Wirtschaft im Landkreis Starnberg:"Das wäre der absolute Wahnsinn"

Wirtschaft im Landkreis Starnberg: In der Klosterbrauerei in Andechs befürchtet man, dass bei einem Gas-Embargo mehr als 10 000 Hektoliter Bier nicht mehr weiterverarbeitet werden könnten.

In der Klosterbrauerei in Andechs befürchtet man, dass bei einem Gas-Embargo mehr als 10 000 Hektoliter Bier nicht mehr weiterverarbeitet werden könnten.

(Foto: Georgine Treybal)

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft warnt vor einem Gas-Embargo gegen Russland - allein im Landkreis Starnberg wären dadurch mehr als 4000 Arbeitsplätze bedroht. Auch die Klosterbrauerei Andechs befürchtet verheerende Auswirkungen.

Von Linus Freymark

Seit Jahrhunderten wird auf dem Heiligen Berg in Andechs Bier gebraut. Kriege und Missernten haben die Produktion des Klosterbieres in dieser Zeit immer wieder behindert. Nun befürchtet man auf dem Andechser Berg die nächste Katastrophe: ein mögliches Gas-Embargo gegen Russland. "Für uns wäre das ein absolutes Desaster", sagt Betriebsleiter Alexander Reiss - trotz der Unterstützung für die bereits beschlossenen Sanktionen.

Wie der Klosterbrauerei Andechs geht es vielen Unternehmen: Das bereits beschlossene Kohle-Embargo stecken viele Firmen einigermaßen weg. Auch ein derzeit diskutierter, staatlich angeordneter Stopp von Erdöl-Importen aus Russland ist für die regionale Wirtschaft halbwegs verkraftbar. Beide Rohstoffe lassen sich auch anderswo beschaffen, nicht umsonst war Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich in Katar. Gegen die Machthaber dort gibt es im Westen zwar auch Vorbehalte, aber immerhin, es gibt Alternativen. Beim Erdgas ist das nicht der Fall, weshalb die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) eindringlich vor einem solchen Schritt warnt.

Deutschland würde sich mit einem kurzfristig beschlossenen Embargo "seiner industriellen Basis berauben", erklärt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bezirksgruppe München-Oberbayern, Norbert Peine. Durch einen solchen Schritt hätte Deutschland 35 Prozent weniger Gas als bislang zur Verfügung. Jeder fünfte Betrieb in Bayern müsste nach einer Umfrage der VBW bei einem kurzfristigen Wegfall von russischem Gas seinen Betrieb einstellen. Davon betroffen wären mindestens 220 000 Beschäftigte.

Der Bruttowertschöpfungsverlust würde sich auf jährlich rund 400 Millionen Euro belaufen

In Starnberg wären nach Zahlen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), das die möglichen Auswirkungen für die einzelnen Landkreise errechnet hat, etwa 4400 Arbeitsplätze durch ein Gas-Embargo bedroht. Der Bruttowertschöpfungsverlust würde sich demnach in der Region auf jährlich rund 400 Millionen Euro belaufen, in ganz Bayern wären es sogar fast 40 Milliarden Euro. "Für Unternehmen, die kein Gas mehr bekommen, sind die Folgen gravierend", warnt Peine.

Für die Klosterbrauerei Andechs würde das bedeuten: Die riesigen Biertanks könnten nicht mehr gereinigt werden, zudem wäre die Abfüllung nicht mehr durchführbar. Mehr als 10 000 Hektoliter Bier könnten dann nicht mehr weiterverarbeitet werden. Hinzu kämen Probleme bei der Malzbeschaffung sowie des Zukaufs von Bierflaschen, da auch Partnerfirmen vor großen Schwierigkeiten stehen würden. "Kein Gas, kein Glas", erklärt Reiss. "Ein Gasembargo würde uns massiv treffen."

Verglichen mit anderen Regionen in Bayern würde Starnberg aber trotz der drastischen Folgen noch glimpflich davonkommen. Im nach Einwohnern nur unwesentlich größeren Landkreis Traunstein wären nach den Berechnungen des IWH 6500 Arbeitsplätze bedroht, in der Audi-Stadt Ingolstadt - nach Einwohnern etwa gleich groß wie der Landkreis Starnberg - wären es sogar 11 000 Stellen. Grund dafür sei der große Anteil industrieller Arbeitsplätze, erklärte Marc Hilgenfeld von der VBW. In Starnberg ist dieser Prozentsatz vergleichsweise gering.

Dennoch: Käme das Gas-Embargo ohne entsprechende Übergangsfristen, bliebe Reiss nichts anderes übrig, als seine Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Und das Bier? Das müsste man dann "im Kanal lassen", befürchtet Reiss. "Das wäre der absolute Wahnsinn."

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