Nachhaltige Energie:Gezerre um die Windkraft

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Vier große Windräder drehen sich bisher im Landkreis Starnberg. Sie stehen in einem Wald in der Gemeinde Berg. (Foto: Nila Thiel)

Derzeit sind im Fünfseenland so viele Windräder wie nie geplant. Gleichzeitig mobilisieren sich die Gegner. Doch viel zu melden haben die nicht mehr.

Von Michael Berzl, Christian Deussing und Viktoria Spinrad, Starnberg

Gemächlich drehen sich dieser Tage die Rotoren der Berger Windkraftanlagen, als wollten sie sagen: Schaut her, es lohnt sich, gewisse Kämpfe durchzufechten. Und das muss es auch: Denn seit der Gaskrise soll es plötzlich schnell gehen mit den Windrädern, auch in Bayern - und damit auch im pittoresken Fünfseenland, das ja sonst gerne als eine Art Vorzeigebeispiel dafür herhalten musste, wieso man die Landschaft verschonen möge. Bis zu 80 Windräder müssten im Landkreis Starnberg laut Berechnungen von Experten entstehen, damit die Energiewende klappt.

Und es rührt sich einiges: Gerade sind hier so viele neue Anlagen geplant wie noch nie, darunter auf Kraillinger Flur in der Nähe der Lindauer Autobahn, bei Königswiesen und Buchendorf, auf Flächen der Toerring'schen Unternehmensverwaltung in Wörthsee sowie auch in Gilching auf Flächen des Grafen Toerring. Auch in Gauting passiert etwas: Bis zu zehn Windräder sind hier vorgesehen, die in einem Bürgerbeteiligungsmodell finanziert werden sollen. Eigentlich, muss man sagen - und hier geht das Behördengezerre los. Denn den juristischen Ritterschlag vom Planungsverband erhielt der Standort in einem ersten Vorschlag nicht, was nun für Unruhe sorgt im Landratsamt.

Es ist ja so: Einerseits können die Kommunen selber Flächen für Windkraft ausweisen. Der Landkreis Starnberg ist hier bereits 2012 voranmarschiert und hat diverse grüne Flecken auf seiner Karte markiert, sogenannte "Windkraftkonzentrationsflächen". Andererseits drückt jetzt der Bundes-Wirtschaftsminister Robert Habeck mit seinem "Wind an Land"-Gesetz von oben. Bis Ende 2032 muss der Freistaat 1,8 Prozent seiner Fläche für Windkraft ausweisen. Auf diesen sogenannten "Vorrangflächen" darf dann nichts gebaut werden, was der Windenergie entgegensteht. Windräder wären hier dann privilegiert, würden also in einer Art Fast-Track-Verfahren genehmigt. Bürgerbegehren könnten hier nichts mehr ausrichten.

Die Flächensuche ist eine knifflige Aufgabe, die beim Regionalen Planungsverband München (RPV) liegt - und teils zu ganz anderen Suchergebnissen führt. Zwei Ebenen, zwei Herangehensweisen: Legt man die beiden Karten nebeneinander, dann ist etwa Gauting plötzlich gar nicht mehr Teil der obersten Vorab-Planung - wegen "artenschutzrechtlicher Erkenntnisse", wie es vom Planungsverband heißt. Und weil der Standort außerhalb der größeren Cluster liegt, in der die übergeordnete Behörde den Großraum München in Windkraftzonen teilt.

Hier Hü, da Hott - potenzielles Argumentationsfutter für die Menschen, die sich vor Ort gegen geplante Windanlagen positionieren. So auch in Gauting. Hier haben sich in der vergangenen Woche vor dem Rathaus Windkraftgegner versammelt. "Bürgerbegehren jetzt", steht auf einem Transparent. 2173 Unterschriften hat die Initiative unter dem Namen "Umwelt-Energie-Gauting" innerhalb von nur drei Wochen gesammelt gegen die zehn geplanten Windräder.

Bis zu zehn Windräder sind auf diesen beiden Grundstücken in Gauting geplant, welche die Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Sing in einem Bürgerbeteiligungsmodell finanzieren will. (Foto: LRA Starnberg)
Hier der Blick von Buchendorf zum Wald in Richtung Gauting. (Foto: Georgine Treybal)
In den Vorab-Plänen des Regionalen Planungsverbands sind die Gautinger Flächen allerdings nicht berücksichtigt. Im Forstenrieder Park allerdings gibt es ein Cluster. (Foto: RPV)

Vor Ort geht es um Infraschall und Mikroplastik, Rotmilane und Wespenbussarde, Waldschutz und Landschaftsbild sowie um Vögel, die "geschreddert" würden - dabei sprechen sich mittlerweile auch Vogelschützer in der Abwägung für Windräder aus. Auch der frühere bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und Ex-Bürgermeisterin Brigitte Servatius (SPD) gehören zu den Unterstützern des Bürgerbegehrens. Anette Bäuerle, einer der federführenden Gegner, spricht von "ökonomischem und ökologischem Irrsinn".

Argumente, die so anderswo längst nicht mehr fallen und für Verwunderung sorgen im Planungsbüro Sing. Dieses hat in der Region schon Dutzende Anlagen geplant und ist bei einigen davon als Betreiber beteiligt. In der Regel, so die Erfahrung, rentieren sich Bürgermodelle: "Wir haben immer mehr ausgeschüttet, als prognostiziert war", sagt Kristina Willkomm, Prokuristin im Büro Sing.

Vor dem Gautinger Rathaus zeigen Windkraftgegner Flagge (von links): Anja Haas, Bernhard Fliedner, Beatrice Gier, Anette Bäuerle, Michael Verwagner und Jörg Sauer. (Foto: Georgine Treybal)

Zurück zur Demo vor dem Gautinger Rathaus. Immer wieder fällt das Stichwort des Landschaftsschutzes. Ein Thema, das auch den Regionalen Planungsverband umtreibt. Er versucht in seinen Plänen, möglichst große Cluster zu bilden - auf dass die Menschen noch durch die Natur spazieren können, ohne auf Windräder zu stoßen und im Süden einen möglichst freien Blick auf die Alpen haben. Und zack, fiel Gauting durchs Raster. "Das könnte uns den Genehmigungsprozess erschweren", stöhnt Landrat Stefan Frey (CSU).

Was längst nicht heißt, dass hier nicht eines Tages Windräder stehen könnten: Schließlich bleiben die eigenen Konzentrationsflächen weiter gültig, solange der RPV nicht etwa ein Netz von Ausschlussflächen erlässt - also Flächen, auf denen Windräder untersagt werden. "Das ist aber derzeit nicht geplant", versichert RPV-Geschäftsführer Marc Wißmann. Zwischen ihm und Frey läuft dieser Tage ein juristisches Tauziehen. Nicht, dass hier einer der Gegner in dem Doppelgemoppel noch einen wunden Punkt findet, wie es der Landrat befürchtet. Doch auch der Planungsverband steht unter Druck: Seine Karten müssen hieb- und stichfest sein - schließlich muss er Flächen liefern. "Wenn dann mit verschiedenen Methoden Flächen ausgewiesen werden, bringt uns das in rechtliche Schwierigkeiten", sagt Wißmann.

"Wenn es nicht die Gemeinde macht, dann kommt eben irgendein Investor"

Abseits der Detailgerangel können die Widerständler vor dem Rathaus aber noch so laut protestieren. Verhindern lassen sich die Flächen dadurch nicht. "Wenn es nicht die Gemeinde macht, dann kommt eben irgendein Investor, der die Flächen pachtet", sagt Prokuristin Willkomm. Widerstand hin oder her.

Der hat auch längst die Gemeinde Gilching erreicht. Hier sind zusammen mit den Nachbargemeinden Alling und Schöngeising drei Anlagen nördlich des Ortsteils Rottenried geplant, unter Federführung der Stadtwerke Fürstenfeldbruck und dem kritischen Auge von Gegnern. 500 Unterschriften haben diese gesammelt und wollen noch Flugblätter an 5000 Haushalte verteilen. Die Initiatorin des Bürgerbegehrens, Sigrun Mairandres, moniert, dass die Anlagen mit etwa 263 Metern Höhe fast doppelt so hoch wären wie der Fernmeldeturm Schöngeising (144 Meter).

Auf dieser Gilchinger Fläche planen die Stadtwerke Fürstenfeldbruck gemeinsam mit den Nachbargemeinden Alling und Schöngeising den Bau von bis zu drei Windrädern. (Foto: RPV)
Sie sollen auf einer Lichtung in diesem Waldstück entstehen. Im Hintergrund der Fernmeldeturm von Schöngeising. (Foto: Georgine Treybal)

Aus Sicht des Planungsverbands kein Argument gegen die Flächen. In seinen Vorab-Karten ist Rottenried rot schraffiert: höherer behördlicher Segen also, gegen den Menschen wie Mairandres noch so protestieren können. Ein Bürgerbegehren kann hier nichts mehr ausrichten. Auch Gilchings Bürgermeister Manfred Walter (SPD) zeigt sich verwundert - und wählt klare Worte. "Irreführend" sei das Begehren, sagt er. Schließlich gehören die Grundstücke nicht der Gemeinde. Er verweist darauf, dass die Konzentrationsflächen längst rechtswirksam festgestellt wurden, die Planungen bei den Stadtwerken Fürstenfeldbruck liegen. Diese haben die notwendigen Flächen bereits gepachtet. "Die Proteste kommen zwölf Jahre zu spät."

Entlang des Starnberger Sees hinab ist auch längst mancher Tutzinger aufgeschreckt, seit die bunten Karten des Planungsverbands im Gemeinderat auftauchten. Wer sich durch das Material wühlt, findet lila Flächen um den Baderbichl in Traubing sowie in Richtung Monatshausen. Zack, war die digitale Schlammschlacht im örtlichen Blog eröffnet. Während die Gegner vom "unerträglichem Standort" sprachen, werfen ihnen Befürworter eine Einstellung eines " Nimby" vor, also eine " not in my backyard" - Mentalität. Eine der trotzigen Antworten: "Mit einer vollen Hose ist gut stinken!" Die Diskussionen um die Nachhaltigkeit, sie werden längst unter der Gürtellinie ausgetragen.

Der RPV hat auch in Tutzing nach Windkraftflächen gesucht, hier aber keine Cluster gefunden. (Foto: RPV)
Ob hier, zwischen Monatshausen und Diemendorf mal Windräder stehen werden? Eher unwahrscheinlich. (Foto: Georgine Treybal)

Viel Wind um nichts, muss man an dieser Stelle einwerfen: Schließlich sind die lila Suchflächen bloß Flächen, in denen per se erstmal keine höheren Mächte wie Flughäfen oder Naturschutzgebiete gegen ein Windrad sprachen. Weil die wohl ohnehin zu kleinen Flächen aber abseits der taktischen Cluster lagen, schafften sie es nicht in die Königskategorie der "Vorrangflächen". Sie sind also eine Art Reserve der Reserve. "Wenn die Gemeinde hier selber keine Planungen vorantreibt, ist es eher unwahrscheinlich, dass hier Windenergiegebiete geplant werden", sagt RPV-Geschäftsführer Wißmann.

Anruf bei Bürgermeister Ludwig Horn (CSU). Will da einer was vorantreiben? Oder lieber nicht? Da hält sich Horn lieber noch bedeckt. In den Bürgerdialog gehen, ja, dafür sehe er sich als Zugpferd. Er könne beide Seiten verstehen, auch die Gegner, es gelte aber eben auch: "Jeder muss etwas dazutun für den Energiemix." Ein Faktum, das auch Landrat Frey betont: "Wenn wir hier weiterhin unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir uns auf den Weg machen", sagt er - und zeichnet ein eher düsteres Szenario: "Ohne Energie wandern die Unternehmen ab. Dann geht auch die Steuerkraft verloren." Ein Dauerthema im finanziell chronisch strapazierten Landkreis Starnberg.

Und so drängt die Zeit. Bis 2026 will der Planungsverband seine bunten Karten mit den Fast Track-Windflächen final abgestimmt haben. Und wenn alles nach Plan läuft, gehen im Jahr darauf bereits die Gilchinger Windkraftanlagen ans Netz. Die vier in Berg drehen sich derweil mal mehr, mal weniger. Je nachdem eben, aus welcher Richtung der Wind gerade so bläst.

Gelegenheit zur Diskussion über das umstrittene Thema gibt es am Dienstag, 18. Juni, bei einer Veranstaltung des Vereins "Zukunft Gauting" im Bosco. Landrat Stefan Frey ist eingeladen, um über den aktuellen Stand auf dem Weg zur Energiewende zu informieren. Danach sollen Vertreter der Betreibergesellschaft "Bürgerwind" und Kritiker des Projekts Gelegenheit erhalten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Die Moderation übernimmt Tammo Körner. Beginn ist um 19 Uhr.

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