Süddeutsche Zeitung

Fotografie:Sommerfest der Liebe

Gisela Getty präsentiert in der "Indi Herbst Gallery" am Kirchplatz in Starnberg Fotos aus ihrem Leben. Die Ausstellung ist eine Chronik einer wilden Zeit.

Von Katja Sebald

Zehn Tage lang "Summer of Love" in Starnberg: Die Fotografin Gisela Getty ist zu Gast bei der Fotografin und Galeristin Indi Herbst. Sie zeigt noch einmal eine Auswahl aus der Bilderrevue, die sie vor gut zehn Jahren schon mal in Hamburg und Berlin ausgestellt hat: Fotos von ihr und ihrer mittlerweile verstorbenen Zwillingsschwester Jutta Winkelmann aus den 70er und 80er Jahren, als die beiden mit ein bisschen Verspätung in Berlin, Rom und Los Angeles ihren langen "Summer of Love" erlebten - der nach Abenteuern mit Drogen, Schauspielern, Musikern und reichen Erben für beide im "Harem" von Rainer Langhans enden sollte.

Gisela Getty, als Gisela Schmidt 1949 in Kassel geboren, ist eine zierliche, fast zerbrechliche und zurückhaltende Person. Es fällt schwer, sie mit ihrem Alter in Verbindung zu bringen, denn sie wirkt immer noch ein bisschen mädchenhaft. Noch schwerer aber fällt es, sie mit der Frau in Verbindung zu bringen, die auf den Bildern an der Wand zu sehen ist. Dort tanzt sie zum Beispiel gleich dreifach im knallbunten Sixties-Outfit. Die Fotos mit den Überblendungen hat ihre Schwester gemacht, beide studierten in Kassel experimentelle Fotografie bei Floris Michael Neusüss. Oder sie steht schwanger im Blümchenkleid neben ihrem Mann Rolf Zacher. Damals war sie 23 und schon zum zweiten Mal verheiratet.

Ein paar Bilder weiter sitzt sie, nun mit raspelkurzen dunklen Haaren und weiter Schlaghose, neben dem jungen Paul Getty. Sie hat jetzt ein hartes Gesicht, in das sich die Lebenserfahrung eingegraben hat. Er ist sechs Jahre jünger als sie und eigentlich noch ein Kind. Und dann, als wäre nichts gewesen, räkelt sie sich mit dunklem Kajal geschminkt als Femme Fatale im Orientlook, neben sich die Opiumpfeife. "Das war eine Woche nach der Geburt unseres Sohns", sagt sie zu diesem Bild.

Die Zwillinge gründeten 1969, noch als Studentinnen, mit ihren ersten Ehemännern Gerhard Büttenbender und Adolf Winkelmann das Kasseler Filmkollektiv. 1972 gingen sie gemeinsam nach Rom, wo sie Schauspieler, Filmemacher und vor allem den jungen Paul Getty, Enkel des milliardenschweren Industriellen Jean Paul Getty, kennenlernten. Nach seiner spektakulären, vermutlich von ihm selbst eingefädelten und dann aus dem Ruder gelaufenen Entführung, heirateten Gisela und er. Es folgten Jahre der Selbstfindung und des rauschhaften Exzesses.

Das Fotografieren haben Gisela Getty wie auch ihre Schwester dabei nicht vergessen. Neben den zahlreichen Bildern, auf denen sie gemeinsam abgebildet sind, oder die sie voneinander gemacht haben, sind nun in Starnberg auch eindrucksvolle Porträtaufnahmen zu sehen: So etwa von Dennis Hopper und Timothy Leary, von Werner Herzog, Jean Penn, Leonard Cohen, Mario Schifano oder Claudio Abate. Dazwischen der junge Rainer Langhans, dann ein Foto von Vincent Gallo, erst 2012 entstanden. Die Zusammenstellung folgt keiner Chronologie. Es gibt alte Aufnahmen, von denen manche kaum mehr als Schnappschüsse sind und manche kleine Kunstwerke. Eine ganze Reihe sorgfältig inszenierter Schwarz-Weiß-Porträts dürfte vor allem aus den 80er Jahren stammen. Sie bestechen nicht zuletzt durch die besondere Tiefe, die es nur bei analogen Aufnahmen gibt. Mittlerweile aber fotografiert auch Gisela Getty am liebsten mit dem iPhone.

Mit dieser Ausstellung soll es für sie aber nicht um ein nostalgisches Zurückblicken gehen. "Ich lebe überhaupt nicht in der Vergangenheit", betont sie bei der Vorbesichtigung. Sie will die Auswahl der Bilder eher als Chronik verstanden wissen. Und: "Die Werte von damals sind so aktuell wie eh und je", findet sie. Ein bisschen wehmütig klingt es aber doch, wenn sie sagt: "Es war eine freiere Zeit, jetzt haben wir ja einen Summer of War".

Die Ausstellung "Summer of Love" von Gisela Getty wird am Donnerstag, 1.September 2022, um 18 Uhr in der Indi Herbst Gallery am Kirchplatz in Starnberg eröffnet und ist danach bis zum 10.September 2022 montags, dienstags, donnerstags und samstags von 11 bis 14 Uhr sowie mittwochs und freitags von 15 bis 18 Uhr zu besichtigen.

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