Starnberg:"Heiterer Pessimismus"

Starnberg, Ascherdonnerstag CSU

Im Tutzinger Hof gab es beim Ascherdonnerstag der CSU zunächst weder Fisch noch Fleisch. Der Karpfen musste warten bis Jan Fleischauer (3. von rechts) mit seiner Rede fertig war. CSUler (von links) Patrick Janik, Andrea Reichle, Charlotte Meyer-Bülow, Stefan Frey, Ute Eilig-Hütig, Robert Weiß hörten zu.

(Foto: Georgine Treybal)

Der CSU-Ortsverband feiert den politischen Aschermittwoch am Donnerstag. Kolumnist Jan Fleischhauer geißelt die allgegenwärtige Alarmbereitschaft der Menschen und singt ein Loblied auf den Konservativismus

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

"Tradition mit frischem Wind" verspricht die Starnberger CSU im Wahlkampf. Zum politischen Aschermittwoch, den der Ortsverband seit ein paar Jahren am Donnerstag veranstaltet, lag daher das Thema "Was ist konservativ?" nahe. Als Gastredner war der frühere Spiegel- und heutige Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer in den voll besetzten Tutzinger Hof eingeladen. Für seine etwa einstündige Rede bekam er viel Applaus, als Pressevertreter musste er sich aber auch kritischen Fragen stellen.

Der Duden definiert konservativ als "rückschrittlich" oder "am Althergebrachten festhalten". Fleischhauer selbst versteht unter konservativ einen "heiteren Pessimismus". Man dürfe die Nerven nicht verlieren. Er rät den Kommunalpolitikern zu mehr Gelassenheit und Humor ("Eine Partei, in der nie gelacht wird, kann ich nicht wählen").

Kritisch beurteilt der Journalist "die neue Aufgeregtheit", mit der diskutiert werde. In der heutigen Zeit reiche es den falschen Witz zu machen, die falsche Meinung zu vertreten "oder ganz schlimm" die falschen Leute zu besuchen, erklärt er und berichtet über seine eigenen Erfahrungen, als er bei einem langjährigen Freund und Nachbarn zu einer Geburtstagsparty eingeladen war. Das ist seiner Meinung nach Privatsache. Weil sich der Freund jedoch zur AfD bekannt hatte, wurde Fleischhauer anschließend massiv kritisiert. Als Journalist müsse er sich jedoch mit Politikern jeder Couleur unterhalten, betont er. "In meinem Beruf nennt man das Recherche." Er lebe nicht mehr in einem freiheitlichen Rechtsstaat, sobald die Öffentlichkeit darüber Auskunft verlange. Die emotionale Argumentation, bei der stets alles auf dem Spiel steht, zieht sich laut Fleischhauer bis in die kommunalen Gremien hinein. Ein Streit um einen Fahrradweg werde moralisch hochstilisiert zur Welt-Klima-Politik.

Eine weitere "wahnsinnige politische Antriebskraft", die die Menschen in Alarmbereitschaft versetze, ist nach Fleischhauers Erfahrungen die Angst. Ohne eben jene Angst hätten es die Grünen auch nie zur Regierungspartei gebracht, ist er überzeugt. Die Deutschen hätten Angst vor Strahlenbelastung, vor Giftstoffen und vor genverändertem Essen. Vieles wäre laut Fleischhauer schon gewonnen, wenn man den Leuten nicht ständig sagen würde, was sie falsch machten. Das Gegenprogramm zu dem "moralischen Bewältigungseffekt" sei die totale Nüchternheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sei verlässlich und deshalb so beliebt, derbleckte der Kolumnist.

Merkel sei zwar unaufgeregt, für Aufbruch und Erneuerung stehe sie aber nicht, moniert ein Besucher. Auch die Verrohung der Sprache wird kritisiert. Fleischhauer plädiert für eine "kraftvolle Sprache, aber nicht hetzerisch". Sobald jedoch ein Begriff in den Händen der AfD sei, ist er seiner Ansicht nach für andere "kontaminiert". Neben der Gefahr von rechts dürfe man aber die Linken nicht vergessen, die ja immer noch die alte SED seien. Auch Landratskandidat Stefan Frey hat im Wahlkampf die Erfahrung gemacht, dass die Menschen Normalität erwarten und man ihnen die Angst nehmen sollte. Laut der Vorsitzenden Charlotte Meyer-Bülow haben die Bürger häufig Ausreden, um nicht mit den Kandidaten ins Gespräch kommen zu müssen. Am häufigsten sei zu hören, man wähle Grün und sei deshalb ein guter Mensch. Fleischhauer riet, nicht in anderen Lagern zu kämpfen, sondern die Stammwähler zu halten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: