Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Mahner und Maler

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Heinze, Rohrhirsch und Lallemand stellen im Kunstkabinett aus

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Im Zentrum steht eine würfelförmige Glasskulptur, die aussieht wie ein modernes Eingangstor. Josef Rohrhirsch ließ sich für dieses Werk vom aufsehenerregenden Glasbau "Grand Arche" inspirieren, der in einem Pariser Neubauviertel steht. Der Vorsitzende des Künstlervereins "Roseninsel" hat dafür 20 jeweils fünf Millimeter dicke Glasscheiben aufeinander geklebt. Ein 90-Grad-Innenwinkel lässt sich daraus jedoch nur unter großen Schwierigkeiten herausschneiden. Rohrhirsch löste das Problem, indem er jede einzelne Scheibe so lange mit dem Sandstrahl bearbeitete, bis das Material herausfiel - eine Sisyphusarbeit, wie er sagt. Neben ihm stellen derzeit im "Kunstkabinett Starnberg" der Glaskünstler Dieter Heinze und der Maler Henri Lallemand aus.

Rohrhirsch ist für seine "räumlich erweiterten Bilder" bekannt, wie sie der gelernte Grafiker nennt. Glaselemente erweitern abstrakte Ölgemälde, Rot findet der Künstler besonders faszinierend. Eine Serie mit 14 Bildern in diversen Rottönen hat er im Laufe der Jahre geschaffen. Unterschiedliche Strukturen von glatt über samtig bis zu rau und grobkörnig verleihen den Kunstwerken sinnliche Ausstrahlung.

Eine ganz andere Wirkung erzielt Heinze mit seinen Glasobjekten. Titel wie "Berliner Mauer" oder "Gesprengte Ketten" weisen darauf hin, dass sich der Glasermeister vom Zeitgeschehen inspirieren lässt. Die Skulptur "Kernschmelze" etwa hat er nach dem Reaktorunfall in Fukushima geschaffen: Auf den ersten Blick wirkt der von einer Glashaut überzogene Holzkörper an einem Eisenkreuz wie Christus. Heinze will das Werk als Mahnung verstanden wissen: "Mensch, halte inne. Willst Du Dich zugrunde richten?" Der Künstler ist überzeugt, dass nicht alles erlaubt sein darf, was technisch möglich wäre. Dem Menschen sind Grenzen gesetzt: Er ist nicht Schöpfer, sondern Geschöpf.

Heiter, witzig und humorvoll geht hingegen der akademische Maler Henri Lallemand mit der Kunst um. Der Künstler, der lange in Frankreich, Portugal, Österreich und der Schweiz gelebt hat und erst vor fünf Jahren wieder nach München zurückkam, orientiert sich gerne an großen Meisterwerken von Claude Monet, Edward Hopper oder Pierre-Auguste Renoir. Aber er kopiert sie nicht einfach, er spielt mit ihnen. In Lallemands Bild nach Renoirs "Das Frühstück der Ruderer" beispielsweise sitzt Charlie Chaplin unter den Menschen, bei Edward Hopper versteckt er ein Wahlplakat des US-Präsidenten Obama, da Vincis "Abendmahl" ist bei Lallemand eine Versammlung seiner größten Vorbilder. Bekannte Maler sitzen an der Tafel: Albrecht Dürer ersetzt natürlich Jesus; Picasso, van Gogh oder Frida Kahlo stellen seine Jünger dar. Lallemand malt Menschen in allen Lebenslagen in kräftigen Farben - aber immer mit einem ironischen Augenzwinkern. Und oft versteckt er einen Überraschungseffekt, den der Betrachter freilich erst auf den zweiten Blick entdeckt.

Die Ausstellung ist noch bis 10. Juli freitags bis sonntags, jeweils 15 bis 18 Uhr, zu sehen - oder nach Vereinbarung: Telefon 08151/90340.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2016
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