Fünfseen-Filmfestival:Von der Scham zum Spielhunger

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Corinna Harfouch hält den Hannelore-Elsner-Preis in die Kamera: Mit ihm wird sie laut Festivalleiter Matthias Helwig ausgezeichnet, weil bei ihren Figuren immer eine Doppelbödigkeit spürbar ist. (Foto: Arlet Ulfers)

Schauspielerin Corinna Harfouch bekommt in der Starnberger Schlossberghalle den Hannelore-Elsner-Preis. Ihr Sohn Robert Gwisdek macht ihr eine öffentliche Liebeserklärung.

Von Katja Sebald, Starnberg

Am Ende stand der Abend ganz im Zeichen der Liebe. Der Hannelore-Elsner-Preis gehe an eine Schauspielerin, die „wir lieben und verehren“, sagte die Moderatorin Christina Wolf. Das Fünfseen-Filmfestival zeichne sich nicht zuletzt durch ein „liebevolles Publikum“ aus, fuhr sie fort. Corinna Harfouch ist die diesjährige Preisträgerin – und ihr Sohn Robert Gwisdek hielt seiner Mutter keine Laudatio, sondern machte ihr auf der Bühne eine öffentliche Liebeserklärung. 

Als er 2019 vom Tod von Hannelore Elsner erfahren habe, die einige Jahre zuvor Ehrengast war und dem Fünfseen-Filmfestival bis zuletzt verbunden blieb, habe er beschlossen, ihr Andenken mit einem nach ihr benannten Preis zu bewahren, sagte Festivalleiter Matthias Helwig bei der Preisverleihung am Montagabend in der Schlossberghalle. Die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung wird von Susanne und Carsten Zehm gestiftet und würdigt herausragende Leistungen deutschsprachiger Schauspielerinnen. In den vergangenen Jahren wurden Barbara Auer, Nina Hoss, Birgit Minichmayr, Sandra Hüller und zuletzt Paula Beer ausgezeichnet.

Angesichts ihres großen Oeuvres habe es auf der Hand gelegen, in diesem Jahr Corinna Harfouch auszuzeichnen, sagte Helwig: „Hinter der Darstellung ihrer Figuren ist immer eine Doppelbödigkeit spürbar, hinter der Kälte die Wärme. Und das macht einen Film erst interessant, wenn eine Figur nicht klischeehaft dargestellt wird, sondern der Zuschauer spürt: Diese Person hat viele Jahre lang wirklich gelebt. Allein ihre Filme seit 2013, ja allein die zwanzigminütige Einstellung am Mittagstisch in ,Sterben’ wären jede Auszeichnung wert.“ 

Corinna Harfouch wurde 1954 in Suhl in der damaligen DDR geboren. Ihre ersten Bühnenerfahrungen machte sie im „Pioniertheater“ im sächsischen Großenhain, wo sie ihre Kindheit verbrachte. „Ich wusste bei der allerersten Probe, dass dies mein Ort ist“, erzählte sie nun in Starnberg, „und dass es nichts Wichtigeres, nichts Schöneres und nichts Richtigeres für mich geben kann als diesen Beruf.“ Nach dem Abitur absolvierte sie dennoch zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester und begann 1975 ein Studium zur Textilingenieurin. Erst beim zweiten Versuch war ihre Bewerbung an der Staatlichen Schauspielschule Berlin erfolgreich.

Robert Gwisdek sagt über seine Mutter: "Sie macht das, weil sie das wirklich liebt.“ (Foto: Arlet Ulfers)
Festivalleiter Matthias Helwig begrüßt die zahlreichen Gäste in der Starnberger Schloßberghalle. (Foto: Arlet Ulfers)

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Corinna Harfouch (Mitte) erzählt, wie sie zu ihrem Beruf fand. (Foto: Arlet Ulfers)

Anfang der 80er-Jahre feierte sie Erfolge als „Lady Macbeth“ an der Volksbühne Berlin und im Goethe-Klassiker „Faust II“ in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz. Ihren ersten Film habe sie sich nie angesehen, sagte sie, weil sich alles falsch angefühlt habe. „Ich wollte das nie wieder machen.“ Sie habe vor der Kamera viel Scham empfunden und lange gebraucht, um diese zu überwinden. Gleichzeitig erfülle es sie heute noch mit Stolz, Krankenschwester zu sein. Dieser Beruf sei ein Teil von ihr. 

Corinna Harfouch gehört heute zu den profiliertesten deutschsprachigen Schauspielerinnen. Bekanntheit erlangte sie spätestens 2002 durch ihre Verkörperung der wegen Mordes verurteilten Vera Brühne. In Bernd Eichingers Kinofilm „Der Untergang“ spielte sie 2004 die Rolle der Magda Goebbels, die ihre sechs Kinder vergiftete. „Ich versuche, diesen kühlen, garstigen und grausamen Frauen meine ganze Liebe zu geben“, sagte sie auf die Frage der Moderatorin, wie sie damit umgehe, dass man ihr stets das Adjektiv „kühl“ zuordnet. „Es schmerzt mich, wenn ich das Gefühl habe, dass es wieder nicht gereicht hat“. Umso mehr freue es sie, das Helwig die Wärme hinter der Kälte gesehen habe.

Das Preisgeld geht an ihren Theaterverein in Brandenburg

Für die Hauptrolle in dem Spielfilm „Sterben“ von Matthias Glasner wurde Harfouch in diesem Jahr mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. „Meine Mutter ist nicht nur eine sehr gute Schauspielerin“, sagte ihr Sohn Robert Gwisdek, „sie ist auch eine sehr interessante Person, die nie aufhört, sich weiterzuentwickeln“. Mit der gleichen Leidenschaft und dem gleichen „Spielhunger“, mit dem sie sich auf ihre großen Rollen vorbereite, studiere sie auch Texte für kleine Theaterauftritte oder Lesungen. „Sie macht das, weil sie das wirklich liebt.“ Harfouch sagte, sie wolle ihr Preisgeld dem von ihr gegründeten Theaterverein in Brandenburg stiften, mit dem sie ihren Wohnort kulturell bereichern will.

Nach der Preisverleihung wurde dann zwar nicht der Film „Sterben“ gezeigt, in dem Harfouch an der Seite von Lars Eidinger spielt, sondern ihr neuester Film „Die Ironie des Lebens“, der erst vor wenigen Tagen in München Premiere feierte – um Liebe aber geht es auch in dieser Tragikkomödie.

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