Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Der Bayerische Hof ist abbruchreif

Seit mehr als 150 Jahren prägt das Haus das Stadtbild. Nun erklärt der Kreisbaumeister, dass eine Sanierung teurer wäre als ein Neubau.

Von Peter Haacke

Der traditionsreiche "Bayerische Hof" in Starnberg steht vor dem Aus: Das 1865 als erstes Hotel am Bahnhofsplatz errichtete Gebäude ist so marode, dass eine weitere Nutzung voraussichtlich von kommender Woche an untersagt wird. Der Stadtrat befasste sich in nichtöffentlicher Sitzung erstmals seit 2014 wieder mit der Angelegenheit; die Probleme mit der Bausubstanz sind schon seit Jahren bekannt. Haus und Grundstück sind im Eigentum der Stadt. Mittlerweile aber hat sich der Zustand des 155 Jahre alten Gebäudes derart verschlechtert, dass ein Abriss unausweichlich scheint: Eine Sanierung des bislang noch unter Denkmalschutz stehenden Hauses ist nicht mehr wirtschaftlich. Der Stadtrat beschloss daher bereits am Montag, den Betrieb des Hotels sowie der Gaststätte "Griechische Taverna" mit sofortiger Wirkung zu beenden, sofern auch das Landratsamt voraussichtlich am Montag wie erwartet eine Nutzungsuntersagung anordnet.

Dass sich der "Bayerische Hof" in einem erbärmlichen Zustand befindet, ist kein Geheimnis. Statiker Ernst Schilcher aus Pöcking hatte nach einer Besichtigung bereits im Februar 2012 ein vernichtendes Urteil gefällt. Auch das Landratsamt stellte seinerzeit fest, dass die Nutzung des Hotels in Teilbereichen "eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Hotelgäste als auch der Angestellten mit sich bringt". Insbesondere der marode Dachstuhl unter einem Blechdach ohne Feuchtigkeitssperre, der nur notdürftig die von Holzwürmern zerfressene Konstruktion stützt, birgt ein enormes Risiko: Sollte es einen Winter mit starkem Schneefall geben, wie er zuletzt etwa in Südtirol und Österreich vorkam und auch in Bayern nicht unbekannt ist, könnte das Gebäude unter der Last zusammenbrechen - ein Horrorszenario, für das im Zweifel wohl niemand die Verantwortung übernehmen wollte. Derzeit ist das Haus coronabedingt ungenutzt.

Die Mängelliste ist lang: Erhebliche Brandschutzmängel führten bereits im Oktober 2011 zur Nutzungsuntersagung für Dachgeschoss und zweites Obergeschoss. Der provisorisch gesicherte, morsche Dachstuhl wurde offenbar mit krebserregenden Insektenschutzmitteln behandelt. Ein Balkon im Obergeschoss ist nur notdürftig mit Holzbalken abgestützt. Um ein Herabfallen verfaulter Dachsparrenteile zu verhindern, wurden Netze aufgespannt, für nichttragende Innenwände, Holzbalkendecken und Treppen wären dringend Sicherungen notwendig. Eine Decke im Speisesaal hat sich unter einer Kiesschicht um bis zu zehn Zentimeter gesenkt.

Damit nicht genug: Die alte Heizungsanlage weist gravierende Mängel auf, der Zustand der Leitungen ist kritisch, dasselbe gilt für die gesamte elektrische Verkabelung im Haus. Der Zustand der Gasleitungen ist ungewiss. Überdies gibt es hygienische Mängel: In den Wasserleitungen haben sich Legionellen eingenistet, im Winter 2014/15 erkrankte daran sogar ein Gast, heißt es in einer Notiz des städtischen Bauamtes an die ehemalige Bürgermeisterin Eva Pfister (vormals John).

"Da die gravierenden Mängel uns vollumfänglich bekannt sind, ist ein Haftungsausschluss nicht möglich", teilte die Bauabteilung 2015 mit. "Unabhängig von der Haftungsfrage besteht aber eine konkrete Gefahr für die Nutzer des Gebäudes. Auch weitere Schäden an Leib und Leben der Nutzer sind aufgrund der geschilderten Mängel jederzeit möglich. Gar nicht ausmalen möchte man sich die Folgen z.B. eines Brandes aufgrund eines Kurzschlusses in der mangelhaften und uralten Elektroinstallation."

Der Stadtrat stützt sich in seiner aktuellen Entscheidung auf die jüngsten Erkenntnisse von Fachleuten, die das Haus am 9. November und 8. Dezember inspizierten. Bei der anschließenden Besprechung, an der neben den Pächtern auch Kreisbaumeister Christian Kühnel, Stadtbaumeister Stephan Weinl sowie Vertreter der städtischen Bauabteilung teilnahmen, äußerte Kühnel höchste Bedenken: Statik, Brandschutz und Haustechnik stellten eine erhebliche Gefahr für Besucher dar. Die weitere Nutzung des Gebäudes sei unzulässig und wird ausdrücklich verneint. Und eine notdürftige Sanierung mit Kosten, die im Jahr 2012 im günstigsten Fall noch vage auf 1,2 Millionen Euro geschätzt wurde, komme nicht in Frage. Kühnel kommt zum Schluss: "Eine Sanierung des Gebäudes übersteigt offensichtlich die Kosten eines Neubaus, da die Decken ersetzt werden müssten, was einer vollständigen Entkernung des Gebäudes gleichkäme."

Weder für Statik-Experte Schilcher noch für altgediente Mitglieder des Stadtrates dürfte diese Einschätzung überraschend sein. Schilcher stellt in seiner jüngsten Stellungnahme zum Zustand des Gebäudes fest, dass in einigen Bereichen des Hotels vom Pächter zwar mit hohem finanziellen Aufwand Arbeiten durchgeführt wurden, "die aber leider nicht sicherheitsrelevant sind". Die "Standsicherheit tangierenden Schäden" seien nicht beseitigt worden - und damit stelle sich die Situation "schlechter dar als vor acht Jahren".

Damals hatte Alt-Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger versucht, in Kombination mit der Alten Oberschule eine Lösung für das Areal zu finden: Auf der Wunschliste stand eine millionenschwere Sanierung des Gebäudes mit erweiterter Hotelnutzung. Doch das Thema wurde vom Stadtrat zunächst vertagt - und verschwand dann komplett in der Schublade. In einer Aktennotiz an die damalige Bürgermeisterin vom 10. September 2015 empfiehlt die Bauverwaltung angesichts der geschilderten Risiken allerdings: "Keine Verlängerung des Pachtvertrags, da eine Sanierung im laufenden Betrieb nicht möglich ist." Doch die Warnung blieb ohne Folgen. Verträge wurden verlängert, der Stadtrat aber wurde weder über den Bericht der Bauverwaltung noch über die Pachtverträge informiert, wie sich erst jetzt herausstellte.

Angesichts der düsteren Aussichten für den "Bayerischen Hof", der nun womöglich mit einem Bauzaun abgesichert werden muss, werden sich die Stadträte wie zuletzt vor acht Jahren Gedanken machen müssen. Eine Sanierung erscheint trotz Denkmalschutz ausgeschlossen. Zur Debatte stehen somit erneut ein Verkauf und ein Neubau, der im Idealfall zumindest das Aussehen des alten Hotels hätte. Im Raum stehen zweistellige Millionenbeträge, konkrete Ideen gibt es bislang jedoch nicht. Aus dem Starnberger Rathaus gab es auf Anfrage in diesem Zusammenhang noch keine Stellungnahme: Bürgermeister Patrick Janik erwartet am kommenden Montag eine Entscheidung vom Landratsamt.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2020
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