Süddeutsche Zeitung

Kultur:Thomas Mann-Ausstellung zieht ins Krankenhaus

Das Villino darf nicht länger als Museum genutzt werden. Für die Feldafinger Klinik-Leitung die Gelegenheit, Bilder und Objekte aus dem Leben des Schriftstellers einem größeren Publikum zu präsentieren.

Von Sabine Bader

Das mit der Erinnerungskultur ist so eine Sache: Mancher mag es jammerschade finden, dass nun nicht mehr im "Villino", dem kleinen Häuschen auf dem Gelände der Fernmeldeschule Feldafing, in dem Thomas Mann tatsächlich gearbeitet hat, an ihn erinnert wird. Andere mögen es gut finden, dass sich von jetzt an eine Dauerausstellung im Benedictus-Krankenhaus der Zeit des Schriftstellers in Feldafing widmen wird, weil diese sicher mehr Menschen erreichen wird als das Villino.

Zu Letzteren gehört unstrittig Klinikchef Rainer Salfeld. Er hatte die Idee, die Ausstellung ins Patientenrestaurant der Klinik zu verlegen, nachdem das Starnberger Bauamt im Landratsamt die weitere Museumsnutzung im Villino untersagt hatte. Denn die Behörde hatte mangelnden Brandschutz, Fluchtwege, Besuchertoiletten und die zu geringe Deckenhöhe des Hauses moniert. Das Villino sei laut Bebauungsplan ein Wohnhaus. Und nur als solches dürfe es auch genutzt werden, so Salfeld bei der Ausstellungseröffnung vor den rund 40 geladenen Gästen, zu denen auch Hans Wißkirchen, Präsident der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft, und Feldafings Vizebürgermeister Matthias Schremser (CSU) zählten.

Nach der Ablehnung der Behörde, hielt Salfeld an seiner Ausstellungsidee fest. Er war es auch, der den Sammler und Thomas-Mann-Kenner Gernot Abendt aus Tutzing bat, das Konzept für die Dauerausstellung zu entwickeln. Wandfüllende Fotos zeigen Thomas Mann an seinem Schreibtisch, am Grammophon im Villino und mit seiner Frau Katja. Und sie zeigen das denkmalgeschützte Haus als Zeichnung. Die Besucher der Ausstellung finden in den Vitrinen überdies zahlreiche Romanausgaben sowie Fotos und Schriftstücke Manns. An einer anderen Wand prangen Passagen aus dem Tagebuch des Schriftstellers, die sich mit seiner Zeit im Villino befassen.

Zwischen 1919 und 1923 war Thomas Mann oft und gern von München nach Feldafing gefahren. Denn in seinem "Mauseloch", wie er das Villino nannte, konnte er ungestört arbeiten, was im München mit sechs Kindern nicht immer möglich war. Hier hatte er die Muse zum Schreiben. In dem Sommerhaus seines Freundes und Verlegers Georg Martin Richter widmet er sich wieder dem Roman "Der Zauberberg", der über den Krieg liegen geblieben war. In Feldafing machte er auch ausgiebige Spaziergänge am See, ruderte auf dem Wasser und hörte im Erdgeschoss mit dem Grammophon leidenschaftlich Opern von Wagner, Beethoven, Verdi und Puccini. Das Grammophon soll ihn auch zum sinnlichsten Kapitel des Werks, "Die Fülle des Wohllauts", inspiriert haben. Ein baugleiches Exponat findet sich auch in der Ausstellung. Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim hatte es in England entdeckt und Klinik-Chef Salfeld erworben. Auch ein Nachbau des Schreibtisches, an dem der Literaturnobelpreisträger im Villino gearbeitet hat, steht als Exponat in der Ausstellung.

Aufgeschlagen hat das Kapitel Thomas Mann in Feldafing der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer. Er begann damit, regelrecht nach dem in Manns Tagebuch erwähnten "Villino" zu suchen und entdeckte schließlich das Sommerhäuschen 1994 auf dem damaligen Kasernen-Areal. Er richtete es als Dauerausstellung ein, durch die er Besucher gerne führte. 2018 übernahm schließlich die Klinik das Gelände. Und Heißerer, der offensichtlich andere Vorstellungen von der künftigen Nutzung des Denkmals hatte als die Klinikverantwortlich, wurde gekündigt. Derzeit wird das Gebäude umfassend innen wie außen saniert und in seinen historischen Zustand um 1920 versetzt. "Die Detailversessenheit der Architekten bei der Wiederherstellung der alten Schornsteine oder der historischen Fenster hat mich sehr beeindruckt", sagte Salfeld. Die Innenräume wolle man künftig wieder zu Wohnzwecken nutzen, etwa für Klinikpersonal.

Übrigens: Literaturinteressierte Patienten können sich von nun an im TV-Programm der Klinik die Verfilmung des Thomas Mann Romans "Der Zauberberg" in drei Teilen ansehen. Und auf dem selben Sender auch eine Kurzversion der Romanfassung mit elf Minuten, so Salfeld. Und noch etwas kündigt er an: Stefan Pickl von der Universität der Bundeswehr wird an seinem Lehrstuhl ein virtuelles Modell vom Inneren des Villinos zu Zeiten Thomas Manns erstellen - einschließlich des damaligen Mobiliars. Pickl habe bereits das Innenleben des Thomas Mann-Hauses in München digitalisiert, sagt er. "Ich bin sicher es wird ihm auch diesmal wieder gelingen." Salfeld rechnet pro Jahr mit mehr als 10 000 Besuchern, die sich die Ausstellung in der Cafeteria, das Gebäude selbst und die digitale Innenversion ansehen werden. Davon abgesehen bleibt das Villino ganz sicher das bedeutendste Exponat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5435119
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.10.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.