Krise? Welche Krise? Man muss Matthias Helwig nur ein Mikrofon in die Hand geben, und schon beginnt er von Filmen zu erzählen, gerät ins Schwärmen, muss sich selbst bremsen, um nicht zu viel vom Inhalt zu verraten. Womöglich ist es die letzte Pressekonferenz für ein Fünfseen-Filmfestival (FSFF). Der Landkreis und die Stadt Starnberg haben ebenso wie einzelne Gemeinden in diesem Jahr die Fördergelder noch einmal drastisch gekürzt, die Zukunft des weithin leuchtenden Filmevents ist ungewiss.
Hinter ihm lägen zahllose Gespräche, Sitzungen, Hoffnungen und zerschlagene Hoffnungen, bekannte Helwig am Dienstagvormittag. Er und sein Team hätten aber im Juni beschlossen, sich ganz auf das 18. FSFF zu konzentrieren, das am kommenden Dienstag beginnt und das Fünfseenland mit rund 130 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus 42 Ländern wieder einmal für zehn Tage zum Zentrum des europäischen Filmgeschehens macht.
Zur Pressekonferenz waren der Regisseur Hans Steinbichler und die Regisseurin Daria Kuschev nach Starnberg gekommen. Steinbichler wird auf dem Festival mit seiner allerersten Werkschau geehrt. Kuschev, die aus Kasachstan stammt und seit 2016 in Starnberg lebt, wird ihre Dokumentation über das russisch-orthodoxe Frauenkloster in Buchendorf vorstellen. Weitere Ehrengäste sind der Regisseur Andreas Dresen, dessen neuer Film „In Liebe, Eure Hilde“ das Festival am 3. September eröffnet. Außerdem ist der Kameramann Martin Gschlacht geladen.
Und natürlich die Schauspielerin Corinna Harfouch, die in diesem Jahr mit dem Hannelore-Elsner-Preis ausgezeichnet wird. Insgesamt werden rund 80 Filmschaffende als Gäste erwartet, sie alle werden an den verschiedenen Spielstätten ihre Werke persönlich präsentieren. Bevor sie selbst zum Greifen nah sind, muss man sich nun noch ein paar Tage lang mit den begeisterten Erzählungen des Festivalleiters begnügen.
Er habe den „hochberührenden“ Film über die Widerstandskämpfer Hilde und Hans Coppi, die zur „Roten Kapelle“ gehörten und deren gemeinsames Kind im Gefängnis zur Welt kam, für den Eröffnungsabend nicht nur ausgewählt, weil er Andreas Dresens Arbeit seit Langem schätze, erläuterte Helwig. Sondern auch, weil die Beschäftigung mit der deutschen NS-Geschichte ein Schwerpunkt des diesjährigen Festivals sein soll.
Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Film „Irena’s Vow“ von Louise Archambault, der die wahre Geschichte von Irena Gut erzählt: Die Polin arbeitete während des Zweiten Weltkriegs im Haus eines deutschen Majors und versteckte ausgerechnet dort eine Gruppe von Juden. Eine der Frauen brachte im Verborgenen einen Sohn zur Welt. Er hat überlebt und wird am 10. September zur Vorstellung des Films nach Starnberg kommen.
Ein weiterer Schwerpunkt des diesjährigen Festivals ist die Reihe „Verso Levante“: Mit acht sorgfältig ausgewählten Filmen aus Israel, Jordanien und Libanon will Helwig hier den Filmschaffenden aus der Levante-Region eine Stimme geben und zum Dialog einladen. Am 8. September findet dazu um 11 Uhr eine Panel-Diskussion statt. Erwartet werden die Filmemacherin Myriam El Hajj aus Beirut und Paris, die Berliner Schriftstellerin Sara Klatt und der Filmemacher Dani Rosenberg, dessen Spielfilm „The Vanishing Soldier“ im Anschluss an die Diskussionsrunde gezeigt wird. In der Reihe wird außerdem Tom Shovals Film „Youth“ aus dem Jahr 2013 laufen: In einer der Hauptrollen ist David Cunio zu sehen, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas als Geisel verschleppt wurde und bislang nicht zurückgekehrt ist.
Mit Marcus O. Rosenmüllers Werk über Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Yasemin Samderelis „Samia“ und „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ von Julia von Heinz gibt es auf dem Festival auch drei Filme vor ihrem offiziellen Kinostart zu entdecken. Der österreichische Spielfilm „80 plus – Toni und Helene“ feiert am 4. September in der Schlossberghalle in Anwesenheit der Regisseure Sabine Hiebler und Gerhard Ertl sowie der beiden Hauptdarstellerinnen Christine Ostermayer und Margarethe Tiesel seine Deutschlandpremiere.
Auch der Film „Bisons“ des Schweizer Regisseurs Pierre Monnard, in dem es um den Schweizer Traditionssport Schwingen geht, wird am 9. September erstmals in Deutschland zu sehen sein. Der Schweizer Dokumentarfilm „Omegäng“, der sich auf die Suche nach einem vergessenen berndeutschen Dialektwort begibt, wird in Anwesenheit des Regisseurs Aldo Gogolz am 7. September in Gauting ebenfalls seine internationale Premiere feiern.
Und schließlich wird auch der österreichische Filmemacher Antonin Svoboda seinen neuen Spielfilm „Persona non grata“ am 4. September erstmals einem deutschen Publikum vorstellen.
Alle Filme und Termine finden sich online auf der Homepage des Fünfseen-Filmfestivals unter Fünf Seen Filmfestival 2024 (fsff.de).