Fünfseen-Filmfestival:Starnberg im Auge des Drachen

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Gautings Bürgermeisterin Brigitte Kössinger, Vize-Landrat Matthias Vilsmayer, der Generaldirektor der Taipeh-Vertretung, Ian-Tsing Dieu, und Festivalleiter Matthias Helwig beim Empfang vor dem Kino Breitwand in Gauting. (Foto: Nila Thiel)

Weil Festivalleiter Matthias Helwig im Internet ein Foto von deutschen und taiwanischen Flaggen gezeigt hat, bekommt er Ärger mit dem Generalkonsulat der Volksrepublik. Der Zensurversuch rückt den Empfang in politisches Licht.

Von Astrid Becker und Justus Niebling, Starnberg

Halbvolle Sektgläser und mit taiwanischem Fingerfood beladene Papp-Untersetzer zieren am Dienstag die Stehtische vor dem Breitwand-Kino in Gauting. Die Taipeh-Vertretung in München hat an diesem Abend bereits zum elften Mal zu einem Empfang im Rahmen des Fünfseen-Filmfestivals eingeladen. Und wie in anderen Jahren zuvor dienen bayerische, deutsche und taiwanische Fähnchen als Dekoration. Ein Foto dieser Ménage-à-trois hatte Matthias Helwig, Veranstalter des Filmfestivals, auch auf der Homepage des Filmfestivals hochgeladen. Offenbar keine gute Idee: Denn das für den Landkreis Starnberg cineastische Großereignis wird offenbar argwöhnisch von der Weltmacht China beobachtet. Der Grund dafür ist das Gastland des Festivals: Taiwan.

Denn am Tag des Empfangs hat Helwig einen Anruf aus dem chinesischen Konsulat in München erhalten. Man habe ihn gebeten, das Bild wieder von der Website zu nehmen, erzählt er. "Ein Foto der bayerischen und taiwanischen Flagge ohne die deutsche wäre wohl okay gewesen." Dass er dem Wunsch der Chinesen nachgegeben habe, begründet Helwig pragmatisch: Es gehe ja darum "einen Einblick in die taiwanische Kultur zu ermöglichen, dem sehr interessanten taiwanesischen Film ein Forum zu bieten und unserer gewachsenen Freundschaft zu Taiwan Ausdruck zu verleihen" - und nicht darum, "irgendein Politikum heraufzubeschwören."

Doch der Machtkampf zwischen China und Taiwan hat auch den Landkreis Starnberg erreicht. Und das nicht erst in diesem Jahr, in dem China seine Herrschaftsansprüche auf Taiwan so deutlich wie schon lange nicht mehr zum Ausdruck bringt. Maren Martell, die das Filmfestival von 2018 bis 2021 als Pressesprecherin begleitet hat, erinnert sich: "Der Anruf eines freundlichen Mitarbeiters des chinesischen Konsulats in München mit der Bitte, man möge Taiwan in den Medien nicht als Partner-Land bezeichnen, ist für mich in dieser Zeit schon zur Routine geworden." Sie habe es "bemerkenswert" gefunden, dass ein so großes Land wie China ein vergleichsweise kleines Festival wie in Starnberg beobachtet. Mit dem Hinweis, Deutschland sei eine Demokratie und sehe die politische Situation anders als China, habe sie den Wünschen der Chinesen meist eine klare Absage erteilt, erzählt sie. "Da waren ja unsere Programmhefte, Magazine und auch Kataloge meist schon gedruckt." Aber klar, die Politik stehe derzeit mehr in den Fokus als früher, meint Martell.

Zu sehen ist diesmal beim Fünfseen-Filmfestival "American Girl", ein semi-autobiografisches Drama über Fen Liang, die zusammen mit ihrer Mutter und jüngeren Schwester von USA zurück nach Taiwan kehrt. (Foto: FSFF)

Das sieht Helwig offensichtlich genau so. Denn auch er spricht in seiner Ansprache an diesem Abend darüber, dass sein Filmfestival und der Empfang plötzlich politisch geworden seien - wegen der Freundschaft zum Inselstaat Taiwan. In den vergangenen Jahren sind politische Themen bei diesen Empfängen grundsätzlich ausgespart worden. Vielmehr dienten diese Anlässe dazu, die Freundschaft zu festigen, sich auszutauschen über persönliche Befindlichkeiten und ganz einfach als gesellschaftliche Ereignisse im Rahmen des Festivals. Auch die Filme, die gezeigt wurden, hatten stets gesellschafts- oder sozialkritische Themen im Fokus, die einen Einblick in das Land gewährten. Auch in diesem Jahr weisen die beiden ausgewählten Kurzfilme und der Spielfilm aus Taiwan keinen außenpolitischen Bezug auf. Die Filme drehen sich vielmehr auch diesmal um gesellschaftliche Probleme Taiwans, etwa um die schlechte Stellung verarmter Frauen an der Südwest-Küste des Landes, um die Ergreifung von Land durch große Bauunternehmer und Korruption, sowie um die Ausgrenzung zurückgekehrter Emigranten. Helwig hatte die Filme eigenen Aussagen zufolge noch vor dem viel diskutierten Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan ausgewählt.

Auch gezeigt wird "When Henge meets Crescent", ein Kurzfilm über die zwei Jungs Wen-He and Jun-Yo, die gute Freunde werden. Ein Bestechungsskandal in einem kleinen Dorf wirft einen Schatten auf ihre Freundschaft und ihre rivalisierenden Familien. (Foto: FSFF)

Im Nachhinein hätte er vielleicht auch einen anderen Film gezeigt, sagte Helwig am Mittwoch nach dem Empfang. Ein Werk, das auf die Spannungen zwischen Taiwan und Festlandchina eingeht - auch wenn, wie er meint, die Taiwaner selbst an die Herrschaftsbestrebungen Chinas gewöhnt seien und das noch immer sehr gelassen nähmen. Gelassener als China jedenfalls, das wohl auch in Zukunft genau hinschauen wird, was auf dem Starnberger Filmfestival in Sachen Taiwan geplant wird.

Der Hintergrund aus chinesischer Sicht liegt auf der Hand: Die Weltmacht erkennt, wie übrigens die Bundesrepublik Deutschland auch, Taiwan nicht als souveränen Staat an. Im Landkreis Starnberg spielte dies bisher allerdings nur eine untergeordnete Rolle: Im Vordergrund stand bislang immer die Freundschaft mit der Stadt Neu Taipeh und dem Landkreis Hualien. Offiziell jedoch hat diese Freundschaft nicht den gleichen Status wie die offiziellen Partnerschaften zu anderen Regionen wie etwa Bad Dürkheim in der Pfalz.

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