Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Kunst in der Grauzone

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Elena Carr wollte ursprünglich Bildhauerin werden. Jetzt arbeitet sie mit unterschiedlichsten Kunstformen wie Fotografie, Video, Performance und Installation, um künstlerische Arbeit mit sozialem Engagement und politischer Aktion zu verbinden

Von Katja Sebald, Starnberg

Sie kommt aus Rumänien, wo sie an einem Kinoprojekt arbeitet, über Wien, wo sie eine Wohnung sucht, und schließlich München, wo sie soeben ihr Studium an der Kunstakademie abgeschlossen hat, zum Interview nach Starnberg, wo sie demnächst mit dem Kulturförderpreis des Landkreises ausgezeichnet wird: Die junge Künstlerin Elena Carr, 1991 geboren und in Starnberg aufgewachsen, wird die Auszeichnung als "Reisegepäck" mit in die Welt hinaus nehmen.

Elena Carr hat mit ihren meist installativen und performativen Arbeiten bereits Furore gemacht. Während ihres Studiums beim Schweizer Konzeptkünstler Res Ingold an der Münchner Kunstakademie war sie an zahlreichen, auch interdisziplinären Projekten beteiligt. Anfang 2016 nahm sie an "Müde Manöver - Aktionen und Objekte zur Veranstaltungsreihe Kunst und Inklusion" an den Münchner Kammerspielen teil. Im selben Jahr war sie im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums als Gaststudentin bei Judith Huemer in Wien und trat dort bei "Wir Hunde" auf, einem Projekt des dänisch-österreichischen Theaterkollektivs Signa am Volkstheater auf. In der Münchner Frauenkirche zeigte sie beim "Aschermittwoch der Künstler" zusammen mit Franziska Wirtensohn, Michael Wittmann und Maximilian Dorner eine mobile Installation. Ein Fahrradkino, ein Schlafkarussell und eine Gruppenzwangsjacke waren weitere Projekte im öffentlichen Raum. Unter anderem begleitet sie seit fünf Jahren eine Asylbewerberin, auch mit der Kamera. Nicht nur in England, Griechenland, Australien, Rumänien und Österreich, auch in und um Starnberg war sie immer wieder an verschiedenen Kunstprojekten beteiligt. Mit ihrem Ansatz, künstlerische Arbeit mit sozialem Engagement und politischer Aktion zu verbinden, hat sie nicht zuletzt auch die Jury des Kulturpreises überzeugt.

Elena Carr selbst würde es wohl nicht mögen, wenn man sie als "Überfliegerin" bezeichnet. Ganz im Gegenteil - es ist ihr wichtig, auf dem Boden zu bleiben. Sie will mit ihren Arbeiten nicht nur in der Kunstszene wahrgenommen werden, sondern mit ganz unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommen. Soziales Engagement und eine Begegnung auf Augenhöhe schließen sich dabei für sie nicht aus. Sie interessiert sich nicht so sehr für klassische "White-Cube"-Situationen, viel lieber bewegt sie sich in Grauzonen und Randgebieten.

Die überaus lebendige Subkultur war es, die zum Entschluss geführt hat, noch einmal nach Wien zu gehen. Mit einem Fuß aber wird sie wohl in München bleiben: Wenn sie in Wien ein eigenes Projekt realisiert, dann könnte das bereits Teil ihres geplanten Masterstudiums in Kunstvermittlung sein. Wohin sie der Weg danach führt, das will sie noch offen lassen. Aber auch Melbourne, Heimatstadt ihres Vaters, könnte eine Station werden.

In die Welt zu gehen, an verschiedenen Orten zu leben und sich auszuprobieren, das ist für Elena Carr auch deshalb möglich, weil sie weiß, dass es Starnberg gibt. Sie sagt: "Es ist gut zu wissen, dass hier jemand ist, zu dem man zurückkommen kann." Ihre Mutter, die Kulturveranstalterin Elisabeth Carr, entstammt einer alten Starnberger Familie. In Starnberg ist Elena Carr zusammen mit fünf Brüdern aufgewachsen: "Da sind viele Erinnerungen an eine intensive Kindheit, und natürlich ist auch der See wichtig." Wichtig für ihre eigene Entwicklung und ihr Interesse am Bewegtbild waren aber auch jene Jahre, in denen sie im Kino Breitwand gearbeitet hat.

Der Kulturförderpreis für Bildhauerei ist für sie jedoch weit mehr als ein Stück Heimat: Schon die Bewerbung bedeutete, die eigene Position noch einmal zu klären. Elena Carr wollte ursprünglich Bildhauerin werden. Jetzt arbeitet sie mit den unterschiedlichsten Kunstformen wie Fotografie, Video, Performance und Installation. Auch Schrift und Sprache spielen eine wichtige Rolle, ebenso wie Raumerfahrungen und das Spiel mit Realitätsebenen. Vor allem aber geht es Carr um soziale Interaktion: Das Portfolio zu ihrer Abschlussarbeit war ein "Telefonbuch", in dem sie alle ihre "Komplizinnen und Komplizen" der verschiedenen Projekte aufgelistet hat. "Diese Wahrnehmung als Bildhauerin eröffnet mir Handlungsmöglichkeiten und gibt eine Richtung zur Arbeit mit den Händen", sagt sie.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2017
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