Neue CD:Unkomplizierter Bluesrock

Ron Evans

Der Boss: Der 67-jährige Ron Evans war länger nicht mehr in Starnberg zu hören, nun kommt er mit seiner neuen Doppel-CD im Gepäck nach Inning.

(Foto: Rob Cale)

Der Sänger und Gitarrist Ron Evans, Engländer mit Wahlheimat Starnberg, hat einen Rückblick auf sein musikalisches Schaffen vorgelegt - das Doppel-Album "Retrospective"

Von Gerhard Summer, Starnberg/Inning

Der Gitarrist ist manchmal auch nur ein armer Hund. Kaum ist beim Soundcheck der erste dezente Akkord gespielt, schreit vom Mischpult her ein natürlich völlig inkompetenter Flegel: "viel zu laut". Kann ein Musiker, zumal ein empfindsamer, so arbeiten? Hätte sich ein heute zugegebenermaßen fast tauber Pete Townshend so was gefallen lassen? Wohl kaum.

Womöglich deshalb hat sich Ron Evans für eine überzeugende Strategie entschieden: Der Sänger und Gitarrist mit der Pferdeschwanz-Frisur ist Bandchef geworden. Was mindestens zwei Vorteile hat. Erstens werden es sich auch renitente Toningenieure genau überlegen, ob sie den Boss runterregeln. Und zweitens darf Evans natürlich so viele Solos spielen, wie er mag. Prima Sache. Wer sich seine neue Doppel-CD "Retrospective" anhört, ein Best-Of aus mittlerweile neun Alben, der wird zu dem Schluss kommen: Der 67-jährige Evans macht von dieser Freiheit sehr beherzt Gebrauch.

Sein kompakter und unkomplizierter Bluesrock mit simplen Texten, der Elemente von Jazz und Country aufnimmt und schon auch mal zur gefälligen Ballade tendiert, ist schon von daher im besten Sinne altmodisch: Kaum ein Song, der ohne Alleingang des Gitarristen auskommt. Manchmal dürfen es auch zwei Solos sein oder mehr, schließlich hat Evans, gebürtiger Engländer mit Wahlheimat Starnberg, ausgezeichnete Musiker an seiner Seite: den stets songdienlich, melodiös und markant spielenden Saxophonisten Steve Hooks zum Beispiel oder den Mundharmonika-Spezialisten Hubert Hofherr. Bei den beiden J.-J.-Cale-Covernummern "After Midnight" und "Cocaine" assistiert noch Calle Dürr an der Gitarre, der ansonsten mit der Sängerin Rickie Kinnen feingliedrige Singer-Songwriter-Musik macht. Und die Rhythmusgruppe groovt, dass es eine Freude ist. Am Schlagzeug ist meist Eberhard Wilhelm zu hören, am Bass in der Regel Wolfgang Graf, bei einigen Stücken auch Rodney Harley.

Bei so einer Besetzung kann eigentlich nichts schief gehen, oder? Ja und nein. Denn einerseits gibt es auf dieser Kompilation Stücke, die durchaus das Zeug zum Hit hätten, zum Beispiel das geradlinig vorantreibende "Rock is my Business" und, zum gleichen Thema, "Can't stop now", außerdem das eingängige "Lie to me" und ein paar gute alte Bluessongs. Andererseits zeigt sich gerade bei den Covernummern, dass Evans und seine Band dazu neigen, über die Vorlage in ihrem Stil drüberzubügeln. Gerade "Cocaine" lebt von seiner simplen und sparsamen Raffinesse, weniger ist in diesem Fall einfach mehr. Was macht Evans daraus? Eine deftige, auf neuneinhalb Minuten ausgedehnte Midtempo-Rocknummer mit spannenden Solos. Kann man machen, klar, wenn nur die Querflöte nicht wäre, die sofort an Jethro Tull denken lässt, so sehr man sich auch gegen diese Assoziation wehren mag. Das Gleiche bei "The Pusher", Hoyt Axtons Song über den skrupellosen Drogendealer, den Steppenwolf als düstere und fiese Kriegserklärung interpretiert haben. Evans geht das Stück in seiner Version wesentlich schneller an, wieder darf der am Saxophon so überzeugende Hooks vor sich hin flöten, und schon weicht die ganze gespenstische "Steppenwolf"-Stimmung hellem Neonlicht. Das ist dann mehr Kräuterzigarette als Crack.

So sehr Evans dem Old-School-Bluesrock verpflichtet ist, so sehr achtet er bei den zwischen 1997 und 2014 aufgenommenen Titeln auf Abwechslung. "Wake up" ist in der Reggae-Version verewigt, bei "Suspicious" werkeln Streicher, "Motherless Child" geht wie eine frühe Santana-Nummer los. Der Meister soliert dazu gern mit Wah-Wah und verzerrtem Ton. Und auch wenn Ron Evans nicht der raffinierteste, lockerste und einfallsreichste Gitarrist unter dieser Sonne sein mag - die rockigen, naheliegenden Licks sind seine Stärke.

Der umtriebige Bandchef ist in Australien aufgewachsen, in den Siebzigerjahren zog er als Discjockey durch Europa, in Starnberg hatte er sogar mal einen Plattenladen und sein Studio. Evans arbeitete mit dem wunderbaren Maffay-Gitarristen Frank Diez genauso wie mit Albie Donnelly von Supercharge zusammen. Mit dem Polt-Regisseur und Musiker Hanns-Christian Müller machte er "Radio Ikebana" auf, ein Digital-Label. Und er ist immer noch auf Achse, weil Rock bekanntlich keine Altersgrenze kennt. "Retrospective", den Rückblick auf sein Schaffen, stellt er am Samstag, 17. Oktober, 20 Uhr, in der Inninger Musikkneipe Spectacel vor. Karten kosten 15 Euro (Bestellung über spectacel-inning@gmx.de). Danach stehen Gastspiele im Habacher Village an, das zu den Stammkneipen des Engländers gehört (31. Oktober), und ein Konzert im Rockmuseum auf dem Olympiaturm (20. Februar). Im April 2016 geht's dann auf "Retrospective Tour".

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