Süddeutsche Zeitung

Kabarett der Kolpingfamilie:Starnberg im Spiegel der Satire

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Nach vierjähriger Zwangspause kehrt das "Kasbrettl" zurück auf die Bühne: Die umjubelte Premiere mit dem Titel "Respekt!" findet vor ausverkauftem Haus statt: Ein Pflichttermin für echte Starnberger

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Das waren Zeiten, als Starnberg von einer Frau, die frühere Bürgermeisterin Eva John, regiert wurde: Da schlug man morgens die Zeitung auf und es wurde über so viel Ärger berichtet, dass die Kasbrettl-Autoren, ohne lange überlegen zu müssen, jede Woche ein neues Programm fürs Kabarett der Kolpingbühne Starnberg hätten schreiben können. Doch seit den Wahlen 2020 ist alles anders. Nun müssen sich die Textschreiber um Kasbrettl-Chef Thomas Beigel wirklich anstrengen, um neue Ideen zu finden. Seit Herbst vergangenen Jahres rauchten die Köpfe. Wie sollten sie das Programm für das Jahr 2023 erarbeiten, wenn kaum, noch was passiert in der Stadtpolitik? Nicht mal den Namen des aktuellen Bürgermeisters könnten sich die Starnberger merken.

"Jetzt ist der Bürgermeister ein Mann, aber den hat noch niemand gesehen und kennen tut den auch keiner", sagt der Starnberger Bürger (Thomas Beigel) auf der Bühne. Stattdessen tauche auf Terminen "eine aufgedonnerte Blondine in Leder-Kombi oder mit Hut" (Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl) auf. Nicht nur mit dem Sketch "Kennen Sie den Bürgermeister?" erntete das Ensemble bei der Premiere des neuen Programms "Respekt" am Donnerstag viel Gelächter und Zwischenapplaus im ausverkauften Pfarrzentrum. Witzig und überaus sympathisch stürzten sich die Freizeit-Kabarettisten auf die Besucher, denen anzumerken war, wie sehr sie die jährlichen Kasbrettl-Auftritte in der Corona-Zwangspause vermisst hatten.

Auch wenn das Ensemble diesmal nur wenig an der Stadtspitze zum Meckern fand und daher manchen Sketchen die gewohnte Spritzigkeit abging, sangen und klatschten die Besucher begeistert mit. Sogar Bürgermeister Patrick Janik, der die Kreisstadt mit ruhiger Hand eher im Hintergrund regiert und bei Google erst hinter Alt-Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger genannt wird, galt die Premiere als Pflichttermin. Ebenso wie seine Stellvertreterinnen Kammerl und Falk sowie einige Stadträte im Publikum amüsierte er sich prächtig.

Lange war das Kasbrettl-Ensemble nahezu unverändert geblieben, nach dreijähriger Corona-Pause - die bereits vorbereiteten Aufführungen für 2020 mussten abgesagt werden - ist es auf nur noch zehn Mitglieder dezimiert. Dennoch scheint die Kabarett-Gruppe keine Nachwuchssorgen zu haben: Langjährige Mitspieler - Waltraud Beigel, Andreas Weger, Bernhard Gawinski oder Sascha Decker (hervorragend als "Tomaso della Strunzi" und Sprachassistent Alexa) - agierten gewohnt souverän und treffsicher, perfekt integriert ins Team wurden die Neulinge Anita Baumer und Florian Beigel.

Wie immer haben die Kabarettisten über den Tellerrand hinausgeschaut. Insbesondere Umweltthemen - E-Scooter, die letzte Generation oder die "Rindviecher", die viel Methan erzeugen - wurden kritisch hinterfragt. Dennoch blieben die großen und kleinen Sorgen der Starnberger natürlich Hauptthema. Im Sketch "Dem Himmel so nah" lasen sie als ehrenamtliche Helfer der Kirchengemeinde ihrem "Chef" Stadtpfarrer Andreas Jall (Florian Beigel als "Don Jallo") die Leviten. Auf der Bühne wurde das Fresko der Pfarrkirche Sankt Maria an die Wand projiziert, in dem alle Köpfe durch Pfarrer Jall ersetzt worden waren und der Herr aus dem Off mahnt: "Hochmut kommt vor dem Jall." Neben bemalten Gehsteigen (See and the City) und alltäglichem Verkehrschaos wurde auch das magentafarbene Kunstwerk "Wiege von Starnberg" sowie die Saunahütten im Schwimmbad mit freiem Blick auf die Nackerten aufs Korn genommen. Dabei hat das Kasbrettl-Team den Starnbergern den Spiegel vorgehalten und den Finger in so manche Wunde gelegt. Die ließen sich das gern gefallen - und lachten.

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