Gleisarbeiten an der S6:"Die Bahn hätte gleich Ohrenstöpsel verteilen sollen"

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Starnberger und Gautinger klagen über das Warnsignal, das fünf Wochen lang ständig ertönen wird. Dazu kommen Staub und Lärm von der Baustelle.

Von Christian Deussing und Kathrin Haas, Starnberg/Gauting

Das Warnsignal klingt schrill und nervtötend laut. Doch das müssen die Anwohner der Bahnstrecke zwischen Starnberg und Gauting in den kommenden fünf Wochen wegen Gleisbauarbeiten erdulden - vom frühen Morgen bis zum späten Abend. "Die Bahn hätte gleich Ohrenstöpsel verteilen sollen, das ist der Wahnsinn", berichtet eine erschrockene Gautingerin, die in der Ammerseestraße wohnt und bereits am ersten Tag der Baustelle kurz nach fünf Uhr morgens erstmals das sirenenartige Signal gehört habe. "Ich dachte, die stehen bei uns im Flur, meine neunjährige Tochter sprang schon um sechs statt um sieben Uhr aus dem Bett." Der 39-jährigen Anliegerin schwant, dass sie in der kommenden Zeit ohne Wecker auskommt.

Auch andere Bürger sind schon zu Beginn der Arbeiten von dem durchdringenden Warnlaut äußerst genervt - wie eine Frau, die am Bahnhof Starnberg Nord wohnt und nun auf Facebook befürchtet, bis zum 10. November nicht mehr schlafen zu können. Nach Angaben der Bahn werden rund um die Uhr die Gleise erneuert und 29 700 Schwellen und 23 200 Tonnen Schotter ausgetauscht. Um dies mit hoher Geschwindigkeit zu schaffen und gleichzeitig die Sicherheit der Gleisbauarbeiter zu gewährleisten, müsse das automatische Warnsystem von sechs bis 22 Uhr eingesetzt werden, betont ein Bahnsprecher. Der Signalton, der vor herannahenden Zügen am Nachbargleis warne, müsse immer lauter als das schwerste Baugerät sein.

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Von Mittwoch an erneuert die Bahn die Gleise auf der S6. Die Fahrt dauert mit Ersatzbussen eine halbe Stunde länger. Einschränkungen gibt es auch bei den Regionalzügen.

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Die Anwohner bittet der Bahnkonzern um Verständnis, dass sich "Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub auch nachts leider nicht gänzlich vermeiden lassen". Hierzu wurden auch Infozettel entlang der Bahnlinie an die Haushalte verteilt. Aber auch nachmittags wird die Bevölkerung auf die Geduldsprobe gestellt: So ertönte am Mittwoch allein zwischen 14 und 15 Uhr im Umkreis des Starnberger Bahnhofs Nord ein Dutzend Mal die Warnsirene. Die Gleisarbeiten haben bereits um fünf Uhr am Mittwoch südlich des Gautinger Bahnhofs begonnen. Dass dort Anwohner offenbar schon kurz darauf das Warnsignal gehört hätten, führt ein Bahnsprecher auf "Tests" zurück.

Wegen Gleisbauarbeiten fällt der S-Bahn-Verkehr zwischen Gauting und Starnberg wochenlang aus, viele Fahrgäste und Schüler sind deshalb auf Pendelbusse angewiesen. Die 71-jährige Marianne Reckeweg findet die Umsetzung des alternativen Fahrangebots "schlecht". Es herrsche Unklarheit, von welcher Haltestelle die Ersatzbusse abfahren. Auf Nachfrage erhalte man "immer falsche Auskunft" und werde "herumgereicht". Die 71-Jährige aus Großhadern hat beobachtet, wie der Ersatzbus vielen Leuten "vor der Nase wegfuhr" - ihr inklusive. Da die Busse nur im Zwanzig-Minuten-Takt kommen, habe sie sich ein Taxi genommen, um einen wichtigen Termin pünktlich zu erreichen.

Für den erfahrenen ÖPNV-Nutzer Alexander Schmidt stellen die Bauarbeiten dagegen kein Problem dar. Die Verbindung zwischen Starnberg und München sei "ganz normal, wie immer beim Schienenersatzverkehr".

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Die mangelnde Beschilderung der Haltestellen erschwert den Schulweg der beiden 15-Jährigen Kenan und Fabi. Die Schüler konnten offenbar auf dem Heimweg am Bahnhof Starnberg Nord den Abfahrtsort ihres Ersatzbusses nicht finden. "Wir haben einige Busfahrer gefragt und von allen unterschiedliche Antworten bekommen." Eine Busfahrerin habe sich empört, dass sie gerade Pause mache. Einer der Schüler gab an, bereits morgens wegen der Umstellungen verspätet zur Schule gekommen zu sein. Seine Mutter habe ihm zwar den Ersatzfahrplan von der Internetseite der Deutschen Bahn aufs Handy geschickt, jedoch habe er die richtige Ersatzhaltestelle in Gauting nicht finden können. "Dann habe ich den Bus verpasst und musste den nächsten nehmen."

Ein anderer Busfahrer, der nun Kinder und Jugendliche zum Gautinger Schulzentrum fährt und nach Starnberg zurückbringt, sieht die neue Situation gelassen. Es komme darauf an, die Nerven zu behalten, es müsse sich alles im Schienenersatzverkehr einspielen, sagte der 54-Jährige.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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