Gerhard Schober übt seine Tätigkeit als Kreisheimatpfleger schon seit 50 Jahren aus. Für dieses ehrenamtliche Engagement wurde ihm kürzlich die Goldene Medaille des Landkreises Starnberg verliehen. Sein Kollege Manfred Schulz übt das Amt bereits 25 Jahre aus und bekam dafür die Silberne Landkreismedaille überreicht. Starnbergs Landrat Stefan Frey (CSU) sagte bei der Ehrung, dass der Landkreis großes Glück habe, zwei Kreisheimatpfleger zu haben, die ihre Aufgabe zu ihrem persönlichen Anliegen gemacht haben und ihre Tätigkeit mit Herzblut erfüllen. Ein Gespräch über Brauchtum, Tracht und Dialekt.
SZ: Herr Schober, Herr Schulz, wie kamen Sie zu Ihrem Ehrenamt als Kreisheimatpfleger?
Gerhard Schober: Mich hat der damalige Landrat Rudolf Widmann angesprochen, nachdem ich eine 600 Seiten umfassende Ortschronik von Unterbrunn geschrieben und veröffentlicht hatte.
Manfred Schulz: Bei mir war es so, dass der damalige Kreisheimatpfleger Willi Großer mir das Amt übergeben hat, als er aufgehört hat. Damals war ich schon in der Jugendarbeit im Heimat- und Trachtenverein eingebunden und gab auch die Volksmusikseminare in Herrsching. Ich habe alle Aufgaben übernommen, die Großer vor mir hatte.
Gerhard Schober: Man macht es aus Lust und Liebe und aus Verantwortung der Sache gegenüber.
Wie sieht ihre Arbeit praktisch aus?
Gerhard Schober: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt hauptsächlich auf den Gebieten der Archäologie, der Orts- und Landkreisgeschichte und der Bauforschung.
Manfred Schulz: Ich will das Bewusstsein schaffen für die historische Tracht, fürs echte Gwand. Auch alte Bräuche kommen wieder in Mode, beispielsweise das Frauentragen im Advent oder die Gaufeste. Und ich pflege natürlich die Volksmusik.
Sie wurden vom Landratsamt eingesetzt. Bietet die Behörde finanzielle Unterstützung?
Manfred Schulz: Für meine Seminare werden die Noten kopiert. Auch habe ich eine Software mit einem Notenschreibprogramm bekommen. Es gibt Zuschüsse, aber mittlerweile ist es ja schwieriger, Mittel für Kultur zu bekommen.
Welche Schwierigkeiten und Probleme müssen Sie meistern?
Gerhard Schober: Der Siedlungsdruck auf unsere Gemeinden ist heute außerordentlich. Früher wurden Gebäude abgerissen, wenn sie nicht mehr zu sanieren waren. Heute verspricht nur die Verwertung des Grundstücks den großen Gewinn. Besser sieht es bei Renovierungen aus. In meiner 50-jährigen Tätigkeit habe ich nur selten erlebt, dass Bauherrn den Denkmalschutz ganz abgelehnt haben. Dabei geht es nicht um einzelne schöne Häuser, es geht immer um das Ortsbild und um die Gartenlandschaft. Manchmal fürchte ich, dass die Villenkultur im Starnberger Landkreis in 50 Jahren nur noch in den entsprechenden Büchern überlebt.
Manfred Schulz: Das geht auch in meine Richtung. Bevor ich das Amt übernahm, gab es keine Volksmusikforschung in unserem Raum. Inzwischen gibt es zahlreiche Quellen regionaler Musikkultur. Ansonsten habe ich keine brenzligen Themen, nur schöne. Ich biete Musik an, an der die Menschen Freude haben. Und es gibt immer Leute, die suchen Hilfe und Beratung. Alle ein bis zwei Monate gebe ich eine Singstunde. Das macht frei. Du singst und die Seele lebt auf.
Wo ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten?
Gerhard Schober: Man muss schon bei den Kindern anfangen und sie mit unserer Kultur vertraut machen. Das sollte auch in der Schule Schwerpunkt sein. Ich habe dafür ein eigenes Heimatkundebuch für das Würmtal geschrieben und ein kleines Schulmuseum eingerichtet. Beides wurde von den Kindern mit Begeisterung aufgenommen.
Manfred Schulz: Die Kinder haben heutzutage so viele Angebote. Warum sollen sie dann Volksmusik machen? Es gibt viele Trachtenvereine, die gehen zugrunde. Auch unter Corona haben wir gelitten. Das hat uns zurückgeworfen und wurde noch nicht wieder aufgebaut.
Wie weckt man bei der Jugend Interesse am Brauchtum?
Manfred Schulz: Ich bin immer offen. Bei den Volksmusikseminaren sind manchmal viele Jugendliche. Es sind immer Wellen. Wenn andere sehen, da wird etwas gemacht, kommen sie auch. Derzeit ist die Blasmusik im Aufwärtstrend. Da machen wir Werbung. Auch die Musikschulen wollen wir gewinnen. Das ist eine ewige Arbeit.
Hat sich im Bereich Brauchtum, Heimat- und Denkmalpflege in den vergangenen Jahrzehnten etwas verändert?
Gerhard Schober: Das Brauchtum war früher etwas Selbstverständliches, Ausdruck einer gesicherten inneren und letztlich religiösen Einstellung. Heute bleibt oft nur die Freude am Feste feiern.
Manfred Schulz: Bei der Tracht und bei den Bräuchen ist unser Landkreis gut aufgestellt. Die Leute wissen, um was es geht. Die machen keinen Kitsch. Die Bräuche richten sich bei uns nach dem kirchlichen Jahr. Die Passion, im Mai die Marienlieder und die Tanzlmusi, der Advent: Diese Struktur im Jahreskreis ist das Schöne. Ich arbeite schon jetzt am nächsten Volksmusikseminar, das im September stattfindet. Da kann man sich übrigens jetzt schon anmelden. Bei uns im Landkreis gibt es nur ganz wenige Zitherspieler. Daher bereite ich alte Stücke auf für die heutige Instrumentalbesetzung. Für jedes Seminar bereite ich das Notenmaterial vor. Man probiert die Leute zum Singen und Spielen zu bringen. Ich spiele selbst auch und will Vorbild sein.
Setzen Sie sich auch für die Pflege des Dialekts ein?
Gerhard Schober: Im Umkreis von München ist es sehr schwierig, da ist der Einfluss der vielen Hochdeutsch sprechenden Kinder zu stark. Je weiter man von München weggeht, desto besser ist die Lage noch.
Manfred Schulz: Man darf nicht aufgeben. Diejenigen, die noch Mundart sprechen, sollten es weitergeben.
Hat sich das Verständnis zum Brauchtum verändert?
Gerhard Schober: Brauchtum und Tracht sollten eigentlich etwas Selbstverständliches sein, wie vielleicht noch am Schliersee oder in Berchtesgaden. In München oder im Landkreis Starnberg kann das auch ganz schnell problematisch werden.
Manfred Schulz: Es ist wichtig, das Brauchtum zu leben. Es gibt auch immer mehr Leute, die es gut finden, dass man Tracht trägt und Volksmusik macht. Das wird geschätzt.
Wie sieht es mit dem Heimatbegriff in der heutigen Zeit aus?
Gerhard Schober: Den Begriff Heimat sollte man mit Bedacht verwenden. Nicht jede schöne Landschaft, in der man wohnt, nicht jedes „Dahoam“ ist die Heimat. Man spürt sie oft erst richtig, wenn man sie verliert. Unsere Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen haben das sehr bewusst erleben müssen.
Manfred Schulz: Wir haben dieses Empfinden.
Welche Ziele und Lösungsansätze haben Sie?
Gerhard Schober: Nicht aufgeben! Vor drei Wochen erst habe ich das Landesamt für Denkmalpflege auf eine größere Anzahl wertvoller Objekte hingewiesen. Die gilt es unbedingt für die Zukunft zu bewahren.
Manfred Schulz: Es ist eine Daueraufgabe. Ich denke immer, eigentlich könnte ich es noch besser machen.