Starnberg:Lauter Gewinner

Förderpreisverleihung der Musiktage

Wettbewerb ohne Verlierer: Louis Vandory, Sofiko Tchumburidze und Daniil Bulayev (v.li) teilen sich das Preisgeld des nach Ana Chumachenco (2. v.re.) benannten Wettbewerbs.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Chumachenco-Wettbewerb zu den Musiktagen Starnberg endet mit salomonischer Lösung

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Ana Chumachenco befand sich offenbar in einem Dilemma. Die weltweit zu den erfolgreichsten Geigenpädagogen gehörende Musikerin hätte etwas tun sollen, das sie nicht gutheißt: den Wettbewerb unter jungen Musikern fördern. Chumachenco gehört zwar häufig Jurys bei Wettbewerben an. Doch bei den Starnberger Musiktagen war es explizit ihr Wettbewerb: In der Schlossberghalle fand die Endausscheidung des ersten Ana Chumachenco Young Artist Award statt. Drei Violinisten stellten sich dem Vergleich. In der ausgelosten Reihenfolge waren es der gerade mal 13-jährige Lette Daniil Bulayev aus Riga, der 17-jährige Münchner Louis Vandory sowie die in der Türkei geborene, gleichaltrige Georgierin Sofiko Tchumburidze.

Auf dem Pflichtprogramm standen ein langsamer Satz aus einer Beethoven-Sonate - Tchumburidze war es offenbar gestattet, auf Schumann auszuweichen -, ein Satz mit Kadenz aus einem der Violinkonzerte von Mozart sowie ein virtuoses Stück freier Wahl. Die beiden letzten mussten auswendig vorgetragen werden. Ein publikumswirksames Programm, mit dem die drei Kandidaten durchaus auch hätten protzen können. Doch sie wären wohl kaum zur Endausscheidung gelangt, wenn ihnen der Stellenwert der Musikalität nicht bewusst gewesen wäre. Schlüssige Phrasierung in weiten Spannungsbögen, wunderbar ausgesungene melodische Linien, feinsinnige Klangdifferenzierung im Hell-Dunkel-Changieren, virtuose Brillanz in den Kadenzen, dem jeweiligen Komponisten gerechte Stilistik: Auf diese Qualitäten setzten alle drei. In den Sonatensätzen ebenso auf den kammermusikalischen Duktus im Zusammenspiel mit dem armenischen Pianisten und Kammermusikpartner Grigor Asmaryan, der sich als ein sehr einfühlsamer und präziser Feinarbeiter erwies.

Gewiss, es gab schon Unterschiede zwischen den Kandidaten in interpretatorischen Belangen. So konnten die altersbedingt erfahreneren Vandory und vor allem Tchumburidze im Spannungsaufbau und der musikalisch schlüssigen Entwicklung kraftvollere, damit packendere Lösungen anbieten. Bulayev punktete indes in der Empfindsamkeit.

Am überzeugendsten erwiesen sich alle drei im virtuosen Fach, in dem sie sich als spieltechnisch perfektionistisch und präzis gaben. Bulayev schmetterte eine grandiose Intro zu Wieniawskis Variationen, bevor er mit einem betörend schönen Gesang die Grundlage für eine leidenschaftliche Entwicklung zum akrobatischen Finale legte. Vandory wählte mit Paganinis Caprice op. 1/10 den temperamentvollen Zugriff im klaren Aufbau. Bravour und schmissigen Energieaufbau demonstrierte indes Tchumburidze mit einem Satz aus Tschaikowskis Violinkonzert.

Zwei Kandidaten zu Verlierern zu erklären - das wollte Chumachenco nicht. Offenbar waren die beiden anderen Mitglieder der Jury, Siegfried Mauser und Rudens Turku, auch leicht davon zu überzeugen, dass der Gedanke der Förderung - das zentrale Motiv eines Award - mit der Konkurrenzidee nicht vereinbar ist, wie Chumachenco vom Podium kundtat. Wettbewerbe seien gerade für junge Musiker keine Förderung, da sie insbesondere Sieger nachhaltig unter Leistungsdruck setzen. Kurzum: Alle drei Kandidaten teilen sich nun das Preisgeld von 3000 Euro und bestreiten im kommenden Jahr das zum Preis gehörige Rezital gemeinsam. Ob die Preisträger über die Lösung glücklich sind, sei dahingestellt, schließlich stellen sich Kinder und Jugendliche gerne dem Kräftemessen - leiden aber darunter, wenn sie verlieren. Eine Diskussion darüber anzustoßen, ist auf alle Fälle sinnvoll.

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