Gegen 3.30 Uhr am Samstagmorgen ist Maximilian Wastian aus dem Schlaf gerissen worden. Der Funkwecker – ein Unfall! Der Kreisbrandinspektor ist also aufgebrochen. Und hat beim Blick aus dem Fenster gesehen: Es geht los! Denn Wastian wohnt in der Nähe des Reßbachs in Unterbrunn – und der hat da schon deutlich mehr Wasser geführt als normal. Auf dem Weg zu seinem Einsatz hat Wastian die Kollegen alarmiert. Und seitdem kämpfen die 43 Feuerwehren im Landkreis Starnberg nahezu ununterbrochen dafür, dass die starken Regenfälle der vergangenen Tage so wenige Schäden wie nur irgend möglich anrichten.
Die gute Nachricht: Die Einsatzkräfte scheinen damit erfolgreich gewesen zu sein. Denn die ganz großen Schäden sind ausgeblieben. Zwar gab es zahlreiche vollgelaufene Keller und Tiefgaragen, gesperrte Straßen und einige über die Ufer getretene Gewässer. Aber: „Die ganz großen Schäden konnten wir verhindern“, bilanziert Wastian. Dafür waren er und seine Kollegen im gesamten Landkreis unterwegs. Kaum eine Gemeinde war nicht von zumindest kleineren Folgen der Wassermassen betroffen. Das Landratsamt hat die Unwetterwarnung inzwischen zwar aufgehoben, doch die Hochwasserwarnung gilt weiterhin.
Hochwasser:Donau-Pegel sinken
Der Wasserstand geht langsam runter, in Regensburg wurde der Katastrophenfall beendet, ebenso in Passau. Die Europawahl verlief in den von der Flut betroffenen Gebieten reibungslos.
Neben dem Reßbach in Unterbrunn beschäftigte die Einsatzkräfte vor allem der Fendlbach in Herrsching, der zwischenzeitlich aus seinem Bett ausgetreten war. Am Samstagabend wurde dann auch Alarm am Klostermeier-Weiher in Maising geschlagen: Hier wurde ebenfalls eine „Ausuferung“ befürchtet, wie es im Feuerwehrjargon heißt. Den Einsatzkräften gelang es aber auch hier, das Wasser rechtzeitig abzupumpen und so größere Überschwemmungen zu verhindern.
Neben der Pumpanlage des Landkreises setzten die Feuerwehren vor allem auf Sandsäcke. Unter Mithilfe der Bevölkerung und Unternehmen wie der Firma Strobl in Frieding, die ihre Halle und Mitarbeiter zur Verfügung stellte, wurden im Laufe des Wochenendes 5500 Sandsäcke befüllt, die unter anderem in Tutzing am Traubinger Bach zum Einsatz kamen. „Dadurch konnte Schlimmeres verhindert werden“, sagt Wastian. Allein in Tutzing wurden mehr als 2000 Säcke befüllt. Bürgermeister Ludwig Horn hatte angesichts bedrohlich anschwellender Bäche und einer ausgelasteten Kanalisation die Bürger über die sozialen Medien zum spontanen Hilfseinsatz aufgefordert.
Am Sonntag entspannte sich die Lage weitgehend. Ohnehin hatte Starnberg im Gegensatz zu anderen Landkreisen Glück. Neben dem Einsatz der fast 1000 Feuerwehrleute, die wie ihre Kollegen von Polizei, Wasserwacht, Bundeswehr und Technischem Hilfswerk mitunter 20 Stunden am Stück im Einsatz waren, hatte dabei auch das Wetter seinen Einfluss: Die befürchteten weiteren Regenfälle verschonten den Landkreis.
Dennoch bleibt die Lage angespannt, die Pegelstände an der Würm beobachten Wastian und seine Kollegen genau. „Das wird ein Thema für die nächsten Tage“, sagt der Kreisbrandinspektor – das dürfte vor allem für die Würmtalgemeinden Gauting, Krailling und Planegg gelten. An der Messstelle Leutstetten hatte die Würm am Samstag zwischenzeitlich die Meldestufe 3 erreicht, am Sonntag blieb es vorerst bei Meldestufe 1.
Auch an den Seen stehen die Wasserstände unter Beobachtung. Am Starnberger See stieg der Pegel am Sonntag weiter an: Das Wasser stand knapp 1,20 Meter über der Nullmarke und wird voraussichtlich die Meldestufe 1 erreichen. Am Ammersee dagegen hat der Pegel in Stegen bereits die Meldestufe 1 erreicht. Das Wasser steigt weiterhin, jedoch wird die Meldestufe 3 voraussichtlich nicht überschritten, teilte der Hochwassernachrichtendienst Bayern mit.
Die Überschwemmungen haben auch den Bahnverkehr in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen waren sowohl Fern- als auch Regionalverkehr, teilte die DB mit. In Oberbayern stoppte die DB wegen Hochwassers vorübergehend den Zugverkehr zwischen Murnau und Garmisch-Partenkirchen sowie zwischen Tutzing und Weilheim. Auf den Straßen kam es zu einem Unfall: Am Samstagvormittag rutschte ein 69-Jähriger zwischen Unterzeismering und Bernried mit seinem Auto von der überfluteten Fahrbahn ab und rutschte auf eine Wiese. Da diese unter Wasser stand, versank der Pkw bis zu den Fenstern. Der Tutzinger konnte sich selbst aus seinem Auto befreien und blieb unverletzt. An seinem Wagen entstand laut Polizei jedoch Totalschaden in Höhe von 30 000 Euro.
Für Montagnachmittag hat das Wasserwirtschaftsamt Weilheim weitere Niederschläge vorhergesagt, es könnten immer wieder schauerartige Regenfälle auftreten. In Kombination mit den aktuell vorgesättigten Böden könne es daher auch zu einem Wiederanstieg der Pegel kommen. Auch kleine Gewässer ohne Meldestufen können erneut über die Ufer treten. „Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten“, teilt die Behörde mit. Für Maximilian Wastian und die vielen anderen Feuerwehrleute im Landkreis bedeutet das: Für eine vollständige Entwarnung ist es zu früh.