Starnberg:Idylle mit Kanu

Das Midgardhaus in Tutzing ist der Lieblingsplatz des Komponisten, Produzenten und Musikers Leslie Mandoki, den es vor 18 Jahren in das einstige Fischerdorf verschlagen hatte.

Gerhard Summer

Tutzing Mandoki

Im Midgardhaus fühlt sich der Musiker Leslie Mandoki wohl. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

TutzingEr war viel zu früh dran, und im Nachhinein erwies sich das als Glücksfall. Peter Maffay hatte Leslie Mandoki nach Tutzing eingeladen, das dürfte jetzt 19 Jahre her sein. Und weil sich Mandoki "mit der Fahrzeit vertan hatte", setzte er sich erstmal in den Biergarten des Midgardhauses. Es war ein früher Septembertag, so gegen halb fünf. Altweibersommer. Ein Mann paddelte mit seinem Kanu vorbei, er hatte seinen Sohn dabei und einen Grill im Boot. Nichts Besonderes, so ein Ding, wie man es an Tankstellen kaufen kann. Und darauf brutzelten Nürnberger Rostbratwürste. Mandoki erinnert sich noch daran, was ihm damals durch den Kopf ging: "Was für eine unglaubliche Idylle." Aber wohl eher nichts für ihn, den durch und durch "urbanen Menschen", den Komponisten und Schlagzeuger, der in Budapest aufgewachsen und 1975 durch den Karawankentunnel in die Freiheit geflohen war.

Natürlich kam dann alles anders als gedacht. Mandoki, früher der unfreiwillige Vorzeige-Mongole von "Dschingis Khan", zog mit seinem Park-Tonstudio nach Tutzing, weil er am alten Standort, einem denkmalgeschützten Gebäude in Harlaching, nicht mehr erweitern konnte. Das einstige Fischerdorf wurde seine Heimat und Fritz Härings Midgardhaus am See sein Lieblingsplatz. Damals erklärten ihn Produzenten und Musiker für verrückt. Denn Rock'n'Roll, Soul und Jazz, das hatte doch mit Metropolen zu tun und rein gar nichts mit Landpartien. Aber nach und nach trudelten dann doch alle in Tutzing ein, ob Phil Collins oder Lionel Richie.

Längst gehört Mandoki, das 60-jährige Kraftpaket mit dem Walrossschnauzer und der leicht wirren 70er-Jahre-Frisur, zu den viel beschriebenen Phänomenen dieser Republik. Er ist zum "Kapellmeister" der Nation geworden, titelte der Playboy, und zum Werbetrommler. Denn Audi und VW setzen, wenn es um Soundtracks und Jingles geht, seit Jahren auf Mandoki. Zur 100-Jahr-Feier von Audi schrieb der Musiker, der am Konservatorium in Budapest studiert hat, Béla Bartók schätzt und nebenbei Streichquartette komponiert, sogar eine ausladende Symphonie. Er arbeitete für Disney und den FC Bayern. Und er produzierte Wahlkampf-Songs für Kanzlerin Angela Merkel und die CDU.

Nebenbei schafft er es noch regelmäßig, für seine "Soulmates"-Projekte eine All-Star-Besetzung mit Ian Anderson (Jethro Tull), Steve Lukather (Toto), Jack Bruce (Cream), Al Di Meola und anderen aus dem Hut zu zaubern. Fast schon unnötig zu erwähnen, dass seine Tonstudios in Tutzing zu 99 Prozent ausgelastet sind, vorwiegend entsteht dort Filmmusik, "wir arbeiten in zwei Schichten". Es ist der größte Tonstudiokomplex auf dem europäischen Kontinent, nur in London gibt es noch größere. Leslie Mandoki, der Mann für die Superlative also. Das trommelnde Gesamtkunstwerk. Der Musterschüler unter den Unternehmern, der fast so schön wie Edmund Stoiber über Bayern schwärmt und nach der Maxime handelt "Lebe Träume und träume nicht Leben".

Das Midgardhaus ist für den Musiker, der selbst gerne kocht, zum zweiten Zuhause geworden. Er schätzt die "wunderbare Möglichkeit, sich dort schnell zu entspannen", zumal es sein Freund Häring schaffe, Geselligkeit mit exzellenter Küche zu verbinden. Härings Apfelstrudel etwa sei der "Hauptschuldige an meinem Übergewicht". An seinem Lieblingsplatz ist er entweder an einem Ecktisch in der Stube oder im Wintergarten anzutreffen. Mit der Speisekarte hält er sich gar nicht erst auf. Meist eilt er ins Allerheiligste, fragt die Köche, was frisch reingekommen ist, und sagt ihnen, wie er was zubereitet haben will. Im Midgardhaus haben sich schon Maffay, Donovan und er vor einer Aufnahme warmgespielt. Im Biergarten saßen Mandoki und Phil Collins mit Sonnenbrillen und Kappen und diskutierten über die Musik für "Tarzan", weil sie keine Lust darauf hatten, den aus Kalifornien angereisten Vorständen von Disney im Lokal zu begegnen.

Kurz nach seinem Umzug hat sich Mandoki auch ein Kanu angeschafft. Auf einer Bootsbauermesse in Riem bestellte er das größte Modell, das zu haben war. Mit den Kindern ist er damit oft zur Roseninsel gepaddelt; manchmal komponiert er auf dem See, wenn er wieder an Land geht, macht er das Kanu zwischen den zwei Löwen des Midgardhauses fest. Und einen kleinen Grill gibt es natürlich auch. "Ich wollte dieses Bild haben", sagt Mandoki, und dabei blitzen seine Augen.

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