Starnberg:Geschichten aus Buenos Aires

Das Ensemble Quadro Nuevo in der Schlossberghalle

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Ganz gleich, welcher Musikgattung sich das Ensemble annimmt: Die Handschrift des Ensembles Quadro Nuevo, das selbst die Starnberger Schlossberghalle restlos zu füllen vermochte, bleibt unverkennbar und gibt der Musik stets den Eindruck des Besonderen und Einzigartigen. Und dies gilt zweifelsohne auch für das Quartett selbst, das im Kern nun schon seit etwa 20 Jahren auch nach zwei Umbesetzungen - Andreas Hinterseher (Akkordeon, Bandoneon) kam 2002 - weiterhin harmoniert, musikalisch wie auch freundschaftlich. Als die Harfenistin Evelyn Huber 2008 den Platz des Gitarristen Robert Wolf einnahm, der querschnittsgelähmt an den Spätfolgen eines Autounfalls im vergangenen Jahr starb, konnte kaum von einem Bruch gesprochen werden. Huber beherrschte aus dem Duo mit dem Saxofonisten und Klarinettisten Mulo Francel bereits das Repertoire des Ensembles. Und jenes erwies sich als flexibel genug, den Instrumentenwechsel zu integrieren.

Gerade beim Tango, der seit jeher zum Repertoire von Quadro Nuevo gehört, ist der Wechsel der Charakteristik nicht zu überhören. Wo sonst Wolf mit Flamenco-Techniken immer wieder feuriges Temperament entzündete, stürzt sich Huber in wilde, leidenschaftliche Virtuosität. Dieser konzertante Tango hat eine andere Farbe, schillert immer wieder auch folkloristisch in südamerikanischem Kolorit. Dass sich das Ensemble entschloss, für die aktuelle Tango-CD den vielseitigen Pianisten Chris Gall als Gastmusiker ins Boot zu holen, war zweifelsohne die richtige Entscheidung, ist es doch dem Ensemble damit möglich, der Orquesta Típica - Originalbesetzung des Tangos - näher zu kommen, ohne das eigene, weltmusikalisch reiche Klangbild einzubüßen. Mehr noch: sich zugleich auch einen breiteren Zugang zum Jazz zu öffnen, der ein entscheidender Bestandteil der Musik von Quadro Nuevo ist.

Das neue Tango-Repertoire ist Ergebnis eines intensiven Aufenthalts in Buenos Aires. Und das war auch in der Schlossberghalle deutlich zu spüren. Tango ist eben weit mehr als nur Musik. Er ist ein Lebensgefühl, ein gewaltiges Bündel Emotionen, ja das Leben selbst in all seinen Facetten. Und dem kommen die neuen Stücke viel näher als die früheren, bereits erfolgreichen Tango-Alben. Aber keinesfalls als Imitate: Quadro Nuevo versteht es, alle diese Ausprägungen in eigenen Worten auszudrücken - mit gewohnter Sinnlichkeit und faszinierenden Überraschungseffekten, schon mal mit Percussion, Vibrandoneon oder Salterio. Zum einen gab es da die leidenschaftliche Empfindsamkeit, die sich am deutlichsten zeigte, wenn sich das Ensemble weit zurücknahm und sich Francel an den Klarinetten sachte an die Töne heranfühlte und sie mit Hingabe herausmodellierte. Oder wenn Hinterseher am Bandoneon mit kraftlos hingehauchten Melodien die Melancholie und Sentimentalität mit Seelenschmerz erfüllte. Zum anderen kamen dann aber auch die Wendungen zum temperamentvollen, bisweilen wuchtig übersteigerten Tango-Rhythmus mit satter Klangsubstanz, dem vor allem D. D. Lowka am Kontrabass die dunkle, manchmal abgrundtief grollende Seite verlieh.

Dieser kontrastreiche, wendige und mit pfiffigen Details ausgestattete Zugriff, der auf bildhaften Vorstellungen basiert und Geschichten erzählt, ist typisch für die Musik des Ensembles. Und da die fünf Musiker offenbar enorm viel in Buenos Aires erlebt haben, ist jeder der Tangos auch eine fesselnde Rhapsodie mit Titeln wie "El Titiritero" (Der Puppenspieler), "Casa de los Sueños" (Haus der Träume) oder auch "Buenos Aires Taxi Drive". Manche davon bedürfen schon einer Erklärung, die dann auch kurzweilig von einem der Troubadoure dargeboten wurde. Ein sinnenfreudiges Gesamtkunstwerk, das in der Schlossberghalle auf Begeisterung stieß. Zwei ausladende Zugaben.

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