Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Feuerwehr fordert 50 hauptamtliche Retter und eine neue Wache

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Weil Aufgaben wie der Tunnel hinzukommen und der Nachwuchs fehlt, rechnet Kommandant Markus Grasl mit einem Investitionsbedarf von bis zu 50 Millionen Euro.

Von Peter Haacke, Starnberg

Vor enorme Herausforderungen sieht sich die Starnberger Feuerwehr gestellt: Mit Fertigstellung des B2-Tunnels im Jahr 2026 und der Erweiterung des Gewerbegebiets Schorn wird die Feuerwehr unter den derzeitigen Voraussetzungen kaum mehr in der Lage sein, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Im Rahmen einer Sondersitzung präsentierte Kommandant Markus Grasl am Montag im Stadtrat vor rund 70 Zuhörern die aktuelle Situation der Feuerwehr, die von Personalmangel, räumlichen Unzulänglichkeiten am Standort in der Rheinlandstraße und Defiziten im Zusammenwirken mit Ortsteil-Feuerwehren, Rettungsdiensten und der Stadt geprägt ist. Laut Grasl besteht ein Investitionsbedarf in Höhe von 30 bis 50 Millionen Euro, um Starnbergs Feuerwehr umzukrempeln und für die Zukunft fit zu machen. Hinzu kommen mit Inbetriebnahme des B2-Tunnels jährlich etwa 2,5 Millionen Euro an Personalkosten für rund 50 hauptberufliche Einsatzkräfte und eine ständig besetzte Wache.

"Googeln Sie mal ,Personalproblem und Feuerwehr'" , sagte Grasl , der gleich zu Beginn seines Referats feststellte, dass für den anstehenden Veränderungsprozess der Brandschützer nicht allein der Tunnel oder das Gewerbegebiet Schorn ursächlich sind. Grasl hat seit Februar 2018 aktuelle Daten im Hinblick auf das überfällige Zukunftskonzept der Starnberger Feuerwehr ausgewertet und festgestellt: "Es passt etwas nicht." Die größte Herausforderung stelle dabei der B2-Tunnel dar. "Unser Problem ist das Personal und die Zeit." Bereits 2010 hatte der Hauptausschuss der Stadt - auch mit Stimmen von FDP und WPS - für ein Zukunftskonzept einhellig festgestellt: "Wenn der B2-Tunnel gebaut wird, ist ( . . . ) zusätzliches Personal zwingend notwendig." Doch seither sei in dieser Hinsicht nichts mehr geschehen, die wenigen vorhandenen Unterlagen zum Thema seien Grasl vom ehemaligen Feuerwehr-Referenten gar in einer Bananenkiste überreicht worden. Grasl: "Wir haben uns die Sachen zusammensuchen müssen."

Aufgrund der Vorgaben des planfestgestellten Tunnels ohne Trennwand seien bei einem Einsatz fünf Löschzüge mit 60 Einsatzkräften - darunter 48 Atemschutzträger - erforderlich. Die ersten Rettungsfahrzeuge sollen laut Vorgabe binnen acht Minuten den Einsatzort erreichen können. Die Feuerwehr drängt daher - gestützt auf zwei Gutachten - auf eine Nachrüstung der 1,9 Kilometer langen Röhre mit Löschanlage und Fahrstühlen; das Staatliche Bauamt hat seine Unterstützung zugesichert, bislang aber keine Zusagen gegeben. Für Grasl steht fest: "Haben wir den Tunnel im Griff, haben wir auch den Grundschutz für die Stadt erledigt."

Die Bestandsaufnahme zur Situation der Feuerwehren ist aus Grasls Sicht ernüchternd. Abgesehen von den Personalproblemen, die dazu führen, dass die meisten Ortsteil-Feuerwehren tagsüber nicht einsatzbereit sind, seien die Gerätehäuser in Starnberg, Perchting, Wangen und Hanfeld baufällig; in Percha ergäben sich zudem Nutzungskonflikte mit Grundschule und Kindergarten. Für Sonderfahrzeuge gibt es kaum Platz, diverse Beanstandungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung seien in den vergangenen Jahren unbearbeitet geblieben.

Doch Grasl beschränkte sich nicht allein auf eine Auflistung der offenkundigen Mängel, sondern präsentierte auch ein Zukunftskonzept, das langfristig den Grundschutz von Starnberg unter Einbeziehung von Tunnel und Schorn ermöglichen soll. BRK und Feuerwehr könnten dadurch zukunftsfähig und die ehrenamtliche Arbeit stabilisiert werden. Wichtigster Baustein ist dabei der Neubau einer Feuer- und Rettungswache im Starnberger Gewerbegebiet, in das auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK), das seinen Standort in der Petersbrunner Straße in zweieinhalb Jahren aufgeben muss, integriert werden könnte. Hinzu kommt unter Nutzung diverser Synergieeffekte ein "Feuerwehrservicezentrum" am Betriebshof der Stadt: Hier könnten alle Fahrzeuge von Feuerwehr und Stadt gewartet werden, zudem könnte eine Tagesdienstwache entstehen. Die frei werdenden Liegenschaften der Feuerwehr in der Rheinlandstraße sowie des BRK in der Kaiser-Wilhelm-Straße könnten zu bezahlbaren Dienstwohnungen für Ehren- und Hauptamtliche umgebaut werden. Weiterhin müsste die derzeit für Fahrzeuge gesperrte Brücke über den Maisinger Bach (zwischen Söcking und Neusöcking) für eine Tragkraft von 18 Tonnen aufgerüstet werden, für das Gewerbegebiet Schorn verlangt Grasl eine Zufahrt. Zudem steht eine Feuerwehrbootshütte mit Anbindung ans Seebad auf dem Wunschzettel.

Der Stadtrat nahm die Ausführungen zur Kenntnis und beschloss die Bildung eines Ausschusses, der in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr unter anderem zielführend über einen Bedarfsplan beraten soll.

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Quelle:
SZ vom 13.03.2019
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