Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Immer mehr Senioren sind arm

Während die Zahl der Sozialhilfeempfänger im vergangenen Jahr erstmals gesunken ist, sind immer mehr Rentner im Landkreis auf Grundsicherung angewiesen. Viele Asylbewerber haben Arbeit gefunden

Von Sabine Bader, Starnberg

Häufigste Ursache für Armut ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit. Darum kommt dem Kampf gegen Arbeitsplatzabbau trotz der vergleichsweise geringen Arbeitslosenquote im Landkreis von 2,3 Prozent nach wie vor eine sehr hohe Priorität zu. "Das ist so, auch wenn praktisch Vollbeschäftigung herrscht", sagte Sozialamtsleiter Friedrich Büttner.

Ein Fazit, das sich aus dem Sozialbericht des Landkreises für 2019 ziehen lässt, den Büttner am Mittwoch ihm Sozialausschuss vorstellte. Und noch ein Ergebnis lässt sich ablesen: Das Armutsrisiko steigt mit zunehmendem Alter. Haben 2004 noch 315 Landkreisbürger Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen, so sind es 2018 bereits 723 Bürger, was einer Steigerung von fast 130 Prozent gleichkommt. Insgesamt zahlte der Landkreis im vergangenen Jahr 5,2 Millionen Euro Grundsicherung an Leute aus, die älter als 65 Jahre sind, rund acht Millionen Euro flossen an Arbeitssuchende unter 65 Jahren.

Seit 2016 sind Männer häufiger von Armut betroffen als Frauen. Ursache hierfür ist die Zuwanderung von mehrheitlich männlichen Asylbewerbern, die nach Anerkennung als Asylberechtigte Grundsicherung beziehen.

Gleichzeitig ist die Arbeitslosenquote rückläufig, erläuterte der Chef des Jobcenters, Gerhart Schindler. Waren Anfang 2018 noch 719 Menschen, die auf Stellensuche sind, im Starnberger Jobcenter registriert, so betrug die Zahl der Arbeitslosen zum Ende 2018 nur noch 563 Personen. Aufgrund der guten konjunkturellen Lage konnten laut Bericht auch viele Asylbewerber in Jobs vermittelt werden.

Was die Langzeitarbeitslosen angeht, das sind Menschen, die sechs Jahre und länger ohne Job sind, konnte Schindler ebenfalls Erfolg vermelden: In den vergangenen vier Monaten konnte er acht Personen an Firmen vermitteln. Die Firmen erhalten in den ersten fünf Jahren zwischen 100 und 70 Prozent der Kosten vom Jobcenter ersetzt. Was das Ganze angeht, übt Schindler Kritik an der öffentlichen Hand - sprich an Gemeinden und Landratsamt. "Trotz aller Bemühungen hatten wir hier keinen Erfolg. Das enttäuscht mich."

Im Dezember 2018 bezogen 2517 Landkreisbürger Leistungen des Jobcenters - davon bekamen 1741 Bürger Arbeitslosengeld II und 776 Sozialgeld. Das entspricht 185 Leistungsempfängern je 10 000 Einwohner. Damit liegt der Landkreis Starnberg um sieben Prozent unter dem Durchschnitt der Landkreise in der Region. Für den Landkreis lässt sich feststellen: Der Trend zu mehr Leistungsempfängern in den Jahren 2016 und 2017 hat sich 2018 umgekehrt.

Dies macht sich auch in den Kosten für Unterkünfte bemerkbar, die überwiegend vom kommunalen Träger finanziert werden. So hat der Landkreis mit 7,9 Millionen Euro um 354 000 Euro weniger aufwenden müssen, als dies noch 2017 der Fall war. Das macht einen Rückgang um 4,25 Prozent. Natürlich spiegelt sich das hohe Mietniveau im Fünfseenland auch in den Ausgaben für Wohnung und Heizung wider. So haben laut Bericht nur die Landkreise Fürstenfeldbruck und mittlerweile auch Ebersberg vergleichsweise höhere Kosten für Unterkünfte zu tragen. Die hohen Mieten im Fünfseenland sind also letztlich dafür verantwortlich, dass der Landkreis Starnberg im kommunalen Vergleich trotz der relativ geringen Anzahl an Hilfsbedürftigen überdurchschnittlich hohe Ausgaben für Unterkünfte und Heizung zu schultern hat.

Der Sozialbericht macht auch deutlich, dass immer mehr Bürger im Landkreis Probleme haben, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld auch auszukommen und so tief in den roten Zahlen stecken, dass sie die Schuldnerberatung aufsuchen. Das ist nicht neu: In den vergangenen zehn Jahren sind die Klientenzahlen in der Beratung kontinuierlich gestiegen - von 382 im Jahr 2009 auf zuletzt 496. Allein im Verlauf des vergangenen Jahres hatten 28 Bürger mehr die Fachleute aufgesucht, als das noch 2017 der Fall gewesen war. Nicht erfasst in der Statistik sind die telefonischen Kurzberatungen. Im vergangenen Jahr führten die Mitarbeiter immerhin 162 Gespräche. Als häufigste Ursache für ihre Überschuldung geben 22 Prozent der Betroffenen ein zu geringes Einkommen an. 20 Prozent der Schuldner nennen Krankheit als Ursache und 17 Prozent Arbeitslosigkeit. Trennung und Scheidung wird von 16 Prozent der Bürger angeführt.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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