Wie haben Leute früher eingekauft? Das konnte man am Sonntag im frisch renovierten Kaufhaus Biller beim Tag des offenen Denkmals erleben. Das Haus gehört seit 2023 dem Starnberger Unternehmer Bernd Krüger, dessen Söhne Laurenz und Severin nach der Renovierung den ersten Stock bewohnen. Severin Krüger nutzt zudem das Erdgeschoss für seinen Beruf als Restaurator alter Möbel und hat am Sonntag zur Besichtigung eingeladen. Besucher konnten unter anderem die originale klassizistische Inneneinrichtung bestaunen. Diese steht ebenso wie das Haus unter Denkmalschutz.
Gut gelegen an der Starnberger Hauptstraße betritt man nach der Renovierung einen völlig neuen Laden. Die Einrichtung steht an anderer Stelle und durch die geöffneten Fensterläden und die große Eingangstür dringt viel Licht in das alte Haus. Außerdem hat sich herumgesprochen, dass das Kaufhaus ausnahmsweise offen hat. Und so drängen sich um Punkt 10 Uhr schon die ersten Besucher durch das Erdgeschoss. Die meisten können sich noch an das geöffnete Geschäft und die emsige Besitzerin Gertrud Biller erinnern. Man schwärmt von alten Zeiten und vergleicht vor dem geistigen Auge die Unterschiede zu früher.
Das Haus ist eng mit der Geschichte Starnbergs und der Familie Biller verbunden. Schließlich gründete Johann Baptist Biller bereits 1804 einen Gemischtwarenladen im Jägerhuber-Haus (Josef-Jägerhuber-Straße 1) und zog 1857 in ein Gebäude am heutigen Standort. Dies fiel in eine Zeit großer Veränderungen: Durch den Bau der Bahnstrecke München-Starnberg war es 1854 auf einmal nur noch ein Katzensprung an den Starnberger See, der damals noch Würmsee hieß. Statt einer eintägigen Kutschfahrt war man nach ein paar Stunden bereits am See und konnte die dreckige, laute Stadt hinter sich lassen.
Genauso wie heute zog es die Menschen in die Natur. Auch kaufte Herzog Max in Bayern 1834 die Schlösser Possenhofen und Garatshausen und König Max II. 1850 die Roseninsel. In der Folge kauften immer mehr Bürgerliche und Adelige Grundstücke und bauten Villen. Die betuchten Herrschaften wollten nicht auf Annehmlichkeiten verzichten und so kam das Kaufhaus Biller gerade recht, in dem man Gewürze wie Nelken und Zimt oder kostbare Stoffe kaufen konnte.


Beinahe wäre das Kaufhaus zur NS-Zeit abgerissen worden, um eine breitere Hauptstraße zu ermöglichen. Dies konnte die damalige Inhaberin Berta Biller so lange hinauszögern, bis durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 kostspielige Infrastrukturprojekte gestoppt wurden. In den harten Jahren nach dem Krieg konnte man sich durch den Verkauf von Restposten über Wasser halten. Damals wurde auch Schießpulver und Feuerwerk im Dachgeschoss gelagert; schließlich war es normal bei Feierlichkeiten zu böllern.
Letzte Inhaberin war die besser als „Trudi Biller“ bekannte Gertrud Weiß, die sich auf den Verkauf von Textilien konzentrierte und bis zur Schließung 2013 den Laden betrieb. Mit ihrem Tod 2021 vermachte sie das Grundstück der Kirche, die das Anwesen 2023 an den Starnberger Heizungsunternehmer Bernd Krüger verkaufte. Nun hat sein Sohn Severin Krüger das Erdgeschoss des Hauses als Werkstatt bezogen. Er schloss 2018 seine Ausbildung zum Restaurator ab und widmet sich am liebsten Möbeln und anderen Holzeinrichtungen. Außerdem wohnt er zusammen mit seinem Bruder Laurenz Krüger in Wohnungen im Obergeschoss.

Bernd Krüger renovierte das Haus in der Folge. Zuerst mussten sie auf Genehmigung des Denkmalschutzes warten, der aber das meiste absegnete. Überraschenderweise durften straßenseitig drei große Dachgauben eingebaut werden, die nun mehr Licht in den dunklen Speicher lassen. Besonders aufwendig sei die Renovierung der Böden gewesen, sagt Severin Krüger. Über den alten Dielen befanden sich mehrere Schichten Spanplatten und Linoleum, die erst entfernt werden mussten. Dadurch wurden die wunderschönen alten Dielen sichtbar, die deutlich breiter als heutiger Belag sind. Auch hier bestand der Denkmalschutz auf Wiederherstellung des ursprünglichen Fußbodens.



Derweil ist die Kulturgestalterin Elisabeth Carr voll des Lobes über die Renovierung. Sie war bis zuletzt eng mit Trudi Biller befreundet und hatte als Kind im Haus gespielt. Sie kannte jeden Winkel und ist nun überrascht, wie sehr sich das Haus verändert hat. Besonders die blaue Wandfarbe fällt ihr auf. Diese sei zuvor mit drei Schichten Tapete bedeckt gewesen und man habe versucht, die alte Wandfarbe wiederherzustellen. Die Wand sieht aus, als hätte ein impressionistischer Maler mit einem großen Pinsel überlappende Striche gezogen. Bei der Restaurierung der Decke kamen außerdem beinahe verblasste Deckenmalereien zum Vorschein, die aus klaren Linien und Ornamenten bestehen.
Auffällig ist, dass die Theke nicht mehr den Raum dominiert, sondern mit einer neuen Platte versehen an der Südwand steht. Dort befand sich vorher ein Vitrinenschrank, der entfernt wurde und den Blick auf ein zuvor verdecktes Fenster freigibt. Stattdessen hängt an der Wand ein kleiner Wandschrank, an den sich Carr noch von früher erinnert und der Teil des ersten Kaufhauses von 1804 war. Sie war sich lange sicher, dass das Schränkchen noch existiert und wohl irgendwo im Stadel schlummere. Genau dort wurde es dann auch bei der Renovierung gefunden und ergänzt nun wieder die Einrichtung.

Wo zuvor die Theke in der Raummitte stand, sind noch die Dellen in den Fliesen und die Wölbung des Bodens sichtbar. Hinter dem großen Verkaufsraum befindet sich eine renovierte Küche und ein Badezimmer. Von den Fenstern sind nach der Restaurierung nur noch die Scheiben übrig. Die Innenfenster sind hingegen neu dazu gekommen und unbedingt notwendig, um die Räume besser zu isolieren. Dazu durfte auch nur eine Innendämmung angebracht werden, das Äußere des Hauses durfte nicht verändert werden. Ausgetauscht wurden auch die modernen Türklinken durch alte Kastenschlösser.
Der Tag des offenen Denkmals findet jedes Jahr am zweiten Sonntag im September statt.