Starnberg:Flurschaden im Hochwald

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Anlieger protestierten 2016 gegen den Wegebau am Hochwald. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vor einem Jahr ist gegen den Widerstand der Anwohner ein Waldweg angelegt worden

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Abholzaktion "Am Hochwald" haben die Anwohner bis heute nicht vergessen: Ende Februar 2016 nahmen sie mit Erstaunen zur Kenntnis, dass eine Arbeitskolonne im Auftrag der Starnberger Stadtverwaltung eine gut 380 Meter lange Schneise von der Ecke Am Hochwald/Hofbuchetstraße bis hin zur Hanfelder Straße in den Forst getrieben hatte. In dieser naturbelassene Idylle mitten im Siedlungsgebiet, in der zuweilen sogar Rehe gesichtet wurden, hatten die Arbeiter entlang eines bislang kaum genutzten Trampelpfades im Wald eine bis zu drei Meter breite Trasse freigeschnitten. Wenig später schachtete ein Bagger die oberste Schicht bis auf 30 Zentimeter Tiefe aus, Arbeiter schütteten Kies darüber, festigten den Weg mit Mineralbeton - fertig war ein neuer Waldweg. Vergeblich hatten die verständnislosen Anwohner gegen die Aktion protestiert, hatten versucht, die Arbeiten zu behindern und auch Unterschriften gesammelt. Und bis heute ist unklar, welche Folgeschäden der womöglich unsachgemäße Bau des Weges an den verbleibenden Baumbeständen - überwiegend Rotbuchen - hinterlassen wird.

Für den 88-jährigen Ottmar Maier, der unmittelbar am Waldrand lebt und von Beginn an zu den schärfsten Kritikern der städtischen Aktion zählt, steht längst fest: Der Flurschaden ist enorm und irreparabel. Erfahrene Fachleute hätten ihm mehrfach attestiert, dass aufgrund der gewählten Bauweise des Weges erhebliche Schäden für den verbleibenden Rest des schmalen Waldstreifens zu erwarten sind. Und eine Behebung dieses Schadens gilt als ausgeschlossen: Der verbleibende Baumbestand ist durch die Zerstörung der Feinwurzeln gefährdet. "Ein Skandal", sagt Maier. Aus seiner Sicht praktiziert die Stadtverwaltung im Hinblick auf den umstrittenen Weg eine "Taktik der Verniedlichung, Verzögerung und Vertuschung", denn die "Bäume siechen weiter vor sich hin".

Wer den Weg betritt, ist recht ernüchtert: Zwischen zartem Grün, dass sich dieser Tage den Weg an die Oberfläche bahnt, findet sich viel Totholz. An den noch kahlen Bäumen sind Nummerierungen angebracht, im Unterholz streunen Katzen umher. Insbesondere aber Hundebesitzer scheinen den Weg durch den Wald für eine kurze Gassi-Runde zu schätzen: An langer Leine erleichtern sich die Tiere, vereinzelt liegen rote Kotbeutel aber auch im Unterholz.

Die "Bürgerinitiative Hochwald" beharrt weiterhin auf Aufklärung in dieser doch recht undurchsichtigen Angelegenheit. Laut Yves Kessler, Fachmann für Vegetationstechnik aus Starnberg, sind speziell Rotbuchen sehr empfindlich gegen Wurzelbeschädigungen, Überbauung und Bodenverdichtung. Durch die beschädigten und durchtrennten Feinwurzeln ist die Regenerationsfähigkeit der Bäume stark eingeschränkt - eine Eintrittspforte für Schädlinge aller Art. Überdies sei der Weg mit wenig Sachverstand gebaut worden, die Bäume werden voraussichtlich in fünf bis 15 Jahren deutliche Verfallsspuren zeigen.

Aufgrund der Proteste hat die Stadt im Vorjahr bei der Firma "Treeconsult" in Gauting ein so genanntes Monitoring in Auftrag gegeben, um den Zustand der verbleibenden Bäume über einen längeren Zeitraum zu dokumentieren. Erk Brudi, Baumpflege-Sachverständiger, ist von der Stadt Starnberg schon mehrfach beauftragt worden und soll nach Kenntnisstand der Bürgerinitiative ein Gutachten beisteuern. Ein Zweitgutachten hat Karla Melka-Müller (Großkarolinenfeld) erstellt. Spannend wird sein, was in den beiden Gutachten, die der Stadtverwaltung bereits vorliegen sollen, steht. Die Bürgerinitiative glaubt: "Die Bewertung ist nicht identisch." Das Thema "Hochwald" war zuletzt am 30. März im Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität vorgesehen, aber nicht behandelt worden. Nächster Termin ist am 26. Juni. Dann aber soll nur Brudi persönlich anwesend sein, während man auf die Ausführungen von Melka-Müller angeblich aus Kostengründen verzichten will.

Eine Anfrage im Rathaus zum Thema blieb erneut unbeantwortet. Unklar ist weiterhin, auf wessen Bestreben der - möglicherweise unsachgemäß angelegte - Weg überhaupt zustande kam und wer für eventuelle Schäden haftbar gemacht werden könnte. Für die Bürgerinitiative aber steht fest, dass aus dem einst relativ intakten Wald irgendwann mal Bauland werden wird.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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