Starnberg:Kreativ und kunterbunt

Die Kulturwirtschaft im weitesten Sinne stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Landkreis Starnberg dar. Wie vielfältig die Branche ist, können Künstler, Musiker und Werbeleute bei einer Rundfahrt erleben. Man ist sich einig: Nächstes Jahr muss die Tour wiederholt werden

Von Christiane Bracht und Otto Fritscher

Von jeher gilt Kunst als brotlos. Generationen von Eltern haben deshalb ihre Kinder davor gewarnt. Doch stimmt das noch? Glaubt man dem Starnberger Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter, sind Kunst und Kultur ein echter Wirtschaftsfaktor - zumindest in der Metropolregion München. "Jedes Jahr machen die Kreativen mehr als 500 Millionen Euro Bruttowertschöpfung", erklärte er auf einer Besichtigungstour durch das Fünfseenland. Etwa 1000 Betriebe rechnet er zur Kreativbranche, die 3000 Arbeitsplätze im Landkreis bereitstellt. Allerdings: Zu den Kreativen zählen nicht nur Musiker und bildende Künstler, sondern auch diejenigen, die in der Werbebranche tätig sind, sowie Designer. Mit diesen Umsatzzahlen ist die Branche "auf Augenhöhe mit der Automobilindustrie" und hat eine "herausragende Bedeutung", so Jürgen Enninger, der Leiter der Kreativwirtschaft. Doch was ist das Erfolgsrezept? Auf der Tour besuchten etwa 50 Kulturschaffende fünf erfolgreiche Betriebe im Landkreis.

Café Freiraum

Maximilian Böhm betreibt mit seiner Frau seit 25 Jahren das Café Freiraum in Starnberg. Der Anfang war schwierig, sagt er. Die Güterhalle am Bahnhof, in dem er sein exklusives Möbelhaus mit Café eingerichtet hat, "war in erbärmlichem Zustand". Dort hausten Obdachlose. Es sollte schon abgerissen werden. Doch Böhm ließ sich nicht entmutigen. "In solch einer Situation ist es wichtig, dass man von der Kommune begleitet wird", sagte er und lobte die Unterstützung der Stadt. "Für Kreative müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden", denn sie müssen in den ersten Jahren viel investieren, und wenn sie scheitern, gibt es meist keinen zweiten Versuch. Böhms Mut wurde belohnt: Er hat inzwischen fünf Mitarbeiter und steht gut da.

Starnberg: Alexander Sorg von Ultratronik (vorne) und Designer Camillo König erläuterten den Kreativen aus dem Landkreis, wie bei Ultratronik und Imago-Design Programmierer und Designer Hand in Hand arbeiten.

Alexander Sorg von Ultratronik (vorne) und Designer Camillo König erläuterten den Kreativen aus dem Landkreis, wie bei Ultratronik und Imago-Design Programmierer und Designer Hand in Hand arbeiten.

(Foto: Arlet Ulfers)

Kunsträume am See

Immobilien zu finden, ist für Kreative oft das größte Problem. Die Starnberger Veranstaltungsmanagerin Elisabeth Carr sagt: "Ein Kunstraum findet sich überall dort, wo man ihn sucht." Und so findet sie für ihre Kulturveranstaltungen immer wieder neue ungewöhnliche Orte, die ihre Konzerte, Lesungen, Ausstellungen oder auch Shows einzigartig werden lassen. So hat sie etwa eine Fashionshow im Starnberger Recyclinghof organisiert und schwärmt noch immer von der "Magie", als die Mitarbeiter des Awista, die sonst den Müll entgegennehmen, auf die Bühne traten. Doch um so etwas zu machen, braucht man viele Gespräche und Überzeugungskraft. "Es ist ein Riesenapparat. Aber ich liebe es, Unmögliches möglich zu machen", sagt sie.

Druckerei Uhlenspiegel

Entstanden ist die Druckerei aus der Anti-Atombewegung, wie Geschäftsführer Christoph Merk den staunenden Kreativen erzählt. Noch immer ist Uhlenspiegel in Machtlfing nach Merks Aussage die einzige mittelständische Druckerei in Oberbayern, die sich streng an ökologischen Prinzipien orientiert. Was bei der Wasseraufbereitungsanlage beginnt und bei der Verwendung von zertifiziertem Papier nicht endet. Man könne es sich auch schon mal leisten, einen Auftrag abzulehnen, so Merk. Was für andere Kreative wie die Starnberger Fotografin Johanna Schlüter und die Gautinger Grafikdesignerin Yvonne So als Freiberufler nicht so leicht ist. "Kannste nicht mal schnell . . ." lautet das Motto der Diskussionsrunde, in der es um den Wert und Selbstwert der Arbeit von Kreativen geht. Gefälligkeiten für Freunde oder Bekannte könnten nur selten oder besser gar nicht gewährt werden, lautet das Fazit, damit entwerte man schließlich seine Arbeit. "Denn auch wenn ich bei einer guten Freundin eine Hochzeit fotografiere, gebe ich mir die gleiche Mühe wie bei einem normalen Auftrag", erläutert Schlüter, die nach dem Fotografiestudium erst am Anfang ihrer Karriere steht. Die Preisfindung, ist man sich einig, sei schwierig, einen Auftrag als zu billig abzulehnen, aber noch schwieriger. Als Richtlinien könnten die Preisempfehlungen der Berufsverbände dienen.

Starnberg: Die Tour wurde mit Oldtimer-Bussen gefahren.

Die Tour wurde mit Oldtimer-Bussen gefahren.

(Foto: Arlet Ulfers)

Kinobetreiber Matthias Helwig

Kultur wird - entgegen dem offiziellen Leitmotiv des Landkreises, das "wert-schätzend lautet - doch nicht überall wertgeschätzt. "Ich bekomme seit 30 Jahren Preise fürs Programmkino. Das ist der einen Gemeinde egal, und der anderen Gemeinde noch egaler", sagt Matthias Helwig, der sich zusammen mit Konstantin Fritz, der die Pressearbeit für mehrere Kultureinrichtungen macht, zu einer Gesprächsrunde in seinem Breitwand-Kino in Seefeld einfindet. Erst der Erfolg des Fünfseen-Filmfestivals, das im vergangene Sommer zehnjähriges Bestehen feierte, habe zu mehr Akzeptanz auch in den Gemeinderäten geführt. Ausnahme: "Landrat Karl Roth hat mich von Anfang an unterstützt." Fritz weist darauf hin, dass gerade solche "überregional beachteten Veranstaltungen wie das Filmfestival auf die ganze Region ausstrahlen". Er fordert die Unternehmen auf, sich verstärkt beim Kultur-Sponsoring zu engagieren. "Die Wirtschaft hat durchaus die Verpflichtung, die Kultur am Laufen zu halten."

Ultratronik und Imago Design

Software zu programmieren, ist die eine Sache, diese anwenderfreundlich zu gestalten und dann auch noch hübsch zu verpacken, die andere Sache. Leichter geht das natürlich, wenn die Hardware-Programmierer und die Industriedesigner unter einem Dach sitzen, wie das bei Ultratronik und Imago Design im Gewerbegebiet Gilching-Süd der Fall ist. Als Beispiel für ein solches Produktdesign führten Ultratronik-Chef Alexander Sorg und Designer Camillo König ein Gerät vor, mit dem ein Zahnarzt die Farbe von Zähnen für ein Implantat nicht mehr anhand von Farbvergleichsstreifen ermitteln muss, sondern mit einem Farbspektrometer genau messen kann. Dieser Wert dient dann dem Zahntechniker als Grundlage. "Beim Zahnarzt haben eh viele Angst vor den Gerätschaften, unseres macht keine Angst, sondern sieht aus wie ein Vögelchen", sagt König. Stimmt. Das Fazit zieht Musiker Erik Berthold: "Egal, was wir Kreative auch machen, wir haben alle ähnliche Schwierigkeiten, weil wir in einem Boot sitzen."

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