Süddeutsche Zeitung

Gleichberechtigung:Wenn Frauen in die Burschenschaften gehen

Die traditionellen Männervereine im Landkreis müssen - und wollen - sich öffnen. Nicht nur, um Steuerprivilegien zu erhalten.

Von Isabella Falkner und Armin Greune

Wer Frauen die Mitgliedschaft verweigert, soll auch keine Steuergeschenke mehr erhalten. Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Vereinen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wenn sie nicht beide Geschlechter aufnehmen, trifft viele traditionelle Männerbünde ins Herz. Gerade in den ländlich geprägten Gemeinden und Ortsteilen des Fünfseenlands gibt es noch eine ganze Reihe von bodenständigen Burschen-, Gesangs- und Schützenvereinen, bei denen die Herren nicht nur dominieren, sondern auch unter sich bleiben. Ihnen gingen künftig unentbehrliche Einnahmen verloren, wenn ihre Förderer die Spenden nicht mehr von der Steuer absetzen könnten. Außerdem sind gemeinnützige Vereine von Körperschafts- und Gewerbesteuer weitgehend freigestellt, sie genießen auch eine Ermäßigung bei der Umsatzsteuer.

Vor diesem Hintergrund wären etwa die Hadorfer Burschen zu einem Umdenken bereit. Ihre Satzung erlaubt bislang nur unverheirateten Männern die Mitgliedschaft. Dennoch verweigere man sich nicht generell dem anderen Geschlecht, sagt Leo Wagner, erster Oberbursch: "Bei Veranstaltungen sind ja trotzdem immer Frauen und Männer beteiligt." Mit dem Vorstoß von Olaf Scholz kann er sich nicht anfreunden, "die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wäre für die Burschenschaft nicht gut." Die Tradition, ausschließlich Männer aufzunehmen, sei an ihn nur weitergegeben worden. Mit dem rein männlichen Vorstand habe die Vereinsarbeit immer gut funktioniert. Um das Steuerprivileg zu erhalten, wäre eine Satzungsänderung aber denkbar. Das würde ja auch keine Verschlechterung für den Verein darstellen: "Man muss ja auch offen für Neues sein. Zur Not wären wir da flexibel," sagt Wagner.

Die Burschenschaft Perchting ist da schon einen Schritt weiter. Sie hat gerade eine neue Satzung erlassen: "eine alters-, geschlechter- und familienstatusneutrale Version", sagt Christoph Kammerlander, ehemaliger erster Oberbursch. "Vor vier Monaten haben wir uns dazu entschieden, vor vier Wochen wurde die Satzung geändert und soweit ich weiß, ist sie auch schon rechtskräftig", erklärt er. Die Drohung des Finanzministers mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit hatten die Vereinsmitglieder dabei gar nicht im Kopf - sondern den fehlenden Nachwuchs. "Wir wollten die Türen öffnen," sagt Kammerlander: "Wir brauchen die Damen einfach, weil das Interesse der männlichen Jugend immer mehr abnimmt."

Ob dieses Problem mit der Aufnahme von Mädchen und Frauen so gelöst werden kann? Die Erfahrungen der Stammschützen Pöcking sprechen dagegen. "Wir hatten immer schon Männer und Frauen", sagt Alexander Wehnelt, erster Schützenmeister. Bei den Stammschützen ginge es hauptsächlich um den Sport, da mache es keinen Unterschied, "ob Männlein oder Weiblein". Ganz anders sieht Wehnelt die Lage aber bei den Gebirgsschützen: "Da geht es um Landesverteidigung. Genauso wie in der Armee haben Frauen da nichts zu suchen. Die dürfen überall sein, aber nicht in Kampftruppen", erklärt er entschieden. Sein Verein hätte bei einer Gesetzesänderung keine Probleme mit der Gemeinnützigkeit. Doch die Stammschützen stehen 160 Jahre nach der Gründung vor dem Aus. Den Verein werde es bald nicht mehr geben: "Wir finden keinen Nachwuchs mehr ", sagt Wehnelt.

Diese Sorgen hat der "Männerchor Gilching 1903" nicht: Er zählt derzeit etwa 130 Mitglieder. Vor allem die Nikolausfeiern nutzt man, um bei einem besinnlichen und fröhlichen Abend Nachwuchs und Sänger für den Verein zu werben - am kommenden Samstag wieder um 19 Uhr im "Oberen Wirt". Die Frauenquote sei beträchtlich, sagt Hans Maenner, Schriftführer des Chors: 50 bis 60 Mitglieder seien weiblich, schon lange dürften sie dem gemeinnützigen Verein beitreten. Gleichberechtigt sind sie allerdings nicht: Mitsingen dürfen - wie schon der Name erahnen lässt - nur Männer. Den rechtlichen Vorgaben zufolge sei das aber kein Problem: Auch ein passives Mitglied gelte als vollwertiges Mitglied. Frauen müssen also zwar bei Proben und Konzerten den Mund halten, Beiträge zahlen und spenden ist ihnen jedoch erlaubt. Und ihre Mitwirkung bei Ausflügen, in der Wander- und Radlergruppe und an den Bunten Abenden ist ausdrücklich erwünscht. Vermutlich liefern sie auch einen Großteil des Gebäcks und der Plätzchen für die Nikolausfeier. Auf der anderen Seite stellen die Frauen aber auch fünf der aktuell 14 Mitspieler in der Theatergruppe, die mit ihren Aufführungen beträchtlich zu den Einnahmen des Chors beitragen. Selbst im Vereinsvorstand sind sie vertreten: Monika Lange führt dort die Kasse.

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SZ vom 03.12.2019
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