Starnberg:In die Irre geführt

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Wie ein Wesen von einem anderen Stern: Ulrike Hogrebe und Klaus Hack flankieren eine Skulptur des Bildhauers aus Bayreuth. (Foto: Arlet Ulfers)

Ulrike Hogrebe und Klaus Hack zeigen ihre Arbeiten im Starnberger Bahnhof am See

Von Katja Sebald, Starnberg

Wo der Norden beginnt, das ist eine Frage der Perspektive, gerade in Bayern. Für manch einen Münchner beginnt er schon in Garching, für die übrigen Bewohner Oberbayerns jenseits des "Weißwurst-Äquators" und für manch einen Starnberger bereits am Bahnhof Nord. Und so konnte es wohl geschehen, dass die Malerin Ulrike Hogrebe, geboren in Münster, und der Bildhauer Klaus Hack, geboren in Bayreuth, in der Ausstellungsreihe "Nah - fern" im Starnberger Bahnhof am See als "Nordlichter" ausstellen dürfen. Von "fern" sind sie zumindest angereist, denn sie leben beide in Brandenburg.

Die beiden Künstler zeigen ihre Arbeiten in einer gemeinsamen Ausstellung in der ehemaligen Schalterhalle. Ulrike Hogrebe, Jahrgang 1954, war zum Studium nach Berlin gegangen, sie lebt heute in der Nähe von Berlin auf dem Land. In ihren Bildern schlägt sich das Stadtleben ebenso nieder wie das Landleben - vor allem aber geht es um den Menschen und seine Geschichten. Die vier großen, nahezu quadratischen Leinwände bestehen zunächst aus ruhigen, teils nebeneinander liegenden, teils gestaffelten Farbfeldern, die keine Perspektive suggerieren wollen. Die Künstlerin geht mit starken Farben ebenso gekonnt sparsam um, wie sie zeichenhaft reduzierte Motive einfügt. Souverän bewegt sie sich im Grenzland zwischen Figuration und Abstraktion. Und so entspinnt sich erst nach und nach die Geschichte, die etwa das Bild "Am Fenster" erzählen will: sanfte gelbe Lichtflächen, eine Vase auf dem Fensterbrett, aber nur vielleicht, und dann noch die winzige Andeutung einer Katze, wie ein Graffiti eingefügt in die leise poetische Welt dieses Bildes. Spannungsvolle Ruhe strahlt das Bild "Großer Wagen" mit seinen starken Schwarz-Weiß-Kontrasten aus, formal bildet es einen Gegenpol zur Bewegtheit der "Stadt bei Nacht".

Auf der Leinwand wie auch auf dem Papier verführt Ulrike Hogrebe den Betrachter mit kleinen, zeichenhaften geheimen Botschaften, die sie ihm mal mehr, mal weniger verschlüsselt übermittelt. Ihre Zeichnungen wirken auf den ersten Blick fast wie harmlos-heitere Piktogramme, wie vereinfachende und erläuternde Darstellungen oder Handlungsanweisungen. Auf den zweiten Blick aber verbergen sie mehr als sie erklären, sie führen in die Irre und in die Tiefe surrealer Traumwelten. Der Künstlerin gelingt es, Ereignisse gerade so weit anzudeuten, dass der Betrachter selbst die Geschichte suchen muss - und immer wieder ist es die Geschichte seines eigenen Menschseins.

Als Sinnbilder für das Menschsein, für das Zurückgeworfensein auf sich selbst, darf man wohl auch die Holzskulpturen von Klaus Hack verstehen. 1966 in Bayreuth geboren, studierte er zunächst in Nürnberg und dann in Berlin Bildhauerei. Seine Lehrer waren Lothar Fischer und Rolf Szymanski. Fast alle seine Arbeiten sind figürlich, selbst seinen "Turmbau zu Babel" könnte man als bewegte "Turmfigur" auffassen. Abstrahiert zwar und durch fehlende Gesichter in gewisser Weise entindividualisiert, sind diese Figuren doch in höchstem Maße expressiv, sie scheinen für bestimmte Lebenssituationen, für Aufbruch oder Bedrängnis, für Angst oder Geborgensein, für Wunschträume ebenso wie für Albträume zu stehen. Anlass und Herführung geraten jedoch im Lauf der Arbeit meist in den Hintergrund, erläutert der Künstler. Es entstehen kraftvolle Figurenzeichen, die noch von dem Stamm erzählen, aus dem sie herausgeschnitten wurden, und die den Charakter des Holzes nicht verleugnen, obwohl sie alle zuletzt mattweiß gefasst werden.

Klaus Hack beginnt die Arbeit mit der Motorsäge, deren Spuren in manchen Partien bis zum Schluss sichtbar bleiben. Dann wird sein Werkzeug immer kleiner, stark strukturierte Oberflächen sind allen seinen Arbeiten gemeinsam. Seine "Fährfrau" trägt einen geringelten Badeanzug, dessen Muster in feinen Linien eingeschnitten wurde. Die Durchbrüche, Einschnitte und Aushöhlungen für Zopffrisuren, Kronen, Trompetenohren, Tanzbewegungen und Turmarkaden sind zuweilen sehr filigran, dennoch wirken die Skulpturen kräftig und archaisch geerdet, sie sind raumgreifend und raumbestimmend, aber zugleich zart und anrührend.

Die Ausstellung im Starnberger Bahnhof See dauert bis 1. Mai 2016. Öffnungszeiten: Freitag bis Sonntag 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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