Starnberg:Fortunas Launen

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Die zum Stadtjubiläum aufgebaute Seebühne erlebt eine feucht-fröhliche Premiere. Friesennerz und Decken gehören zur Grundausstattung.

Patrizia Steipe

StarnbergBregenz hat eine, am Chiemsee gibt es eine, sogar in Utting am Ammersee steht eine - jetzt hat endlich auch der Starnberger See seine Seebühne. Beim Premierenwochenende zeigten sich das Starnberger Publikum und die Mitwirkenden wetterfest. Egal, ob es schüttete, wie beim Auftakt der Hochberghauser Blasmusik mit der Stadtkapelle Starnberg, oder gegen Schluss leicht zu regnen begann, wie bei den Carmina Burana - die Veranstalter trotzten den Wetterkapriolen und zogen das Programm eisern durch. Höhepunkt des Festwochenendes zur Stadterhebung vor 100 Jahren war der Samstagabend. 1500 Besucher hörten die von Carl Orff vertonten mittelalterlichen Lieder aus dem Kloster Benediktbeuren.

Carmina Burana auf der Seebühne Starnberg 'Carmina Burana' von Carl Orff, aufgeführt auf der Starnberger Seebühne mit abschließendem Feuerwerk. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wir hatten in Starnberg noch nie eine Seebühne. Jetzt ist ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen", freute sich Starnbergs Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger in seiner Begrüßung. Zehn Tage lang steht die Stahlkonstruktion in Ufernähe des Wasserparks direkt im Starnberger See. Transparente Folien schützen die Musiker vor Regen und Wind und geben den Blick frei auf Wellen und Wasser. Als Starnberg vor 100 Jahren zur Stadt erhoben worden war, hätten die Bürger das Ereignis tagelang in "schöner und würdiger Weise" gefeiert, berichtete Pfaffinger. Prächtig hätten die Ehrengäste in ihren Galauniformen ausgesehen. 100 Jahre später bot sich ein anderes Bild. Auf festliche Roben verzichteten die Zuhörer, Friesennerz statt edler Stoffe lautete das Motto. Dicke Anoraks, Regenpelerinen, Mützen und Decken gehörten zur Grundausstattung des Festpublikums 2012. Am schlimmsten hatte es das Blasmusik-Konzert am Freitag erwischt. An diesem Abend hatte der Himmel alle Schleusen geöffnet. Unter Regenschirmen geduckt und in regenabweisende Kleidung gehüllt waren immerhin 250 unverzagte Gäste gekommen, um dem "bairisch-böhmisch-klassischen" Konzert der Hochberghauser Blasmusi und der Stadtkapelle Starnberg zu lauschen. Sie wurden mit einem temperamentvollen Potpourri an Stücken von Militärmusik bis zur Tanzmusik belohnt.

Am Samstag folgte das Highlight der Seebühnenspielzeit: die Carmina. Das bekannteste Werk des Komponisten Carl Orff feiert in diesem Jahr sein 75. Jubiläum. Zwei Jahre lang hatte der künstlerische Leiter und Dirigent Ulli Schäfer mit dem Chor und Orchester der Musica Starnberg für dieses Konzert geprobt. Das Stück hatte der Chor, der damals noch Starnberger Musikkreis hieß, schon 1995 zur Einweihung der Schlossberghalle Starnberg aufgeführt. Unterstützt wurde der Laienchor vom Kammerchor Schwabmünchen und dem Kinderchor Starnberg.

Graue Wolken, die teilweise noch den Blick auf den Abendhimmel freigaben, zogen über den See. Während Schäfer in einem weinroten Pailletten-Jackett die ersten Takte des Vorprogramms, Benjamin Brittens "Simple Symphony" und zwei Edward-Elgar-Märsche aus "Pomp and Circumstances" dirigierte, zog eine Schar aufgeschreckter Möwen ihre Kreise über die Bühne. Und auf der Liegewiese schnatterte eine Entenfamilie. Immer wieder warfen die Zuhörer bange Blicke gen Himmel, der sich bedrohlich zuzog. "Um 22 Uhr kommt der Regen", diese lokale Wettervorhersage machte die Runde. Am Ufer blinkten die Unwetterleuchten. Die Gewitterstimmung versetzte das Publikum in zusätzliche Spannung. "O Fortuna, velut luna statu variabilis", begann der Chor die berühmte Kantate über die Launenhaftigkeit der Glücksgöttin ("Fortuna Imperatrix Mundi"). Es schlossen sich 23 Lieder an, unterteilt in Frühlings-, Sauf- und Liebeslieder. Mächtige Paukenschläge, Trommeln, Orchester und die klar akzentuierten lateinischen Rezitative des Chores, aber auch die starken Stimmen der Solisten Roswitha Schmelz (Sopran), Sibrand Basa (Tenor) und Christian Eberl (Bariton) rissen das Publikum zu begeistertem Applaus hin. Gegen 22 Uhr, bei Lied Nummer elf, fielen die ersten Tropfen, und der Instrumentenklang auf der Bühne wurde im Publikum durch das Ratschen der Klettverschlüsse erwidert, als sich die Besucher ihre Regenjacken überstreiften. Für Feuerwerker Thomas Jorhann folgten bange Minuten. Doch es ging nach Plan. Während Chor und Orchester "O Fortuna" als Zugabe anstimmten, wurden im Nachthimmel synchron zur Musik Sternenregen und Lichterfontänen gezündet, und lauter noch als die Paukenschläge klangen die Detonationen der Feuerwerksraketen. Das Festwochenende beendeten am Sonntag Konzerte der Big Band Kempfenhausen und der drei Gospel-Chöre "Gospel at Heaven", "One World Project" und "Uli-Singers" aus Söcking.

© SZ vom 23.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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