praktiziert werden. Ziel dieses "Manifests" mit dem Titel "Haltung zählt" sei es, "die Gesellschaft vor Spaltung, Brutalität und Rücksichtslosigkeit zu schützen und unsere Demokratie zu bewahren", sagte Fleischmann. Denn: "Diese war schon lange nicht mehr so in Gefahr wie heute", so die Vorsitzende.

An den Grund- und Mittelschulen im Fünfseenland sind etwa "Tendenzen zur Verrohung der Sprache" zu erkennen, wie die BLLV-Kreisvorsitzende Katharina Baur beobachtet hat. Außerdem sind ihr Fälle bekannt, wo in den sozialen Medien Schüler andere Schüler bloßstellen oder gar verfolgen. "Da wackelt etwas bei uns", sagte Baur. Sie verdeutlichte, wie so ein Projekt Klassensprecherwahl aussehen könnte - und wie nicht. "Man kann als Lehrer sagen: Ihr wart die Klassensprecher und macht es einfach weiter. Oder man kann mit den Schülern zusammen nachfragen, erklären, und besprechen, wie denn überhaupt gewählt wird. Und wie man damit umgeht, wenn jemand Klassensprecher wird, den man nicht mag."

Allerdings koste dies Unterrichtszeit für andere Fächer, und das werde nicht immer gern gesehen - von Eltern, Direktoren und dem Schulamt. "Wenn ein Lehrer mutig vorangeht, wird er schon kritisch beäugt", hat Katharina Baur festgestellt. Sie wusste auch von anderen Tendenzen zu berichten: "Es kommt immer wieder vor, dass Eltern sagen: Mein Kind soll nicht in die Klasse mit vielen Ausländern gehen", erklärte Fleischmann. Auch hier gebe es noch viel Aufklärungsbedarf. Aber eines war den beiden Lehrerinnen klar: "Wir müssen pädagogische Vorreiter sein und Demokratie vorleben, aber wir können die Gesellschaft nicht retten."

Zur Sprache kaum auch der eklatante Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen in Bayern. Zwar werden jetzt Realschul- und Gymnasiallehrer quasi "umgeschult", aber dazu seien aufgrund des geringeren Verdienstes nur wenige bereit, so Baur. Offiziell gibt es auch keinen Unterrichtsausfall an den Schulen im Landkreis, sagte sie. Aber: "Allein an der Grundschule hier in Starnberg an der Ferdinand-Maria-Straße fehlen mindestens zwei Lehrkräfte."

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SZ vom 24.05.2017
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