Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Mantel aus Mais

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Bei den Ateliertagen in Starnberg, Pöcking und Feldafing sind überraschende Rauminstallationen und feinsinnige Zeichnungen zu sehen

Von Katja Sebald, Starnberg

Offene Ateliers. Da erwartet man, Kunst direkt am Ort ihres Entstehens zu erleben und den Künstlern über die Schulter schauen zu dürfen. Man denkt vielleicht an Farbtöpfe und herumliegende Werkzeuge. Aber weit gefehlt. Wer sich auf eine Rundfahrt zu den acht offenen Ateliers in Starnberg, Pöcking und Feldafing macht, der trifft die meisten Künstler nicht bei der Arbeit an und in einigen Fällen auch nicht in ihren eigentlichen Arbeitsräumen. Dafür erwarten den Besucher überraschende und zuweilen höchst ästhetische Rauminszenierungen, in denen die Kunst einen großen, ja geradezu musealen oder theatralen Auftritt hat.

So öffnet sich das Atelier von Ulrike Prusseit in Starnberg wie ein Theaterraum, in dem ihre Gemälde und Fotocollagen zum Bühnenbild für die eigentlichen Akteure werden. Das filigrane und lichtdurchschienene "Nadelkleid", der sorgsam gefältelte "Maismantel" und die sich aufplusternde "Jacke aus Buchenblättern" schweben leicht im Raum, als hätten Feen sie abgelegt. Die Erfinderin dieser Pflanzengewänder, die mit Draht und Tüll zusammengehalten werden, ist Charlotte Vögele aus Freising. Sie beteiligt sich in diesem Jahr erstmals als Gastausstellerin.

Ein Theaterstück aus dem echten Leben hat Ursula Steglich-Schaupp inszeniert. In ihrem Possenhofener Atelier wurde sie im vergangenen Jahr von einer Mäuseplage heimgesucht; diese Erfahrung hat sie in einem abgedunkelten Nebenraum nachgestellt. Heerscharen von tönernen Mäusen in allen Größen marschieren über den Fußboden und schaukeln von der Decke, drei große Katzen sitzen auf sich drehenden Plattentellern und lauern ihnen auf. Dieses "Mäusespektakel" wird von Musik begleitet, Peter Pich hat es farbig illuminiert.

Der Maler und Objektkünstler Julius Wurst hat in seinem kühlen Kelleratelier in Pöcking einen Raum der Stille geschaffen. Auf dem nackten Estrich hat er sternförmig verästelte Weidenzweige ausgebreitet, auf die gleiche Größe zugeschnitten und in einem gleichmäßigen Raster angeordnet. Diese Bodeninstallation trägt den Titel "Stille" und wird an den Wänden von einem neuen Bildzyklus umgeben. In einer speziellen Wachstechnik fertigt der Künstler Schattenbilder von reliefartiger Tiefe. Nun zeigt er unter dem Titel "Das Pfeifen im Wald" Bilder, in denen kahle Baumstämme und Äste zu rhythmischen Linienabfolgen in Grauabstufungen werden.

Die wohl spektakulärste Rauminstallation haben Susanne Mansen und Ute Beck in einem aufgelassenen Industriegebäude hinter dem Possenhofener Bahnhof geschaffen. Auf drei Stockwerken aus Beton und altem Holz setzen sie ihre Arbeiten zwischen Licht und Schatten in Szene. Ute Beck zeigt auf Metallpodesten Keramikvasen mit weichen organischen Formen. Sie arbeitet mit der Malerin Susanne Mansen zusammen, in deren Bilder diese "Bubbles" erstmals auftauchten. Nun wuchern sie als Augen und Körperausbuchtungen auf Leinwänden und bemalten Keramikplastiken, krabbeln wie kleine Lebewesen über Regale und Fensterbretter und schweben als zarte Objekte aus Draht und Glas im obersten Stockwerk unter dem Dach. Wie Kommentare zu diesem Zauberhaus lesen sich die feinsinnigen Zeichnungen von Susanne Mansen, für die sie Tusche auf textilem Untergrund verlaufen lässt und leise Linien stickt.

Die Ateliers sind auch am kommenden Wochenende , am Samstag und am Sonntag, 21. und 22. April, jeweils von 14 bis 19 Uhr geöffnet.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2018
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