Radfahren in Starnberg kommt zuweilen einem Abenteuer gleich, und das hat seine Gründe: Jahrzehntelang stand die „autogerechte Stadt“ ganz vorn auf der Agenda, die Durchgängigkeit für den motorisierten Verkehr und Parkplätze in der Innenstadt zur Stärkung des Einzelhandels waren wichtiger als sichere Radwege. Doch das ist überholt: Die Stadtverwaltung holt Versäumtes nach, zunehmend prägen Fahrradstreifen, Radfahrzonen und -straßen in Wohngebieten das Stadtbild. Nun ist ein konfliktträchtiger Bereich in den Fokus geraten: der gut 300 Meter lange Abschnitt auf der Starnberger Seepromenade zwischen Seerestaurant „Undosa“ und Museumsunterführung. Dort müssen Radler neuerdings schieben, um Fußgänger nicht zu gefährden.
Die Mitglieder des Mobilitätsausschusses des Stadtrats staunten am Donnerstag nicht schlecht über eine Neuerung in Form eines Fußgänger-Piktogramms mit dem Text: „Radfahrer absteigen“, das dort seit Herbst angebracht ist. Freilich hält sich bislang kaum jemand an das Gebot, viele Radler fahren weiter; zumal in den Wintermonaten dort kaum kontrolliert wird. Im Ausschuss aber stellten sich Fragen: Wer hat das Aufbringen der Piktogramme veranlasst? Gibt es dazu einen Beschluss des Stadtrats? Und wie sind die gesetzlichen Vorgaben dazu? Was ist möglich, was zulässig?
Tatsächlich gilt die Seepromenade zuweilen als konfliktträchtige Meile, wo es an Wochenenden, Feiertagen und sonnigen Tagen zu Auseinandersetzungen zwischen Fußgängern und Radfahrern kommen kann. Zwar rasen nur wenige Biker rücksichtslos durch die Fußgängerströme; Eltern mit Kleinkindern, Senioren oder nebeneinander flanierende Gruppen könnten sich zu Recht gefährdet fühlen. Bei Stadtverwaltung und Polizei, die bestenfalls sporadisch kontrolliert, häufen sich Beschwerden über „Radl-Rambos“ vorwiegend im Sommer. Gleichwohl hält sich das Unfallgeschehen zwischen Undosa und der nördlich gelegenen Unterführung bisher in überschaubaren Grenzen, bestätigt Oliver Jauch, Verkehrsexperte der Starnberger Polizei. Der Abschnitt zwischen Museumsunterführung und Seespitz ist für Radfahrer ohnehin seit Langem tabu – und ausschließlich auf den nördlichen Teil der Promenade bezog sich der Stadtratsbeschluss von 2022.
Der ADFC lehnt die fahrradfreie Zone auf der Seepromenade zwischen Undosa und Museumsunterführung ab
Der Starnberger Fahrrad-Lobby indes geht die generelle Sperrung am Undosa zu weit. ADFC-Sprecherin Angelika Wahmke argumentiert, dass der Untere Seeweg und in Verlängerung auch der Abschnitt vom Undosa bis zur Unterführung offizieller Schulweg für das Einzugsgebiet der Schlossbergschule ist. Die Straße entlang des Seeufers ist für Radfahrer die sicherere Variante zur viel befahrenen Possenhofener Straße. Zudem müsse die Erreichbarkeit der Innenstadt für alle im Süden der Stadt wohnenden Bürger auf dem Rad weiterhin auf verkehrssicheren Wegen gewährleistet sein. Der ADFC lehnt die fahrradfreie Zone beim Undosa daher ab.
Im Ausschuss herrschte derweil Rätselraten darüber, wie die neuen Piktogramme, die ohnehin ein Reizthema in Starnberg sind, auf die Seepromenade gekommen sind. Kaum jemand im Gremium konnte sich am Donnerstag an einen Beschluss für ein Radfahrverbot am Undosa erinnern. Der ist allerdings auch schon zweieinhalb Jahre alt: Der Ferienausschuss hatte die Radwegeführung an der Seepromenade im August 2022 behandelt. Wegen Personalmangels im Ordnungsamt war die Angelegenheit allerdings zunächst vertagt worden. Nach eingehender Prüfung war man letztlich aber zum Ergebnis gekommen, dass statt des Hinweises „Radfahrer frei“ ein dauerhaftes Verbot für Radfahrer in diesem Abschnitt die einzig rechtlich zulässige Möglichkeit sei. „Dies wurde entsprechend umgesetzt“, heißt es dazu in der Beschlussvorlage. Warum die Mitarbeiter des Betriebshofs aber übereifrig ohne Beschluss auch den südlichen Bereich der Seepromenade markierten, ist unbekannt.

Dass es dabei bleibt, darf bezweifelt werden. Im Ausschuss regte sich Widerstand: Winfried Wobbe (UWG) plädierte für eine Rückkehr zur bisherigen Regelung, Ludwig Jägerhuber (CSU) will ebenfalls keine Sperrungen für Radfahrer und brachte eine Alternative ins Spiel. In Bernried habe man einen Kompromiss gefunden mit einem Piktogramm, das bedeutet: Fußgänger haben Vorrang, Fahrräder sind erlaubt. Der Vorschlag soll geprüft werden. Auch die Möglichkeit einer zeitlichen Beschränkung auf Wochenenden und Feiertage wurde diskutiert. Eher scherzhaft überraschte Franz Sengl (Grüne) mit der Idee für eine Beschilderung, die wohl einzigartig in Deutschland wäre: „Radl-Rambos absteigen“. Gleichwohl weiß er aus praktischer Erfahrung: Einen richtigen Radl-Rambo kann man damit auch nicht bremsen.