Sie hat mit nur 20 Jahren und als Studentin den renommierten Internationalen Henryk-Wieniawski-Violinwettbewerb 2016 in Polen gewonnen. Das sagt schon eine Menge über die Fähigkeiten der in der Türkei geborenen Georgierin aus. Zumal es nicht der erste Wettbewerb war, den Veriko Tchumburidze für sich entscheiden konnte. Eine Guadagnini-Geige von 1756, Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben, macht es ihr seit vergangenem Jahr nun auch möglich, in der Oberliga mitzuspielen. Der Weg ist nicht mehr weit, eher beschwerlich, doch die junge Geigerin, die zu den Starnberger Musiktage ihr Rezital im gut gefüllten Wartesaal des Bahnhofs am See gab, beging ihn hier schon mal mit tiefer Konzentration und erstaunlicher Selbstsicherheit.
Das Repertoire, das sich die Meisterschülerin der grandiosen Didaktikerin und Pädagogin Ana Chumachenco vorgenommen hatte, war nicht einfach. Ganz im Gegenteil: Tchumburidze trat an, das Publikum im Sturm zu erobern. Und das sollte ihr mühelos gelingen, scheint ihr spieltechnisches Können doch keine Grenzen zu kennen. Das machte sie mit so virtuosen Werken wie "Paganiniana" deutlich, das der legendäre Geiger Nathan Milstein aus Paganini-Themen in bravourösen Variationen arrangiert hatte: mal fahrig hingeschmettert, im zurückgenommenen Mittelteil vibrierend vor Intensität, dann wiederum mit satten Akkorden geklotzt. Tchumburidze verfügt über ein reichhaltiges Potenzial an differenzierenden Charakteristiken, die sie üppig ausspielte, wenn auch selten im lyrischen Spektrum.
Ihr Thema war vielmehr der hochemotionale Gesang mit wuchtig-schmissigem Zugriff und die technische Herausforderung. Ein Musterbeispiel dafür: die Interpretation von Ernest Blochs Solo-Suite Nr. 1, die der Komponist mit Rückgriffen aufs Bach'sche Präludieren angereichert hatte. Tchumburidze sorgte hier mit leidenschaftlichem Sinnieren und zärtlichem Aussingen zumindest kurzzeitig auch für überraschende Momente.
Stilistische Rückgriffe fanden sich vor allem bei Eugène Ysaÿe in dessen Sonata op. 27/2, die streckenweise glatt als eine Bach-Partita durchgehen würde. Wie schon bei Bloch, begeisterte Tchumburidze insbesondere im ruhigen "Malinconia" mit transparenter und unabhängig voneinander phrasierter Führung der kontrapunktischen Stimmen. Mitreißend schmetterte die Geigerin im "Danse des ombres" einen musikantischen Volkstanz über einem gerade noch gepflegten Bordun. Ja, Tchumburidze findet schon gezielt das richtige Maß und im Verhältnis zum Ganzen auch spannungsreich ausbalancierte Proportionen, die in ihrem spektakulären Auftritt die Überpräsenz an Virtuosität und Fingerakrobatik angemessen der Musikalität nachstellten.
Diese dramaturgisch genutzte Balance machte sich am deutlichsten in den "Mythen" op. 30 von Karol Szymanowski bemerkbar. 1915 in der besonders vom Impressionismus und von Strawinsky geprägten Phase des Komponisten entstanden, boten die drei klassisch-mythologischen Bilder viel Material, feinsinnig sich wandelnde Farben und Stimmungen zu kreieren. Zumal mit Mamikon Nakhapetov ein so empfindsamer wie temperamentvoller Pianist an Tchumburidzes Seite trat. Erregt flirrendes Sinnieren, wie es auch bei Milstein als Tremolo auftrat, konnte schon mal geisterhaft daherkommen oder sich in zartes Schwirren verwandeln. Hatte Tchumburidze in Kreislers Rezitativ und Scherzo-Caprice op. 6 schon zu Beginn Temperament und Leidenschaft ungarischer Art geweckt, so schloss sie in der erjubelten Zugabe mit Kreislers Zigeuner-Capriccio feurig den Kreis.