Starnberg:Hilfe für die Wehrlosen

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Arbeitsgemeinschaft diskutiert über sexuelle Gewalt gegen Frauen mit Behinderung

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Frauen mit Behinderung sind deutlich öfter Opfer von sexueller Gewalt als Frauen ohne Behinderung. Die Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen im Landkreis Starnberg (Arge) diskutierte am Dienstag über mögliche Gründe und Wege aus der Gewalt.

Nach Angaben von Marion Stangl (Netzwerkfrauen Bayern) haben mehr als zwei Drittel aller Frauen mit Behinderung Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Grund dafür könnte ihrer Meinung nach sein, dass die Täter nach dem Motto vorgehen: "Die kann sich nicht wehren". Cordula Trapp vom Verein "Frauen helfen Frauen" brachte die Problematik auf den Punkt: "Frauen mit Behinderung sind häufiger Opfer, weil der Täter weniger kriminelle Energie aufwenden muss." Die gesetzlichen Ausführungen begünstigten einen Täter sogar, wenn er die Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt, denn es gilt der Grundsatz: Je weniger sich ein Opfer wehrt, umso geringer ist das Strafmaß. Das hält Arge-Vorsitzende Petra Seidl für "nicht nachvollziehbar".

Frauen mit Behinderung können sich oft nicht wehren. Dies kann an der Art der Behinderung liegen oder auch daran, dass sie Gewalt oft nicht als Gewalt erkennen. Häufig seien sie unfähig zu signalisieren: "Stop, das will ich nicht!", stellte Seidl fest. Zwar hat der Bundestag nach Angaben von Sophie von Wiedersperg von der Gleichstellungsstelle im Landratsamt gerade eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Wann sie allerdings umgesetzt wird, sei ungewiss. Gleiches Strafmaß für alle Täter hielt ein Arge-Mitglied nicht für ausreichend. Die Strafe müsse auf mindestens drei Jahre hochgesetzt werden, damit ein Täter nicht mit Bewährung davonkommt.

Derzeit fördert der Staat die Ausbildung von Frauenbeauftragten in Behinderteneinrichtungen. Allerdings sind die Zuschüsse zeitlich begrenzt, es müsse eine Regelförderung geben, forderten die Arge-Mitglieder. In den Einrichtungen im Landkreis gibt es bislang noch keine Frauenbeauftragte, wohl aber Ansprechpartner, stellte Christian Münzel von der Lebenshilfe fest. Völlig unabhängig vom Grad der Behinderung habe aber jede Frau ein Recht auf Sexualität und Selbstbestimmung. Wie er betonte, ist in der Lebenshilfe in Zusammenarbeit mit den behinderten Bewohnern ein Konzept mit einem Verhaltenskodex erarbeitet und in leichte Sprache übersetzt worden. "Bei grenzverletzenden Situationen gibt es bei uns null Toleranz", betonte er.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Information. Nach den Erfahrungen von Anna Krott von der "Gilchinger Ohrmuschel" gibt es keine Frauenhäuser, in denen Gebärdensprache angeboten wird. Es fehle auch an speziellen Beratungen. "Gehörlose wollen keinen Dolmetscher, sie wollen anonym bleiben", erklärte sie. Ein erster Schritt in die richtige Richtung könnte die neue Internetseite ( www.wege-aus-der-gewalt.de) sein, an der Krott mitgearbeitet hat. Sie wurde in einfacher Sprache sowie in Gebärdensprache erstellt und ist einfach zu handhaben. Laut Seidl ist es die erste Internetseite, die für Frauen mit Behinderung Hilfen und Wege gegen Gewalt aufzeigt. Zudem sei die Seite gut vernetzt mit anderen Beratungsstellen. Seidl: "Es ist sehr wichtig für Frauen, sich Informationen einfach und schnell zu holen."

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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