Ach, wie war der Jubel doch groß: Endlich, zum ersten Mal in seiner Geschichte, hat der Michelin einem Restaurant im Landkreis Starnberg einen Stern verliehen: dem "Aubergine" im Starnberger Hotel Vier Jahreszeiten. Doch nur wenige Tage danach wird die Freude getrübt. Im neu erschienenen Gault&Millau sieht man das völlig anders. Oder, besser gesagt, gar nicht. Vielmehr hält man dort den Landkreis Starnberg offenbar für kulinarisches Niemandsland.
Das Aubergine wird nicht einmal erwähnt. Das Forsthaus am See in Pöcking ist das einzige Lokal, das dort Einzug gehalten hat. Ob das allerdings ausschließlich Grund zur Freude gibt, darf bezweifelt werden. Zwar wird das Forsthaus dort mit dem Zeichen "einfach gut" versehen, das in diesem Gourmetführer bei Häusern ohne Wertung verwendet werden kann; der Text über das Lokal hat es dennoch in sich. So wird empfohlen, die Gerichte zu nehmen, die die Küche "im Schlaf kann": Rindertartar zum Beispiel. Oder US-Rinderfilet mit zwei Pfeffersaucen. Ansonsten verführe der "traumhafte Blick über den See von der Terrasse des ersten Hauses am Platze" die Küche bisweilen zur "Nonchalance". Darüber hinaus wird der Leser nur noch mit Glückwünschen bedacht: bei der Fischsuppe Viareggio oder der Charlotte chocolat mit ungebackenem Käsekuchen. "Immer wieder hören wir von Lesern, dass sie sich im Beisein von Stammgästen eine Klasse besser bekocht fühlten." Daher wünscht der Gault&Millau nun den Gästen des Hauses auch noch "die richtige Begleitung, nicht nur im Glas".
Zugegeben: Richtig prickelnd klingt auch das nicht. Aber immerhin kann sich das Forsthaus wenigstens damit schmücken, im Gault&Millau aufgetaucht zu sein. Das Aubergine hingegen hat dort Sendepause - wie all die anderen Restaurants und Wirtschaften im Kreis. Stutzig macht das schon: Ist das Fünfseenland etwa unfähig, Einheimische wie Touristen anständig zu bewirten? Fragt man bei der Chefredakteurin Patricia Bröhm nach, warum denn nicht einmal das Aubergine erwähnt wurde, kommt eine klare Antwort: "Für uns ist ein Restaurant, das nur sieben Gerichte anbietet, nicht wettbewerbsfähig und ein Koch, der Büsumer Krabben mit Trüffel zubereitet, nicht erwähnenswert." Nicht freundlicher springt sie mit der gesamten Region Starnberg um. Für diese, sagt die Fachfrau, "gilt die altbekannte kulinarische Erkenntnis: Je teurer die Wohngegend, desto weiter weg das nächste gute Restaurant".
Es ist anzunehmen, dass nun so manch' ein Küchenchef am See den Gault&Millau verflucht. Ein kleiner Trost: Er befindet sich damit in bester Gesellschaft. In München beispielsweise galt der Genussführer bislang in der Gastro-Szene als recht umstritten. Vor vielen Jahren hat sogar Küchenchef Mario Gamba vom Sternerestaurant Acquarello die Justiz bemüht, weil er sich in dem Genussführer nicht nur in seinen Kochkünsten verunglimpft, sondern sogar persönlich beleidigt fühlte. So sagte er es damals der Presse.
Heute steht er im Gault&Millau mit 15 Punkten nicht schlecht da. Die Stadt München ohnehin nicht. Sie darf sich immerhin mit mehr als 30 Lokalen schmücken, die in dem Restaurantführer auftauchen. Und das, obwohl ja die Wohngegend München auch ein recht teures Pflaster ist. So gesehen besteht dann also für den Landkreis Starnberg doch noch Hoffnung. Zumindest ein ganz kleines Fünkchen.