Migration und AsylpolitikEin Landrat im Dauerstress

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In Wörthsee hat der Landkreis eine moderne Unterkunft für Geflüchtete errichtet. Die Anlage bietet den Bewohnern mehr Platz, aber längst keinen Luxus.
In Wörthsee hat der Landkreis eine moderne Unterkunft für Geflüchtete errichtet. Die Anlage bietet den Bewohnern mehr Platz, aber längst keinen Luxus. (Foto: Arlet Ulfers)

Obwohl gerade neue Kapazitäten geschaffen werden, ist Stefan Frey (CSU) in allen Kommunen des Landkreises Starnberg ständig auf der Suche nach neuen Flächen, um Geflüchtete unterzubringen.

Von Linus Freymark, Starnberg

Es wird immer schwieriger. Landrat Stefan Frey (CSU) merkt das in den vielen Gesprächen, die er führt, um Geflüchteten im Landkreis Starnberg ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. „Das merkt man“, sagt der Starnberger Landrat, denn „die Bereitschaft, weitere Leute aufzunehmen, wird immer geringer, solange wir keine Begrenzung haben“.

Die Unterbringung von Geflüchteten ist in Deutschland bekanntlich Aufgabe der Kommunen, die Kontingente zugewiesen bekommen und eine gewisse Aufnahmequote erfüllen müssen. Wo genau die Neuankömmlinge dann einquartiert werden – dafür müssen Frey und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt sorgen. Und so ist der CSU-Politiker Jahr für Jahr auf der Suche nach Flächen für Containeranlagen und leer stehendem Wohnraum. In Wörthsee hat der Landkreis erst vor Kurzem eine moderne Containeranlage in Betrieb genommen. „Das läuft gut an“, sagt Frey. Auch in Tutzing steht eine neue Unterkunft, noch diesen Dezember soll sie bezogen werden. Und auch in Feldafing sollen Anfang des nächsten Jahres Geflüchtete in die neu geschaffene Unterkunft einziehen.

In diesen drei Gemeinden setzt der Landkreis erstmals nicht mehr auf klassische Container, sondern auf Holzbauweise. Das sieht etwas freundlicher aus, obendrein haben die Bewohner darin mehr Platz. Dennoch sind die Anlagen weit davon entfernt, Luxus zu bieten. Die drei neuen Unterkünfte sowie geplante Erweiterungen bestehender Anlagen im Starnberger Ortsteil Percha, in Gilching, Weßling und Berg schaffen ein wenig Entlastung.

Doch kaum steht die eine Unterkunft, muss sich Frey schon wieder auf die Suche nach neuen Grundstücken machen. Gerade hat er bei der Gemeinde Inning angefragt, ob dort eine Fläche zur Verfügung steht. Und auch, wenn die Bürgermeister nach wie vor gut mit ihm zusammenarbeiten und ihn unterstützen, stellt Frey fest, dass die Bereitschaft zur Aufnahme abnimmt.

Landrat Stefan Frey stellt fest, dass die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten weiter abnimmt.
Landrat Stefan Frey stellt fest, dass die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten weiter abnimmt. (Foto: Georgine Treybal)

Knapp 400 Geflüchtete – 200 aus der Ukraine, 200 aus anderen Ländern – kommen derzeit jede Woche in Oberbayern an und werden vom Bezirk auf die Kommunen verteilt. „Das ist sehr viel“, sagt Frey. Die Situation habe sich nach wie vor nicht entspannt. Der Landkreis Starnberg erfüllt seine Aufnahmequote mit 101 Prozent derzeit ein wenig über. Das gibt Frey Spielraum, auch mal „Nein“ zu sagen, wenn er eine Zuweisung bekommt und gerade keine Kapazitäten hat.

Was sich tun lässt, um die Kommunen zu entlasten? Frey sieht da nur eine Möglichkeit: Deutschland muss Abkommen mit sicheren Drittstaaten schließen, so wie das der Migrationsforscher Gerald Knaus im SZ-Interview gefordert hat und wie es sie 2016 mit der Türkei bereits gab. „Das hat gut geklappt damals“, meint Frey. Nach dem Ende der Ampel-Koalition im Bundestag erwartet der CSU-Politiker von einer neuen Bundesregierung, die irreguläre Migration durch solche Übereinkünfte zu begrenzen.

Gleichzeitig aber plagt den Starnberger Landrat die Sorge, dass die Menschen dort nicht so behandelt werden, wie es derzeit in Deutschland Standard ist. Gerichtsentscheidungen, Asylverfahren – das alles könnte dann nur noch in eingeschränkter Form oder gar nicht mehr stattfinden. „Den Leuten wird wohl eher signalisiert, sie sollen in ihre Heimatländer zurück“, prognostiziert Frey. Dennoch sei dieser Schritt notwendig – ansonsten würde man die Aufnahmebereitschaft der deutschen Bevölkerung weiter aufs Spiel setzen.

„Wir versuchen, das unter dem Radar abzuwickeln“

Bislang ist es im Landkreis Starnberg stets gelungen, den Neuankömmlingen ein Dach über dem Kopf zu organisieren. Und das, ohne sie in Turnhallen unterzubringen. Für Frey ist es nach wie vor oberste Prämisse, dieses Szenario zu verhindern. Bislang sei man noch ein ganzes Stück davon entfernt, erklärt der Landrat. Aber klar ist auch: „Irgendwann haben wir nichts mehr.“ Denn irgendwann steht auf jeder verfügbaren Fläche ein Container, ist jede in Betracht kommende Wohnung belegt.

Dass das Thema Migration in der Öffentlichkeit nicht mehr so omnipräsent ist wie vor ein, zwei Jahren liegt laut Frey an der Strategie der Behörden. „Wir versuchen, das unter dem Radar abzuwickeln“, erklärt der Landrat. Dass das im Landkreis Starnberg anders als in anderen Ecken der Republik einigermaßen reibungslos funktioniert, liegt für den Kommunalpolitiker hauptsächlich daran, dass die staatliche Verwaltung zwar mancherorts ein schlechtes Image hat, aber im Hintergrund sehr gut funktioniert. „Das ist ein ganz wichtiger Punkt“, sagt Frey. Nur durch diese Unterstützung gelinge es ihm, die Unterbringung zu gewährleisten – eine Aufgabe, die den Landrat und seine Mitarbeiter mit großer Sicherheit auch im kommenden Jahr beschäftigen wird.

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