Geothermie im Landkreis Starnberg:Expedition in die Tiefe

Geothermie im Landkreis Starnberg: Gleich mehrere Geothermie-Projekte in der Region sind gescheitert - in Bernried, Weilheim, Geretsried. Auch der Bohrturm zwischen Icking und Berg wurde wieder abgebaut.

Gleich mehrere Geothermie-Projekte in der Region sind gescheitert - in Bernried, Weilheim, Geretsried. Auch der Bohrturm zwischen Icking und Berg wurde wieder abgebaut.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Familienunternehmen will nach heißem Wasser bohren, um Herrsching und den Landkreis mit Strom und Wärme zu versorgen. Dafür fehlen aber noch 14 Millionen Euro.

Interview von Manuela Warkocz

Er glaubt fest daran, dass Geothermie in Herrsching, ja sogar in mehreren Gemeinden im Landkreis funktionieren kann. Josef Birner, 65, will mit seiner Geothermie Ammersee GmbH aus heißem Thermalwasser vorerst jährlich Strom für 9000 Haushalte und Wärme für 1500 Haushalte gewinnen. Seit Dezember hat der Verfahrenstechniker, der bei Agfa, Bayer und BASF gearbeitet hat und jetzt Ferienwohnungen vermietet, eine bergrechtliche Genehmigung des bayerischen Wirtschaftsministeriums in der Tasche, befristet bis November 2022. Sie erlaubt dem Unternehmer, zwischen Starnberger See und Ammersee auf einem Claim von gut 200 Quadratkilometern seismische Daten für Erdwärmevorkommen zu sammeln und mögliche Bohrareale zu definieren.

In Tutzing etwa sieht man dem Projekt gelassen entgegen. Inning fürchtet allerdings um sein Wasser und lehnt das Geothermie-Vorhaben ab. Mit Tochter Sophie Birner, 32, zuständig für Marketing, erläutert der Gründer, warum Bedenken angeblich unbegründet sind, was für erfolgreiche Bohrungen im Fünfseenland spricht und wie er 14 Millionen Euro für das Herrschinger Projekt einsammeln will.

SZ: Gleich mehrere Geothermie-Projekte in der Region südlich von München sind gescheitert - unter anderem in Icking, Geretsried, Weilheim und Bernried. Was macht Sie so sicher, dass es in Herrsching und vielleicht sogar weiteren Gemeinden im Umfeld klappen könnte?

Josef Birner: Die Bedingungen in unserer Region sind ideal. Ich geb' mal einen kurzen Hintergrund. Vor Millionen von Jahren war hier früher ein Meer, es hat noch keine Alpen gegeben. Es waren karibische Verhältnisse. Mit der Entstehung der Alpen und der Eiszeit bildete sich eine 600 Meter mächtige Kalksteinmuschelschicht. Diese wurde zu den Alpen hin immer tiefer und hat sich mit Wasser vollgesogen. An der Donau ist diese Schicht sichtbar. Bei uns in der Gegend ist diese 600 Meter dicke Kalksteinschicht in 3600 Meter Tiefe stufenweise abgebrochen. Diesen Abbruch nennt man Störzone.

Störzone klingt problematisch, ist aber in dem Fall was Positives?

Josef Birner: Absolut. Alle Geothermie-Vorhaben, die eine Störzone hatten, liefen gut. In Herrsching beträgt der Abbruch etwa 600 Meter. Er geht von Dießen kommend quer durch Herrsching und München durch, also von Südwesten nach Nordosten bis Markt Schwaben.

Sophie Birner: Im bayerischen Geothermie-Atlas, der 2020 aktualisiert wurde, ist gekennzeichnet, dass die Gegend Richtung Weilheim für Geothermie nur bedingt geeignet ist. Herrsching jedoch wird vom Münchner, beziehungsweise Markt Schwabener Verwurf direkt getroffen.

Herrsching Sophie Birner

Haben ihren Claim im Fünfseenland abgesteckt: Sophie Birner, 32, zuständig für Marketing, und ihr Vater Josef Birner, 65, Verfahrenstechniker, dürfen nach Erdwärme suchen.

(Foto: privat)

In Herrsching starten Sie jetzt nach zehn Jahren mit einem Ingenieur und einem Risikomanager an der Seite einen zweiten Geothermie-Versuch an der Seefelder Straße, nahe dem ehemaligen Heine-Opto-Technik-Gelände. Was ging schief?

Josef Birner: Die damalige Bürgermeisterin Frau Hollacher hat uns bei unserem Geothermie-Vorhaben unterstützt. Auch Herr Bürgermeister Schiller stand dem Projekt bisher immer positiv gegenüber und hatte uns damals einen positiven Bauvorbescheid genehmigt. Dann kam uns das Herrschinger Gymnasium dazwischen, das da an den nördlichen Ortsrand kommen sollte.

Gehört Ihnen das Grundstück?

Josef Birner: Ein Teil, ja. Ein Teil ist in Gemeindebesitz.

Temperatur und Schüttmenge sind wesentlich für den Erfolg. Was erwarten Sie?

Josef Birner: Wir haben von mehreren unabhängigen Gutachtern Prognosen auf Thermalwasser mit 120 Grad Celsius und eine sehr hohe Schüttung von 130 Liter pro Sekunde, ähnlich wie in Unterhaching (Dort gründete die Gemeinde 2002 erfolgreich ein Geothermie-Unternehmen, Anm. d. Red.).

Wie funktioniert der Prozess?

Josef Birner: Dem Wasser wird in einem Kreislauf Wärme entnommen, dann wird es wieder zurückgepumpt. Die Eckpunkte sind in der Tiefe - nicht an der Oberfläche - ungefähr zwei Kilometer auseinander, das in den Boden gepumpte Wasser erwärmt sich wieder. Das passiert 24 Stunden sieben Tage die Woche, ist also grundlastfähig und ein nahezu unendlicher Prozess. Man geht davon aus, dass das Wasser in 100 Jahren nur etwa ein Grad Wärme verliert.

Sophie Birner: Das Thermalwasser ist hier bei uns in einer Schutzschicht, dem Malmkarst. Der ist schon ein bisschen gelockert. Deshalb kommen wir mit der Bohrung deutlich schneller zum Thermalwasser und können es nutzen. In anderen Regionen muss man das Gestein erst in einem Prozess der Säuerung aufbrechen. Wir müssen hier keine Chemikalien verwenden.

Wie ist der Stand des Verfahrens?

Sophie Birner: Wenn Herrsching und der Landkreis verstehen, auf welchem Schatz sie sitzen, welches Potenzial es da gibt für Energiewende und Umweltschutz, dann kann das gemeinsam relativ schnell gelingen. Diese Woche haben wir ein Gespräch mit einem möglichen Nahwärmeversorger. Die Realisierung in Herrsching planen wir für 2024.

Josef Birner: Wir wollen jetzt erst mal mit allen Kommunen sprechen und die Bürger zwischen Inning und Weßling, Starnberg, Tutzing und Pähl möglichst überzeugen. Es geht uns nicht darum, auf Gedeih und Verderb Kraftwerke zu bauen - auch wenn's das Bergrecht hergeben würde. Wir gehen auch auf den Landrat und den Kreis zu. Da haben wir schon im September angeklopft. Aber mit Corona sind Termine halt momentan schwierig.

Geothermie im Landkreis Starnberg: Josef Birner, 65, will mit seiner Geothermie Ammersee GmbH aus heißem Thermalwasser vorerst jährlich Strom für 9000 Haushalte und Wärme für 1500 Haushalte gewinnen.

Josef Birner, 65, will mit seiner Geothermie Ammersee GmbH aus heißem Thermalwasser vorerst jährlich Strom für 9000 Haushalte und Wärme für 1500 Haushalte gewinnen.

(Foto: privat)

In Inning lehnen Bürgermeister Walter Bleimaier und der Gemeinderat das Vorhaben aus Sorge um Grund- und Trinkwasser ab, ebenso der Wasserverband Awa-Ammersee mit sieben Gemeinden.

Sophie Birner: Wir sehen aktuell einfach, dass es noch viele offene Fragen und Unwissenheit gibt. Darüber wollen wir gern sprechen. Das haben wir jetzt auch dem Inninger Gemeinderat geschrieben.

Die Sorge in Inning und womöglich woanders ist eine Verunreinigung des Grundwassers. Wie tief werden Sie denn bohren?

Josef Birner: Wir werden etwa 3600 Meter tief gehen, unter strengster Aufsicht des Bergamts Südbayern. Dass Grundwasser nicht gefährdet wird, hat sich bei allen doch schon 20 Tiefengeothermie-Projekten im Münchner Raum gezeigt. Es gibt genügend Erfahrungen etwa aus Unterhaching, Pullach, zuletzt sechs Bohrungen am Heizkraftwerk Süd (in München, Anm. d. Red.). Grundwasser kommt in 50 bis 60 Metern vor. Diese Schichten sind für uns tabu.

Sie gehen doch durch diese Schichten durch.

Sophie Birner: Das Verfahren ist so, dass man nicht einfach senkrecht runter bohrt, sondern in einzelnen Bohrabschnitten vorgeht. Jeder Bohrabschnitt wird mit einem gesonderten Schutzrohr geschützt. Insbesondere im Bereich des Trinkwassers, sowie auch im Grundwasserbereich wird die wasserführende Schicht durch Auszementierung des Bohrloches zusätzlich geschützt. Dieses Prinzip verhindert, dass sich Schichten mischen. Außerdem ist es ein in sich geschlossener Kreislauf. Es findet keine Diffusion zwischen Rohr und Erdschichten statt. Das darf gar nicht sein.

Wenn die Bohrungen losgehen - müssen die Bürger dann mit Erschütterungen, Störungen rechnen?

Josef Birner: Bei den sechs Bohrungen in München gab es keine Erschütterungen, gar nichts. Wir wollen mit einer sehr leisen elektrisch betriebenen Bohranlage hier am Ortsrand von Herrsching arbeiten. Natürlich müssen wir alle Schallemissionswerte einhalten, auch in der Nacht. Dazu haben wir auch schon Schallgutachten erstellen lassen.

Sie veranschlagen allein für das Herrschinger Geothermie-Projekt 14 Millionen Euro. Wozu genau?

Sophie Birner: Für die erste Bohrung und um die Fündigkeit sicherzustellen. Sobald man fündig ist, ist das mit dem Geld kein Problem, dann sieht jedes Unternehmen, jede Bank, wie profitabel ein Geothermie-Kraftwerk ist.

Ihr Crowdfunding läuft?

Josef Birner: Nein, damit können wir erst beginnen, wenn ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigter Verkaufsprospekt vorliegt. Da sind wir gerade dran.

Wie soll das Crowdfunding konkret aussehen?

Sophie Birner: Wir wollen gern jeden einzelnen Bürger beteiligen, der erneuerbare Energien aktiv fördern will. Er kann Unternehmensanteile erwerben, einer kostet 5000 Euro. Bei erfolgreicher Fündigkeit erhält er eine Rendite bis zu sechs Prozent. Zu Anfang soll es ein Exklusivrecht für alle Bürger und Kommunen im Feld geben. Wir rechnen im Lauf des Jahres mit dem Start.

Josef Birner: Sobald die Gemeinde Herrsching sagt, ob und wie sie ihr Grundstück einbringt.

Ist an Beteiligungsgesellschaften für Kommunen gedacht?

Josef Birner: Kann ich mir gut vorstellen, wenn die Kommunen das wollen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, dass sie mitreden, zum Beispiel über eine Gesellschaft wie die Awa-Ammersee, folglich die Gründung einer Vereinigung.

Wie viel haben Sie bislang investiert?

Josef Birner: Eine sehr hohe sechsstellige Summe, alles rein aus privaten Mitteln.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: