Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Die Grippe-Impfung ist immer noch sinnvoll

Die Zahl der Influenzafälle steigt, im Landkreis Starnberg wurden zwei Grundschulen geschlossen. Der Weßlinger Internist Alexander Bürger erklärt die Symptome und warum nicht jeder Patient getestet wird.

Interview von Christine Setzwein

Die Grippe greift weiter um sich. Nachdem in Weßling und Oberpfaffenhofen zwei Grundschulen geschlossen wurden, weil 56 Kinder sich mit einer hochfieberhaften Erkrankung angesteckt haben, hat sich am Mittwoch ein weiterer Influenza-Test als positiv erwiesen, sagte Lorenz Schröfl, Leiter des Starnberger Gesundheitsamtes. Bayernweit verzeichnet das Landesamt für Gesundheit einen Anstieg der Infektionen. In der vergangenen Woche seien 532 neue Influenzafälle gemeldet worden. Damit liegt die Zahl in diesem Winter bei 1892. Auch in die Arztpraxen im Landkreis Starnberg kommen immer mehr Patienten mit der echten Grippe. Beim Internisten Alexander Bürger in Weßling sind es bisher zwar nur eine Handvoll, bei denen Influenza mit einem Test nachgewiesen wurde, aber die Dunkelziffer ist hoch.

SZ: Warum ist die Dunkelziffer so hoch?

Alexander Bürger: Weil wir nicht alle Kranken testen, weil nicht jeder zum Arzt geht und weil der Erfahrung nach bei einem Drittel der Patienten die echte Grippe leichter verläuft als sonst, etwa ohne Fieber oder Reizhusten. Wir testen vor allem Patienten mit Risikofaktoren, wie ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Patienten mit eingeschränktem Immunsystem. Bei Kindern wird vor allem getestet, um sie zu isolieren, damit sie andere Kinder nicht anstecken können. Denn leider kommt es immer öfter vor, dass Eltern ihre Kinder krank oder zu früh in Kindergarten oder Schule schicken, weil sie zum Beispiel selber arbeiten müssen. Das ist kein Vorwurf an die Eltern, das liegt am System.

Bei bestimmten Anzeichen erkennen Sie also auch ohne Test, dass es sich um eine hochansteckende Influenza handelt - und nicht um einen grippalen Infekt?

Eine echte Grippe beginnt ganz plötzlich innerhalb von 24 Stunden. Die Symptome sind eindeutig: Schwäche, Schweißausbrüche, hohes Fieber, trockener Reizhusten, Gelenk- und Kopfschmerzen.

Gehen Sie davon aus, dass es den erkrankten Weßlinger Kindern bis Montag wieder besser geht?

Aufgrund des Krankheitsverlaufes von in der Regel vier bis fünf Tagen und einer Ansteckungsfähigkeit von bis zu sieben Tagen sollten die meisten Kinder wieder schulfähig sein, ja. Dennoch ist es vom jeweiligen individuellen Krankheitsverlauf abhängig zu machen, wer am Montag wieder die Schule besuchen darf und kann. Die Eltern sollten im Zweifel und bei Unklarheiten noch mal den Rat des behandelnden Arztes oder beim Gesundheitsamt einholen.

Antibiotika helfen bei Virusinfektionen nicht. Welche Medikamente können die Grippe trotzdem lindern?

In erster Linie muss der Patient viel trinken. Eine hohe Flüssigkeitszufuhr ist sehr wichtig. Gegen Fieber und Schmerzen kann man Ibuprofen oder Paracetamol gegeben. Kinder unter zwölf Jahren sollten auf keinen Fall Medikamente mit dem Wirkstoff ASS bekommen. Sie können das sogenannte Reye-Syndrom auslösen, eine seltene, schwere Krankheit, bei der Gehirn und Leber geschädigt werden können. Insbesondere bei Risikopatienten wird das Grippemittel Tamiflu verabreicht. Das kann die Krankheitsdauer verkürzen und den Verlauf abmildern, wenn es in den ersten 48 Stunden eingenommen wird.

Ist es jetzt noch sinnvoll, sich gegen Grippe impfen zu lassen?

Auf jeden Fall. Die Infektionen steigen jedes Jahr im Januar und Februar noch einmal an. Und für Fernreisende: In tropischen Ländern ist die Influenza ganzjährig ein Problem.

Impfungen sind für manche Menschen ein Reizthema. Wie schaut es mit der Bereitschaft Ihrer Patienten aus, sich gegen die Grippe zu schützen?

Meiner Erfahrung nach nimmt die Bereitschaft zu. Das erkenne ich am steigenden Bedarf an Impfstoff in meiner Praxis. Ich empfehle allen älteren Menschen, chronisch Kranken, Schwangeren und Beschäftigten in medizinischen und sozialen Berufen, sich impfen zu lassen. Die Impfung ist wichtig und wirksam. Und wer jedes Jahr wieder vorbeugt, verträgt die Spritze immer besser.

Sind Sie geimpft?

Natürlich. In meinem eigene Interesse und in dem meiner Mitarbeiter und Patienten. Da stehe ich in der Verantwortung.

Hatten Sie schon mal Grippe?

Nein, noch nie.

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SZ vom 23.01.2020/amm
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